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Tausende Flüchtlinge warten am Budapester Bahnhof Keleti auf die Weiterreise.

Foto: REUTERS / Bernadett Szabo

Bewegtbilder vom Aufgang in die Bahnhofshalle.

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Schlange stehen.

Foto: Gudrun Springer

Wien/Eisenstadt/Budapest – Im Burgenland ist seit Montagnachmittag die Schwerpunktaktion zur Schlepperbekämpfung auf den Straßen wieder angelaufen. Außerdem haben die österreichischen Behörden ihre Kontrollen in Zügen aus Ungarn wieder aufgenommen, wie das Innenministerium am Dienstag mitteilte. Diese erfolgten jedoch "nach Maßgabe der personellen Kapazitäten" und würden sich "gegen Schlepper richten", sagte Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck.

Vorerst können Flüchtlinge aus Ungarn in Zügen also weiterhin ungehindert die österreichische Grenze überqueren und in Richtung Deutschland weiterreisen. Ungarn lässt sie weitgehend ungehindert ausreisen, seit Montag wurde zudem der internationale Zugverkehr in Richtung Westen wiederaufgenommen.

Flüchtlinge warten in Budapest

Tausende Flüchtlinge versuchten seit Dienstagfrüh in Budapest am Bahnhof Keleti, einen Zug in den Westen zu erwischen. Viele haben in der Früh Tickets für einen Zug gekauft, der inzwischen ohne sie abgefahren ist. "Dabei habe ich mich am Ticketschalter extra erkundigt, ob Araber auch fahren dürfen", beklagte sich der Mann, der 1.020 Euro für acht Karten nach München ausgegeben hat. Zwar wurde ihm von der Polizei zugesagt, dass er in zwei Stunden noch damit fahren dürfe, doch der 27-Jährige weiß nicht mehr, was er nun glauben darf.

Schwenk über den Budapester Bahnhof Keleti.
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Eine Stunde später begann die Polizei, den Pulk an Leuten in Blöcke zu teilen. Mehrere Dutzend Hände wedelten mit ihren Tickets. Vorerst gab es aber noch kein Durchkommen auf die Bahnsteige für sie.

Kurz vor Abfertigung des Zuges, der um 11.10 Uhr vom Bahnhof Keleti nach Wien abfahren sollte, wurde es vor den von der Polizei abgeriegelten Bahnsteigen einigermaßen chaotisch. Freiwillige versuchten, die Menschengruppe vor der Sperre der Beamten dazu zu bringen, etwas Abstand zu halten, doch einige Dutzend Personen drängten in Richtung Züge, wurden aber zurückgehalten. Mehrere kleine Gruppen der Wartenden durften in den Railjet steigen, allerdings wird die Menge der Flüchtlinge in der ungarischen Hauptstadt mit jeder Stunde größer.

Um Mittag bildeten sich geordnete Menschenschlangen entlang des Rands der Bahnhofshalle und auf den Stufen in Richtung U-Bahn-Unterführung. Der Familienvater mit den acht Tickets, die bereits für den Zug um 9.10 Uhr bestimmt gewesen wären, wartet nun in einer der Schlangen. "Wir werden weiterkommen. Irgendwann, irgendwie", sagt der Syrer. Er reist mit einem viereinhalbjährigen Kind.

"Was ist mit den Frauen und Kindern?"

Ein Landsmann meint: "Es tut mir leid, dass ich das so sagen muss, aber ich denke, sie spielen mit uns." Dabei hätten sie doch schon genug mitgemacht. "Ich kann das aushalten, aber was ist mit den Frauen und Kindern?", sagt der 32-jährige Sherwan R. Er ist in Ungarn nicht registriert. Seit zwei Uhr früh befindet sich der Literaturstudent in Budapest. Viele Flüchtlinge kommen nicht so schnell voran wie R., derzeit versucht die Polizei laut Helfern, möglichst viele nach dem Grenzübertritt Aufgegriffene in Lager zu bringen.

Diese sind überfüllt, besondere Sorgen bereitet den freiwilligen Helfern derzeit Röszke im Süden des Landes, wo hunderte bis tausende Menschen im Freien übernachteten, bei unter zehn Grad Celsius. Die Polizei hält die Menschen bis zur Registrierung dort fest, sie dürfen sich nicht frei bewegen.

Orbán will Zaunbau beschleunigen

Der ungarische Premier Viktor Orbán will unterdessen den Bau des 175 Kilometer langen Metallzauns an der ungarisch-serbischen Grenze früher als geplant fertigstellen. Dies erklärte er gegenüber der Tageszeitung "Magyar Idök".

