Die Universität Wien ehrt bedeutende Wissenschafter seit jeher im Arkadenhof des Hauptgebäudes. 154 Büsten stehen unter den Bögen, die das alte Gebäude stützen. Unter den Köpfen finden sich etwa der Mediziner Julius Tandler oder der Politiker Ignaz Seipel. Wer nicht im Hof vertreten ist, sind reale Frauen. Keine einzige Büste bildet aktuell eine Wissenschafterin ab. Die einzige namentliche Ehrung unter den Arkaden der Universität kommt der Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach zu. Sie bekam 1925 eine Gedenktafel.

Nachdem die Universität schon einige hundert Jahre bestanden hatte, wurde schon einmal ein erster Schritt zur Ehrung der Forscherinnen in Form eines Denkmals in die Wege geleitet. Im November 2005 wurde eine weibliche Büste aufgestellt, die als Repräsentantin für die Frauen an den Universitäten wirken sollte. Die Aufstellung der Statue war jedoch von Beginn an nur als temporäre Installation geplant und so musste die "anonymisierte Wissenschafterin", die dem Abbild von Elise Richter nachempfunden war, nach einem Jahr im Arkadenhof wieder weichen.

Umringt von den ganzen Männern thront inmitten des Hofes aber noch eine weitere Frau: Kastalia, die Muse. 2009 entschied sich die Universität Wien, all den nicht berücksichtigten Wissenschafterinnen ein Denkmal zusetzen. Seither läuft der Schatten einer Frau, die ihre Hand zur Faust geballt in die Luft reckt, vom Fuße der Muse über den ganzen Platz. Ab kommendem Sommer sollen sieben weitere Kunstwerke hinzukommen, die real existierenden Frauen gewidmet sind: Elise Richter, Lise Meitner, Charlotte Bühler, Berta Karlik, Olga Taussky-Todd, Marie Jahoda und Grete Mostny-Glaser.

Hohe wissenschaftliche Leistungen

Hauptkriterium für die Auswahl der Forscherinnen waren für Heinz Engl, Rektor der Universität Wien, neben der breiten Aufstellung an Frauen aus den verschiedenen Disziplinen die "hohen, auch heute noch wirksamen und bekannten wissenschaftlichen Leistungen, die an der Uni Wien passiert sind". Die Büsten im Arkadenhof seien aber nicht die einzigen Ehrungen, sondern eine "erste Welle", daher wurden auch verschiedene Künstlerinnen und ein Künstler ausgewählt, die mit unterschiedlichen Techniken arbeiten. So könne auch eine Erweiterung der Installationen mit weiteren Wissenschafterinnen in das Arkadenhofbild passen. Schließlich seien rund hundert Frauen im Kandidatinnenpool für eine Säule gewesen. Gleichzeitig sollen aber auch andere Ehrungen stattfinden, etwa durch die Benennung von Hörsälen nach Frauen.

154 Männerbüsten stehen derzeit im Arkadenhof.
Foto: Corn

"Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es einen Anstieg von Frauen an der Universität Wien", sagt Engl. Frauen hätten "herausragende" Beiträge zur Wissenschaft geleistet; dass im Arkadenhof nur Männer abgebildet sind, würde den Leistungen ihrer Kolleginnen nicht gerecht werden, meint Engl. Daher sei die "bildliche Ehrung" von Frauen einer der Schwerpunkte anlässlich des 650. Jubiläums der Universität Wien.

Keine klassische Ehrung

Büsten "im klassischen Sinn", also wie jene der Männer, schloss Engl aber von Beginn an aus. Er wollte eine "hochwertige künstlerische Darstellung" der Wissenschafterinnen. Aus 34 Einreichungen von Künstlerinnen und Künstlern wurden nun von einer Jury drei Personen ausgewählt, die die Frauen verewigen sollen.

