Das Influenzavirus: Anders als Bakterien bestehen Viren lediglich aus Erbgut und einer Proteinhülle.

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Es ist noch immer häufige Praxis. Der Patient hat einen grippalen Infekt, der Arzt verschreibt ihm ein Antibiotikum. Und ja, vielen geht es danach besser. Dennoch warnen Experten eindringlich vor einer solchen pauschalen Verabreichung. Erkältungen und Co. werden nämlich von Viren verursacht, und gegen diese Erreger sind Antibiotika machtlos.

Der Hintergrund: Die Wirkstoffe greifen gezielt Bakterienzellen an. Amoxicillin zum Beispiel, eines der am häufigsten genutzten Antibiotika, blockiert ein Enzym zum Neuaufbau der äußeren Zellwand. Da sich Bakterien praktisch ständig teilen, ist diese Funktion überlebenswichtig. Viren indes haben keine Zellwand. Sie sind noch nicht mal Lebewesen im eigentlichen Sinne, sondern bestehen lediglich aus etwas Erbgut, DNA oder RNA, verpackt in einer Proteinhülle. Mehr ist eigentlich nicht dran.

Entstehung von Resistenzen

Die Einnahme von Antibiotika bei Vireninfektionen birgt, abgesehen von möglichen Nebenwirkungen, das Risiko der Entwicklung von Resistenzen. Die Medikamente töten zwar die allermeisten Bakterien, aber einige wenige schaffen es mitunter, der Zerstörung zu entgehen. Ihr Überleben verdanken sie kleinen Veränderungen in der Struktur von Eiweißmolekülen oder anderen biochemischen Bausteinen.

Infolgedessen finden die Antibiotika ihre Angriffsstellen nicht mehr, oder sie werden nun selbst von modifizierten Enzymen zersetzt. Am Anfang solcher Resistenzen stehen spontane Mutationen im Erbgut der Bakterien. Kein gerichteter Prozess, sondern rein zufälliger Wandel – die Basis aller Evolution.

Ob sich eine Mutation weiter verbreiten kann, hängt von der natürlichen Selektion ab. Die Vorteile müssen gegenüber den Nachteilen überwiegen. Wenn eine Bakterienpopulation durch fehlerhaften Antibiotikaeinsatz bis auf wenige resistente Individuen ausgerottet wurde, haben letztere freies Feld. Innerartliche Konkurrenz findet praktisch nicht mehr statt.

Antibiotika nur gezielt einsetzen

Auch Viren können sich durch Mutationen verändern, und so das Immunsystem mit seinen körpereigenen Kampfstoffen austricksen. Ein ausgetauschtes Glied an einer bestimmten Stelle in der RNA-Kette zum Beispiel genügt, um den Angriff von IFIT-Proteine (siehe Haupttext) auf das virale Erbgut zu verhindern.

Dass einige Bronchitis-Patienten nach Einsatz von Antibiotika tatsächlich schneller gesund werden, dürfte mit einer besonderen Wechselwirkung zwischen verschiedenen Komponenten der Immunabwehr in Verbindung stehen. Virenbefall löst eine ganze Kaskade an Botenstoffe aus, der neueren Beobachtungen zufolge Bakterien die Ansiedlung erleichtert. Dennoch sollte man Antibiotika erst bei einer klar diagnostizierten bakteriellen Folgeinfektion schlucken, und nicht im Voraus, betonen Fachleute. (Kurt de Swaaf, 2.10.2015)