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Der IWF empfiehlt, Flüchtlinge rascher am Arbeitsmarkt zu integrieren.

Foto: APA/Julian Stratenschulte

Wien – Das Flüchtlingsthema wird auch beim G20-Treffen diesen Sonntag und Montag in Antalya im Fokus stehen. Barack Obama, Wladimir Putin und die anderen Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer wollen an der türkischen Riviera das Thema Syrien und somit auch jenes der anhaltenden Migrationswelle ansprechen. Der Internationale Währungsfonds hat extra für das Treffen einen Bericht über die wirtschaftlichen Auswirkungen und politischen Implikationen der Flüchtlingskrise geschrieben.

Seine Botschaft: Migration kann in den Gastländern hohe Kosten verursachen, allerdings sinken diese mit der Zeit, wenn Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integriert werden. Langfristig können vor allem Zielstaaten mit rückläufiger Bevölkerung im Arbeitsalter sogar deutlich profitieren, meinen die IWF-Experten. Allerdings verhehlt der Fonds nicht, dass der schnelle Zustrom von Flüchtlingen auf die Löhne drücken könne.

Klare Empfehlung des Beratergremiums: Die rasche Eingliederung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt senkt die Kosten und sorgt dafür, dass der Staat Einnahmen generiert. Dazu sei es auch notwendig, die Verfahren zu beschleunigen, weil sich dadurch die Dauer bis zur Jobannahme verkürze, heißt es in dem Papier. Entsprechend müssten die Kapazitäten der Asylbehörden ausgebaut werden.

Auf der Wunschliste

Ebenfalls auf der Wunschliste des Fonds stehen zwei Punkte, die bereits von Wifo-Chef Karl Aiginger angesprochen worden sind: Die Anerkennung der Qualifikationen von Migranten solle durch einfache Verfahren verbessert werden; und die Gründung von Unternehmen soll durch weniger Bürokratie beflügelt werden. Damit würden Wettbewerbsfähigkeit und Innovation erhöht. Aiginger hat in diesem Zusammenhang eine Lockerung der Gewerbeordnung thematisiert. Weiters meint der IWF, dass Flüchtlinge deutlich schlechter qualifiziert seien als Migranten, allerdings nehme der Abstand mit fortschreitender Dauer wieder ab.

In seiner Analyse der Migration wird auch auf die unterschiedlichen Belastungen eingegangen. Libanon und Jordanien etwa sind mit Kosten von rund ein Prozent ihrer Wirtschaftsleistung konfrontiert. Der Anstieg der Aufwendungen in der EU heuer und im kommenden Jahr wird hingegen "nur" auf 0,15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geschätzt. Werden die Kosten in Relation zum Wohlstand der Gastländer gesetzt, ergibt sich ein ganz anderes Bild: Äthiopien und Pakistan werden demnach weit stärker vom Flüchtlingsstrom getroffen als selbst die Türkei, die bereits acht Milliarden Dollar aufgewendet hat.

Heimatüberweisungen

Umgekehrt profitierten die Entwicklungsländer von hohen Heimatüberweisungen der Emigranten, die sich im Vorjahr auf 436 Milliarden Dollar beliefen. Damit machen die Zahlungen der Auswanderer an ihre Familien im Heimatland mehr als die Hälfte der ausländischen Direktinvestitionen in den Entwicklungsländern aus. In Tadschikistan machen die Zahlungen von Migranten in die Heimat fast 50 Prozent des BIP aus. Auch in Kirgistan, Nepal oder Moldavien liegt dieser Anteil über 20 Prozent.

Trotz der vergleichsweise geringen Belastung geht das Ringen um Erfassung und Aufteilung der Kosten auf EU-Ebene weiter. Österreich versucht seit einiger Zeit, die Flüchtlingskosten aus dem strukturellen Defizit herauszurechnen.

Schelling will Ausnahme

Finanzminister Hans Jörg Schelling will dabei eine Milliarde Euro für 2016 berücksichtigt wissen. Damit würde das strukturelle Defizit – der um Konjunktur- und Einmaleffekte bereinigte Saldo – um 0,3 Prozent niedriger ausfallen. Von diesem Betrag könnte letztlich abhängen, ob Österreich das Nulldefizit schafft.

Schelling ist optimistisch, dass ein Herausrechnen beim nächsten Eurogruppentreffen in zwei Wochen gelingen wird. EU-Währungskommissar Valdis Dombrovskis habe die Krise bereits als "außerordentliches Ereignis" bezeichnet, so Schelling. (as, 15.11.2015)