Dass in Wien ausschließlich junge Polizisten die schwierigsten und gefährlichsten Aufgaben übernehmen, sorgt für Kritik.

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Wien – "So geht das nicht", sagte die Vizepräsidentin der Wiener Polizei am Mittwochabend in der "ZiB 2". Michaela Kardeis nahm damit Stellung zum Fall des gewaltsamen Übergriffes eines Polizisten gegen einen mutmaßlichen Taschendieb im Bezirk Leopoldstadt Ende Juli. Auf einem privaten Handyvideo ist zu sehen, wie einer von zwei Beamten den rücklings gefesselten Mann an der Kehle packt und kopfvoran zu Boden schleudert. "Das ist eindeutig keine Einsatztechnik, die in der Polizei gelernt wird", sagte Kardeis. Sie gestand "eindeutiges Fehlverhalten und unverhältnismäßige Körpergewalt" ein.

Auf die Frage, ob sie ohne die Aufnahmen je auf den Vorfall aufmerksam geworden wäre, antwortete Kardeis: "Ich fürchte nein." Um den Angriff zu verschleiern, hatten die beiden im Video zu sehenden Beamten und zwei weitere am Einsatz beteiligte Kollegen den Ablauf falsch zu Protokoll gegeben. Der Verdächtige habe sich selbst verletzt, stand darin – deshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft nun auch wegen Amtsmissbrauchs. Zwar seien Teamgeist und Kollegialität wichtig, so Kardeis, doch die Toleranz höre dann auf, "wenn vertuscht wird und wenn man versucht, zu decken".

"Militärische Organisation"

Die Beamten gehörten der Bereitschaftseinheit an, der jeder junge Wiener Polizist eineinhalb Jahre nach der Grundausbildung für ein halbes Jahr zugeteilt wird. Das Aufgabengebiet umfasst kritische Einsätze wie Razzien, Demos oder Streifendienst in Gegenden, die als soziale Brennpunkte gelten. Während in anderen Bundesländern junge mit älteren Polizisten zusammengespannt werden, würden in Wien "unerfahrene Polizisten in einer militärisch organisierten Gruppe konzentriert", kritisierte Heinz Patzelt von Amnesty International Österreich.

Die Folgen für die nun der Körperverletzung verdächtigen Be-amten sind noch offen. Die interne Prüfung obliegt dem Referat für besondere Ermittlungen. Einvernommen wurden die vorerst in den Innendienst versetzten Männer laut Polizeisprecher Johann Golob noch nicht. Drastische Konsequenzen zweifeln Experten eher an: 252 Polizeiübergriffe wurden 2014 in Wien angezeigt, in keinem Fall kam es zu einer Verurteilung (mcmt, 13.8.2015)