Entlang der ungarischen Südgrenze verläuft bereits jetzt ein rund 1,5 Meter hoher Stacheldrahtzaun. Bis Ende November sollte dieser um eine weitere, 4,5 Meter hohe Metallsperre ergänzt werden. Nach einem Besuch im Grenzort Mórahalom, bei dem Orbán auch Soldaten traf, die den Zaun errichten, versprach er nun, den Bau beschleunigen zu wollen.

Lücke im Zaun wird geschlossen

Zudem soll eine Lücke im Zaun auf den Gleisen der Eisenbahn nahe dem Lager in Röszke geschlossen werden, durch die derzeit hunderte nach Ungarn flüchten. Das berichtete das ungarische Staatsfernsehen. Der Drahtzaun dort ist den Flüchtlingen dort kein Hindernis, da ein Stück dieses Zaunes dort ausgespart werden musste, wo die Gleise Serbien mit Ungarn verbinden. Ein Tor soll den Durchlass versperren, und nur dann geöffnet werden, wenn ein Zug anrollt.

326 Flüchtlinge im Burgenland aufgegriffen

Im Burgenland wurden am Montag insgesamt 326 Flüchtlinge auf der Straße aufgegriffen, zwischen Mitternacht und Dienstag 7 Uhr dann noch einmal 84 Menschen. Diese würden nun, wie auch bereits vor dem Wochenende, in Erstversorgungsstellen gebracht, um abzuklären, ob sie um Asyl ansuchen wollen, hieß es vonseiten der LPD Burgenland. Täten sie dies nicht, werde eine "Rückführung nach Ungarn" eingeleitet.

Trotz des großen Flüchtlingsstrom aus Ungarn sind just zu diesem Zeitpunkt die Asylantragszahlen in Österreich leicht zurückgegangen. Am Freitag wurden 216 entsprechende Ansuchen gestellt, Samstag 114, Sonntag 166 und Montag 235. Insgesamt kommt man damit in etwa auf jene 730 Anträge, von denen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) im Ö1-"Mittagsjournal" sprach.

Mehr Mittel für das UNHCR

Bundeskanzler Werner Faymann forderte am Dienstag erneut einen EU-Gipfel zum Asylthema noch im September. Es brauche denselben Einsatz der Politik wie beim Kampf gegen die Wirtschaftskrise. Der SPÖ-Chef kann sich zusätzliche Budgetmittel für die Uno beziehungsweise das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR vorstellen, um sicherzustellen, dass Flüchtlinge in der Nähe der Krisenregionen bestmöglich untergebracht werden können.

In Richtung Ungarn meinte Faymann, es brauche einheitliche Asylstandards. Wenn es die gleichen Anerkennungsquoten gebe, würden Menschen nicht in dem Ausmaß wie bisher weiterziehen, zeigte er sich überzeugt. Neuerlich plädierte er für eine faire Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU. Es sei "inakzeptabel", dass jene Länder, die nicht so betroffen seien, nicht an einer Lösung mitwirkten.

Juncker-Pläne

Einen Termin für einen EU-Sondergipfel gibt es vorerst aber nicht. EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker legt am Mittwoch aber zumindest seinen Vorschlag für eine fairere Flüchtlingsverteilung vor.

Ungar soll um 54.000, Griechenland um 50.400 und Italien um 15.600 Flüchtlinge entlastet werden. Österreich müsste demnach 2.664 Personen zusätzlich aufnehmen. Zudem will die Kommission Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien und die Türkei einheitlich in Europa zu sicheren Herkunftsländern erklären. Für Österreich käme nur die Türkei neu dazu.

Solidarität bei Quartieren gefordert

Positiv hob Faymann das Engagement der Zivilgesellschaft bei der Betreuung durchreisender Flüchtlinge hervor. Es brauche nun aber im selben Ausmaß Solidarität der Bevölkerung bei der Schaffung von Quartieren in Österreich. Nicht zuletzt um die Quartierfrage soll sich der neue Flüchtlingskoordinator Christian Konrad kümmern. Er wurde vom Ministerrat am Dienstag offiziell bestellt. Konrad arbeitet ehrenamtlich, bekommt für seine Arbeit aber ein Budget von maximal einer Million Euro, wie es im Ministerratsbeschluss heißt.

Am Freitag hält die Regierung eine gemeinsame Klausur mit Konrad ab. Wie berichtet ist auch mit budgetären Mehrkosten zu rechnen. Diskutiert werde aber auch, ob die zusätzlichen Kosten nicht aus den Budgetzielen herausgerechnet werden sollen, sagte Faymann. Er wäre jedenfalls dafür: "An den notwendigen finanziellen Mitteln darf ein Menschenrecht nicht scheitern." (spri, go, APA, 8.9.2015)