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Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán. Es darf angenommen werden, dass sich die beiden nicht einig sind, was die Flüchtlingskrise angeht.

Foto: EPA/OLIVIER HOSLET

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Österreich ist bei dem Treffen durch Bundeskanzler Werner Faymann vertreten.

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Brüssel – "Leader‘s Meeting Western Balkans Route" – Spitzentreffen zur Westbalkanroute – so lautete, etwas ungelenk formuliert, der Titel des Treffens von 13 Regierungschefs mit den Spitzen der drei wichtigsten EU-Institutionen und des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge. Sie hatten sich Sonntagsnachmittag auf Einladung von Präsident Jean-Claude Juncker in den Räumlichkeiten der EU-Kommission in Brüssel zu einer Dringlichkeitssitzung versammelt.

Das Ganze wirkte nicht nur wegen des überhastet hergestellten Plakatslogans stark improvisiert. Auf den Gängen wurden notdürftig Presseräume eingerichtet. Es trafen sich zehn Premiers von EU-Staaten mit drei aus Nicht-EU-Staaten. Dieses "Format" existiert in den europäischen Verträgen nicht, Frankreich, Italien, Großbritannien etwa fehlten, sodass von Anfang an eines feststand: Um die Durchsetzung der vor Wochen beschlossenen Aufteilungsquoten auf die EU-Länder konnte es hier nicht gehen. Auch wenn zum Beispiel EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zu Protokoll gab, das nur das eine Lösung bringen könnte.

Slowenien: "Lage sehr, sehr ernst"

Vielmehr war von Anfang an klar: Hier finden ein Nottreffen statt, weil "mit einem der höchsten Güter, der Stabilität in Europa gespielt wird" (Schulz). Einziges Thema: Wie kann man eine humanitäre Katastrophe durch den anwachsenden Zustrom an Flüchtlingen auf der Balkanroute durch besseren Schutz der EU-Außengrenzen verhindern? Welche "praktischen Lösungen" und konkrete Kooperation der Staaten sind nötig? Es blieb dem slowenischen Premierminister Miro Cerar vorbehalten, mit drastischen Worten zu sagen, was auf dem Spiel stehe: "Die Lage ist sehr, sehr ernst. Wenn wir nichts konkretes zusammenbringen in den kommenden Tagen und Wochen, dann wird Europa zerfallen."

Cerar berichtete in der Sitzung, dass in Slowenien diese Woche an einem einzigen Tag 15.000 Flüchtlinge angekommen seien. Das übersteige in seinem kleinen Land mit zwei Millionen Einwohnern alle Möglichkeiten bei weitem, das sei wie wenn in Deutschland (80 Millionen Einwohner) an einem Tag eine halbe Million Migranten ins Land kämen. "Allein können wir das nicht schaffen, wir brauchen eine europäische Lösung, sehr rasch", resümierte der slowenische Premier, und wirkte dabei eher verzagt.

Unterstützung von Merkel

Vor der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die auf dieses Treffen gedrängt hatte und dafür Juncker auffallend herzlich dankte (EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte den EU-Flüchtlingsgipfel vergangene Woche erfolglos in den Sand gesetzt), konnte Cerar Unterstützung erwarten: "In einer außergewöhnlichen Lage sind außergewöhnliche Maßnahmen gefragt", erklärte sie. Es sei wichtig, dass die Flüchtlinge menschenwürdige Bedingungen bekämen, "Warte- und Ruhezonen auch auf dem Balkan". Vor allem aber müssten die EU-Außengrenzen besser geschützt werden, sagte die Deutsche, die Bemühungen mit der Türkei vor allem müssten weitergehen, "um eine Lastenaufteilung besser hinzubekommen".

Türkei nicht dabei

Darauf drängte auch der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras: Er bedauerte sogar, dass die Türkei nicht eingeladen sei. Wie die meisten Teilnehmer, so auch der serbische Premier Aleksandar Vukic, beteuerte er, dass nur eine gemeinsame Lösung die einzelnen Länder weiterbringe.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn (sein Land führt gerade den EU-Ratsvorsitz) wies auf die globale Bedeutung der Flüchtlingskrise und einer Lösung hin. Er habe gestern UN-Generalsekretär Ban ki-Moon in New York getroffen, und dieser habe ihm gesagt: "Wenn ihr Europäer das nicht zusammenbringt, wer sonst?" Mit der Debatte über neue Grenzen und Zäune gebe man in der Welt ein Bild ab, das für Europa unwürdig, meinte Asselborn, der auch darauf hoffte, dass bei den Staaten "der Groschen bald fällt: Wenn man auf nationale Lösungen setzt, dann gibt es keine Lösung". Vor allem Griechenland müsse rasch geholfen werden. Vergangene Wochen seien allein auf der Insel Lesbos 50.000 Flüchtlinge angekommen, das kann das Land allein nicht schaffen", so Asselborn.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sieht im Schutz der EU-Außengrenze den entscheidenden Punkt. Es gelte zu "verhindern, dass jeder eine Mauer baut" und auch ein Eingangstor für Menschen mit Asylrecht zu bauen, dies schaffe Ordnung und Menschlichkeit.

Orban als Beobachter

Ganz aus der Rolle fiel wieder einmal der ungarische Premier Viktor Orban. Lachend traf er ein, um den Journalisten zu erklären, dass er "nur als Beobachter da" sei, denn Ungarn sei inzwischen "nicht mehr auf der Flüchtlingsroute", nachdem er Grenzzäune zu Serbien und Kroatien errichtet hatte. Aus der Sicht des "einfachen Beobachters" werde er in der Sitzung darauf drängen, dass die Europäer ihre internationalen Regeln einhalten sollten, wie die Überwachung der Außengrenzen gemäß dem Schengen-Vertrag. Und in Anspielung auf die Politik Merkels höhnte er: "Einige Schengen-Mitgliedsländer sind nicht fähig, ihren Aufgaben nachzukommen. Ich hoffe, dass wir die Politik der offenen Grenzen und der Einladungspolitik heute beenden können." (Thomas Mayer, 25.10.2015)