Die Schockwellen ebben ab: Donnerstag standen die Zeichen an den meisten internationalen Börsen auf Erholung. Experten wollten keinen "Währungskrieg"-Alarm geben. Und die Wirtschaftskapitäne ließen von ihren Kommandobrücken durchfunken, dass alles eh nicht so schlimm sei. Siemens-Chef Joe Kaeser fasste es so zusammen: Man dürfe nun bloß nicht "in Panik verfallen".

Die vielbesprochene Abwertung des Yuan (oder Renminbi, "Volksgeld", wie die chinesische Währung eigentlich heißt), alles nur eine kleine Sommerübertreibung?

Beim ersten Mal hinsehen: nein. Und beim zweiten Mal: erst recht nicht. Denn es geht noch bei der kleinsten Politikschraube, an der die chinesischen Notenbanker und KP-Mandarine drehen, immer auch um Stabilität und Haltbarkeit des Wirtschaftsmodells der Pekinger Führung. Deren Grundfrage für alle Entscheidungen lautet: Wie können wir sicherstellen, dass das Volk nicht aufmuckt?

Seit der kleine, große Vorsitzende der KPCh, Deng Xiaoping, Anfang der 1980er-Jahre mit den marktwirtschaftlichen Reformen im Land begonnen hat, haben die Kader in Peking hunderte Millionen Menschen aus absoluter Armut gehoben – eine gewaltige Leistung, erkauft um den Preis politischer Repression und Rechtlosigkeit. Heute allerdings geht es nicht mehr so sehr darum, hungrige Mäuler zu stopfen. Vielmehr muss die Führung in Peking Menschen in Beschäftigung bringen und halten.

Noch immer drängen dutzende Millionen Chinesen von der (Subsistenz-)Landwirtschaft in die Fabriken an der Ostküste. Jedes Jahr machen über 20 Millionen Studenten einen Abschluss. Sie alle brauchen Jobs. Und die gibt es nur, wenn es ausreichend Wachstum gibt. Vor einigen Jahren sprachen chinesische Volkswirtschafter von acht Prozent pro Jahr. Nun sollen sieben genügen. Aber auch die sind nach 25 Jahren der Rekordzuwächse neuerdings für die chinesischen Planwirtschaftler schwer zu erreichen. Die KP muss kämpfen.

Nachdem sich China 2009 den Pokal des "Exportweltmeisters" holte, gingen seine Strategen dazu über, das Wirtschaftsmodell auf vermehrte Inlandsnachfrage umzustellen. Bis dato hat dieser Übergang allerdings nur schleppend funktioniert, auch wenn Chinesen noch in den entlegensten Gegenden bereits einen 52-Zoll-Flachbildfernseher, einen Kühlschrank und ein Auto (oder zumindest Motorrad) aus chinesischer Fertigung besitzen.

Dazu kommt, dass der Standort China durch Lohnerhöhungen und sich verbessernde Sozialfürsorge immer teurer wird. Im benachbarten Vietnam produzieren Unternehmen inzwischen deutlich günstiger. Die paar Punkte Währungsvorteil mag die chinesische Exportindustrie gut brauchen können. Ob das allerdings angesichts sinkender Wachstums- und Produktionszahlen hilft, den Kapitalismus kommunistischer Prägung aufrechtzuerhalten, ist fraglich. Es kann gut sein, dass der Welt die echten Schockwellen aus China erst bevorstehen. (Christoph Prantner, 13.8.2015)