Brüssel/Wien – Österreich, Deutschland, Belgien und Italien haben in ihren Haushaltsplänen für 2016 zusätzliche Ausgaben wegen der Flüchtlingskrise in Rechnung gestellt. Die EU-Kommission erklärte am Dienstag in einer ersten Bewertung der Budgetentwürfe, die "inhärente Flexibilität" des Stabilitäts- und Wachstumspakts ermögliche die Berücksichtigung von Zusatzausgaben aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse.

Solche Ereignisse müssten sich der Kontrolle des betreffenden Landes entziehen, sowohl im Rahmen der präventiven als auch der korrektiven Komponente des Stabilitätspakts. "Die Kommission ist bereit, diese Bestimmungen zu nutzen. Sie wird die Situation anhand der Beobachtungsdaten, die die Behörden der Mitgliedstaaten bereitstellen, aufmerksam prüfen, um berechtigte Beträge festzulegen."

Nur unmittelbare Kosten ausgenommen

Diese Informationen würden in die "Ex-post-Bewertung möglicher vorübergehender Abweichungen von den Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts für die Jahre 2015 und 2016 einfließen". Dies bedeute, dass "lediglich Abweichungen, die unmittelbar den Nettomehrkosten der Flüchtlingskrise zuzuschreiben sind, nicht zu einer etwaigen Verschärfung des Verfahrens führen", betont die Kommission.

Dies gelte auch für die Einleitung eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit. Vorausgesetzt, dass das gesamtstaatliche Defizit im Fall einer Überschreitung des Zielwerts von drei Prozent des BIP "in der Nähe dieser Schwelle bleibt".

EU-Kommission warnt Österreich

Für Österreich ist die flexible Handhabung von unmittelbarer Bedeutung: Die EU-Kommission hat Österreich vor einem Verstoß gegen den Euro-Stabilitäts- und Wachstumspakt gewarnt. Für 2016 werde eine "signifikante Abweichung vom Anpassungspfad" prognostiziert. Sollten aber die geschätzten budgetären Auswirkungen durch die Flüchtlingskrise aus der Berechnung ausgeklammert werden, wäre die prognostizierte Abweichung nicht mehr signifikant.

Österreich versuchte seit einiger Zeit, die Flüchtlingskosten aus dem strukturellen Defizit herauszurechnen. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) will eine Milliarde Euro für 2016 berücksichtigt wissen. Damit würde das strukturelle Defizit – der um Konjunktur- und Einmaleffekte bereinigte Saldo – um 0,3 Prozent niedriger ausfallen. Von diesem Betrag könnte letztlich abhängen, ob Österreich das Nulldefizit schafft.

Mahnung zu Reformen

Die EU-Kommission bittet die österreichischen Stellen, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen um sicherzustellen, dass das Budget 2016 im Einklang mit dem Stabilitätspakt steht. Österreich hat nach Einschätzung der Kommission auch nur "begrenzten Fortschritt" bei der Umsetzung der heurigen länderspezifischen Reformempfehlungen im Europäischen Semester gemacht.

Auch die Haushaltsplanungen von Italien und Litauen könnten zu einer erheblichen Abweichung vom Anpassungspfad zu ihrem jeweiligen mittelfristigen Haushaltsziel führen, erklärte die EU-Kommission. Die Herbstprognose der EU-Kommission deute auf das Risiko einer "signifikanten Abweichung" vom mittelfristigen Budgetziel im Jahr 2016. Die Kritik der EU-Kommission bezieht sich auf "präventive Maßnahmen" im Gegensatz zu den schärferen Korrekturschritten, welche die EU-Behörde für Frankreich, Irland und Slowenien einmahnt. Bei Spanien wird die Gefahr gesehen, dass die Vorgaben des Defizitverfahrens nicht erfüllt werden.

Paris-Terror: Priorität für Sicherheit

Angesichts der jüngsten Terroranschläge in Paris betonte die Kommission, dass in Bezug auf die Budgets die Sicherheit absolute Priorität habe. "Da können Sie sicher sein, dass die Kommission dafür Verständnis hat", erklärte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici.

Auf die Frage, was passiert, wenn Frankreich zur Erhöhung der Sicherheit das Drei-Prozent-Defizitziel überschreite, wollte sich Moscovici nicht konkret festlegen. Die finanziellen Auswirkungen "müssen wir uns erst anschauen". Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sei ja gerade deswegen geschaffen worden, damit die Staaten auch in ihren Budgets einen Spielraum schaffen und auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren können. (APA, red, 17.11.2015)