Thomas Baumann wird Bühler, Karlik und Meitner abbilden. Die Abbilder der beiden Naturwissenschafterinnen Karlik und Meitner wird er in mehrere Glasplateaus lasern, die versetzt aufeinander gestellt werden. Psychologin Bühler bekommt einen Aluminiumguss auf einer Säule mit einem Labyrinth als Verweis auf ihr Forschungsgebiet: die Entwicklungspsychologie. Die Säulen werden kein Wandrelief haben, wie es viele der alten Büsten haben, denn "sie sind die ersten Wissenschafterinnen, die geehrt werden, sie sollen auch Platz haben", sagt Baumann.

Die Sozialwissenschafterin Jahoda und die Sprachwissenschafterin Richter werden von Catrin Bolt in die bereits bestehenden Säulen des Hofes gezeichnet. Mit einem Sandstrahl sollen einzelne Schichten der Mauer abgetragen werden und dadurch das Abbild der Frauen zeigen. Karin Frank wurde ausgewählt, um Hochreliefs von Mostny-Glaser und Taussky-Todd zu gestalten.

Kosten von 130.000 Euro

"Viele der Männer im Arkadenhof würden sich posthum wünschen, auf so eine Weise dargestellt worden zu sein", sagt Engl. Die Kosten für die Ehrungen werden sich auf 130.000 Euro belaufen.

Die Kriterien zur Auswahl der Wissenschafterinnen und Wissenschafter besagen, dass nur verstorbene Personen, die an der Universität Wien gewirkt haben und aufgrund ihrer wissenschaftlichen Leistungen in Fachkreisen immer noch hohes Ansehen genießen, im Arkadenhof in Form eines Denkmals geehrt werden können. Zusätzlich ist die Ehrung verstorbener Personen frühestens 15 Jahre nach deren Todestag möglich.

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Der Muse reicht's. Vom Fuße Kastalias streckt sich ein Schatten über den Hof.
Foto: : APA/HERTHA HURNAUS
Fotos: Archiv der Universität Wien

Elise Richter (2. März 1865 – 21. Juni 1943)

Die erste Frau, die 1905 an der Universität Wien habilitierte, war Elise Richter. Ab 1891 besuchte sie Vorlesungen an der Universität Wien – zunächst aber nur als Gasthörerin. Aber nicht nur dort war Richter eine Pionierin: Fünf Jahre nach Beginn ihrer Gasthörerinnenschaft wurde es Frauen gestattet, zur Matura anzutreten, Richter legte 31-jährig als erste Frau am Akademischen Gymnasium in Wien die Reifeprüfung ab. Sie studierte Romanistik als ordentliche Hörerin bis 1901. Später leitete sie das Phonetische Institut.

Richter, die sich nie als Frauenrechtlerin bezeichnete, gründete 1922 den Verband der Akademikerinnen Österreichs. Sie stand diesem bis 1930 vor. In der Ersten Republik schloss sie sich dem bürgerlich-konservativen Lager an. Unter dem Dollfuß-Schuschnigg-Regime trat sie der Vaterländischen Front bei.

Nach dem "Anschluss" wurde Richter wegen ihrer jüdischen Herkunft 1938 die Lehrbefugnis an der Universität Wien entzogen. An der Akademie der Wissenschaften wurde ihr das Betreten des Phonogrammarchivs verboten. Mit ihrer Schwester Helene Richter lebte sie zuerst in ihrem Haus in Wien-Döbling. Das Haus wurde in der NS-Zeit arisiert. 1942 wurden die beiden Frauen in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Elise Richter starb dort 1943 im Alter von 78 Jahren.

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Lise Meitner (7. November 1878 – 27. Oktober 1968)

Als Lise Meitner die Bürgerschule im Jahr 1892 abschließt, ist ihre Ausbildung vorerst beendet. Ende des 19. Jahrhunderts war es Mädchen noch nicht erlaubt, die Mittelschule zu besuchen – und damit unmöglich, eine akademische Ausbildung zu beginnen. Zwar wollte Meitner schon in jungen Jahren Physikerin werden, ihre Eltern rieten ihr jedoch zur Ausbildung als Lehrerin. Auf deren Anraten besuchte sie eine private Schule für Mädchen.

