Hoffentlich hat es Bashar al-Assad in Moskau gefallen. Der syrische Präsident muss ja, wenn es denn stimmt, dass er seit 2011 nicht mehr im Ausland war – ein Inkognito dürfte bei seiner Physis nicht so leicht funktionieren -, nahe am Lagerkoller sein: Vielleicht dachte er bei seinem Ausflug zum russischen Präsidenten Wladimir Putin darüber nach, ob man auf lange Sicht auch woanders leben kann als in Syrien. Wie es viele seiner Landsleute zu tun gezwungen sind, die vor seinen Bomben flüchten.

Die große Frage ist nun, ob Putin einen Plan hat, wenn er Assad nicht nur militärisch zu rehabilitieren, sondern auch politisch auf die Bühne zurückzuholen versucht. Angesichts der großen Planlosigkeit der USA, der Europäer und der Araber könnte man dazu tendieren, Putin für den einzigen Strategen im Nahen Osten zu halten. Aber es ist eben nicht klar, ob Putins Vorhaben nicht einfach nur darin besteht, den angeschlagenen Assad um den Preis eines hohen Einsatzes zu halten, weil er im Moment der Einzige ist, der Russland den Fuß in der Nahost-Tür garantiert. Auch die Iraner machen ja schon Geschäfte mit den USA.

Aber das wäre natürlich kurzsichtig, und die Russen verstehen traditionell viel vom Nahen Osten. Auffallend oft betont Putin zurzeit, dass es für Syrien eine politische Lösung braucht – wobei Assad ja allerhöchstens bei einem Übergang, aber niemals längerfristig eine Rolle spielen kann. Sogar von "kurz- bis mittelfristig" muss er die anderen, Assad-feindlichen Spieler in der Region erst überzeugen. Aber in dieser Beziehung scheint gerade einiges in Bewegung zu geraten.

Vielleicht sieht sich Putin als Deus ex Machina, der die Aufteilung des nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten syrischen Nationalstaats dirigieren wird. Für Assad konsolidiert er die Kontrolle über ein zukünftiges Kernsyrien, während andere Teile nach Kriegsende – der Vernichtung des "Islamischen Staats" und anderer jihadistischer Gruppen – eigene Wege gehen könnten. Nur wenige glauben, dass die Grenzen Syriens, aber auch des Irak in zehn Jahren so aussehen werden wie heute.

Auch Putins Stehsatz, dass ethnische und konfessionelle Interessen in Syrien berücksichtigt werden müssen, wird klarer. Moskau bemüht sich ganz ungeniert um die syrischen Kurden – anders als die USA muss es keine Rücksicht auf Ankara nehmen. Und die Kurden werden mit dem kooperieren, der ihnen zumindest Autonomie verspricht. (Gudrun Harrer, 21.10.2015)