PRO: Von wegen neoliberal

von Günther Oswald

Barack Obama wäre wohl nie Präsident geworden, wenn die österreichischen Gewerkschaften in den Vereinigten Staaten das Sagen hätten. Vor seiner ersten Wahl im Jahr 2008 war Obama ein Underdog, der sich nicht zuletzt wegen der Unterstützung von unzähligen freiwilligen Mitarbeitern gegen seinen viel bekannteren republikanischen Gegner John McCain durchsetzen konnte. Im oberösterreichischen Landtagswahlkampf zeigt sich nun die Gewerkschaft der Privatangestellten entrüstet, weil die Neos um Mitstreiter werben, die sich unentgeltlich für die Partei engagieren.

Zugegeben: Die ersten Inserate, in denen Kuchen statt Geld in Aussicht gestellt wurde, waren etwas ungeschickt formuliert. Vergleiche mit dem (fälschlicherweise) Marie Antoinette zugeschriebenen Sager "Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen" waren aufgelegt.

In der Sache gibt es aber natürlich keinen Grund zur Empörung. Selbstverständlich muss es in Wahlkämpfen möglich sein, für einige Wochen ehrenamtliche Mitarbeiter einzusetzen. In diesem Zusammenhang von einer Unterwanderung der Kollektivverträge zu sprechen, ist lächerlich. Mit Neoliberalismus hat das alles nichts zu tun. Alle Parteien – natürlich auch die in der Gewerkschaft dominierende SPÖ – sind auf Überzeugungstäter angewiesen. Wenn sie nicht mehr mitarbeiten dürften, wäre das der endgültige Tod für jedes politische Engagement. (Günther Oswald, 19.8.2015)

KONTRA: Gnadenlos übers Ohr hauen

von Conrad Seidl

Es spricht wenig dagegen, wenn altgediente Funktionäre oder frischgefangene Kandidaten einer Partei Klinken putzen gehen – also ihr mehr oder weniger gelungenes Werbematerial von Haustür zu Haustür bringen und dabei versuchen, mit potenziellen Wählern ins Gespräch zu kommen. Dafür verlangt keiner Geld, so etwas ist Ehrensache.

Wer aber professionell arbeitet – ob bei der Gestaltung des Werbematerials, beim Aufbau und der Abwicklung von Veranstaltungen oder sonst wo in der Parteiorganisation –, gehört dafür auch professionell bezahlt. Die Werbung für eine Partei ist ja nichts substanziell anderes als die Werbung für ein Waschmittel – manchmal nicht ganz so sauber, aber das tut hier nichts zur Sache.

Sehr wohl zur Sache gehört, dass es Parteien gibt, die professionelle Mitarbeiter mit Kaffee und Kuchen abspeisen wollen. Das weist nämlich auf ein bedenkliches Rechtsverständnis hin – speziell von den im Arbeitsrecht verankerten Schutzrechten für Arbeitnehmer. Wenn die Neos als Gegenleistung für unbezahlte Mitarbeit im Wahlkampfteam "eine Top-Referenz in deinem Lebenslauf" anbieten, dann machen sie sich zudem zum Aushängeschild jener Unternehmer, die die Generation Praktikum gnadenlos übers Ohr hauen. Das ist auch in der Sache unverständlich: Schließlich winkt erfolgreichen Parteien ja eine Parteienförderung, aus der sie ihren Betrieb finanzieren sollen. (Conrad Seidl, 19.8.2015)