Mit 20 nahm Meitner Privatunterricht, um die Externistenmatura ablegen zu können. 1901 startete Meitner ihre Studien in Physik, Mathematik und Philosophie und dissertierte mit der Arbeit "Wärmeleitung im inhomogenen Körper", 1906 promovierte sie. Sie begann am Physikalischen Institut zu arbeiten. Mit 29 Jahren wollte Meitner ein Jahr lang nach Berlin gehen – es wurden aber 30 Jahre daraus. In Berlin lernte Meitner den Radiochemiker Otto Hahn kennen.

Meitner und Hahn entdeckten in ihrer Forschung das damals neue radioaktive Element Protaktinum und legten die Grundlagen für die Entdeckung der Kernspaltung. Hahn bekam dafür 1945 den Nobelpreis für Chemie.

Fotos: Archiv der Universität Wien

Charlotte Bühler (20. Dezember 1893 – 3. Februar 1974)

Nachdem die Berlinerin Charlotte Bühler das Gymnasium besucht hatte, begann sie 1913 Natur- und Geisteswissenschaften an der Universität Freiburg und der Universität Berlin zu studieren. Bühler promovierte in München 1918 mit der Arbeit "Über Gedankenentstehung: Experimentelle Untersuchungen zur Denkpsychologie". Danach forschte sie in Dresden zur Kinder- und Jugendpsychologie. 1920 habilitierte sie und erhielt dafür die Lehrberechtigung in Sachsen. Zwei Jahre später zog es Bühler an die Universität Wien, wo sie Assistentin am Psychologischen Institut wurde und 1923 habilitierte.

Bühler, die später eine Gastprofessur an der Columbia Universität in New York besetzte, gilt als Vorreiterin der modernen Entwicklungspsychologie und unter Psychotherapeuten und -therapeutinnen als Begründerin der Humanistischen Psychologie. Diese stellt neben Behaviorismus und Psychoanalyse die dritte große Richtung der Psychologie der Fünfziger- und Sechzigerjahre dar.

Bühlers Beiträge zur Psychologie zeigten vor allem, dass die Entwicklung ein lebenslanger Prozess ist. Sie entwickelte den "Wiener Entwicklungstest", der bis in die Siebzigerjahre das meistverwendete Prüfverfahren zur Messung des psychischen Entwicklungsstandes von Kindern war.

Fotos: Archiv der Universität Wien

Berta Karlik (24. Jänner 1904 – 4. Februar 1990)

Mit Auszeichnung schloss Berta Karlik 1923 das Gymnasium ab. Im selben Jahr inskribierte sie sich für das Studium der Physik an der Universität Wien, das sie 1927 mit einer Dissertation "Über die Abhängigkeit der Szintillationen von der Beschaffenheit des Zinksulfides und das Wesen des Szintillationsvorganges" mit Auszeichnung abschloss. Ein Jahr später promovierte sie. Nach einem einjährigen Aufenthalt in London und Paris, der ihr durch ein Stipendium der "International Federation of University Women" ermöglicht wurde, begann Karliks Arbeit am Wiener Institut für Radiumforschung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Karlik bis 1974 Leiterin des Radiuminstitutes. 1956 wurde sie als erste Frau ordentliche Professorin für experimentelle Kernphysik. In den ersten Nachkriegsjahren setzte sie sich für die Neugründung des Verbandes der Akademikerinnen Österreichs ein. 1973, ein Jahr vor ihrer Emeritierung, wählte die Akademie der Wissenschaften Karlik als erste Frau zum vollwertigen Mitglied.

Fotos: Archiv der Universität Wien

Olga Taussky-Todd (30. August 1906 – 7. Oktober 1995)

Die gebürtige Olmützerin – damals in Österreich, heute in Tschechien gelegen – Olga Taussky studierte an der Universität Wien Mathematik. Sie promovierte 1930 auf dem Gebiet der Zahlentheorie. Der Titel ihrer Arbeit lautete "Über eine Verschärfung des Hauptidealsatzes". Ihrem Professor Philipp Furtwangler war es kurz zuvor gelungen, den Hauptidealsatz zu beweisen.

Ein Jahr später erhielt Taussky eine Assistentinnenstelle an der Universität Göttingen. Dort entstand eine langjährige Freundschaft zur Mathematikerin Emmy Noether. Sie setzte sich auch dafür ein, dass Taussky für ein Jahr an das Women's College Bryn Mawr in den USA zu gehen. Ihr Stipendium trat die jüdischstämmige Taussky im Jahr 1934 an. Nach Noethers Tod 1935 ging Taussky als Assistentin an die Cambridge University. 1937 erhielt sie eine Stelle am Westfield College der London University, wo sie umfangreiche Lehrverpflichtungen übernahm und auch ihren späteren Ehemann, den irischen Mathematiker John Todd, kennenlernte.

Im Zweiten Weltkrieg arbeitete Taussky am National Physical Laboratory in Teddington an der Aerodynamik von Flugzeugen und entfernte sich immer mehr von ihrem Spezialgebiet – der Zahlentheorie. Taussky-Todd entwickelte sich zu einer der wichtigsten Vertreterinnen der Matrizentheorie. 1957 verschlug es sie erneut in die USA. Sie arbeitete am California Institute of Technology in Pasadena, wo sie bist zu ihrem Tod 1995 lebte.

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Foto: Barbara Gindl / APA-Archiv / picturedesk.com

Marie Jahoda (26. Januar 1907 – 28. April 2001)

Ihre sozialpsychologische Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal" machte Marie Jahoda berühmt. Die Untersuchung zeigt, wie Arbeitslosigkeit zur Teilnahmslosigkeit führt – auch politisch. Die Wiener Sozialpsychologin und Aktivistin der Arbeiterbewegung belegte zuvor an der Uni Wien ein Doppelstudium in der Lehrerinnenausbildung.

Ab 1924 war Jahoda Mitglied der Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) und ab 1934 im Ständestaat der Revolutionären Sozialisten. Gleichzeitig begann sie die Österreichische Wirtschaftspsychologische Forschungsstelle zu leiten. 1936 wurde sie aufgrund ihres politischen Engagements verhaftet und nach neun Monaten im Gefängnis entlassen, allerdings musste sie Österreich verlassen. Man erkannte der Psychologin die österreichische Staatsbürgerschaft ab und Jahoda zog nach Großbritannien.

Anschließend ging Jahoda in die USA. Von 1948 bis 1958 war sie Professorin für Sozialpsychologie an der New York University, danach bis 1973 an der Universität of Sussex in Großbritannien.

Grete Mostny Glaser (17. September 1914 – 15. Dezember 1991)

Ihre Dissertation "Die Kleidung der aegyptischen Frau im alten Reich" stellte Grete Mostny Glaser bereits 1937 fertig. Bevor die Linzerin mit jüdischen Wurzeln aber zu ihrem Rigorosum antreten konnte, verhinderte der "Anschluss" den Abschluss des Studiums. Mostny Glaser musste die Universität ohne Abschluss verlassen.

Ihr Studium setzte Mostny Glaser an der Freien Universität in Brüssel, wo sie 1939 in Philologie und Altorientalischer Geschichte promovierte, fort. Mostny Glaser studierte in Kairo und nahm an Ausgrabungen in Luxor teil. Im selben Jahr emigrierte sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder nach Chile und begann am Museo Nacional de Historia Natural zu arbeiten. 1943 wurde sie zur Leiterin der Anthropologischen Abteilung, wo sie bis 1964 blieb. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erhielt sie von der österreichischen Regierung ihr Wiener Doktorat übermittelt – verbunden mit dem Angebot, an der Universität Wien zu arbeiten. Sie lehnte dieses Angebot aber ab und erhielt 1946 die chilenische Staatsbürgerschaft. Mostny Glaser war von 1964 bis 1982 Direktorin des chilenischen Nationalmuseums für Naturkunde. (Oona Kroisleitner, 28.10.2015)