Die jüngsten Medizin-Aufnahmetests an Universitäten haben wieder zu heftigen Diskussionen geführt, weil Frauen zwar 58 Prozent der Kandidatinnen (Männer 42 Prozent) stellten, aber "nur" 51 Prozent der Aufgenommenen (Männer: 49 Prozent). Aufschrei trotz Mehrheit aufgenommener Frauen?!

Frauen sind hier übrigens schon lange im Vorteil, im Studienjahr 2003/04 stellten sie etwa an der Uni Wien sogar mehr als 60 Prozent der Studierenden – und kein Mensch sorgte sich um die fehlenden Männer! Gegenwärtig studieren in Österreich laut Statistik Austria im Studienjahr 2013/14 jedenfalls 51,4 Prozent Frauen und 48,6 Prozent Männer. In der Bundesrepublik Deutschland lag der Frauenanteil im Medizinstudium 2013/14 gar bei über 69 Prozent, der der Männer nur knapp über 30 Prozent.

Angesichts dieser Fakten darf eine Aussage wie die der VSStÖ-Vorsitzenden Katrin Walch, wonach das Medizinstudium "zu einem männlichen Elitenprivileg verkommen" sei und man nicht länger zuschauen dürfe, "wie hunderten Frauen aufgrund ihres Geschlechts das Medizinstudium verwehrt wird" (Austria Presse Agentur, 6. 8. 2015), als Brainwashing par excellence gelten – das auch wirkt: Die meisten Kommentatoren sagen diesen Unsinn nach.

Alles anders

Überhaupt haben sich die Verhältnisse im Bereich der höheren Bildung längst umgedreht: 54,1 Prozent aller Studierenden an Unis und Fachhochschulen sind Frauen, die Männer mit 45,9 Prozent klar in der Minderheit. Und wie in fast allen Schultypen vor der Uni ist auch die Erfolgsquote an Unis bei Frauen deutlich höher: An den drei größten Unis Österreichs liegt sie bei Studentinnen um jeweils rund zehn Prozentpunkte über jener der Studenten (am deutlichsten an der Uni Wien: 51,5 gegenüber 41,2 Prozent Männer). Und 2012/13 haben, wie Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek (allerdings ohne Aufschrei ...) berichtet, an österreichischen Unis 58,6 Prozent Frauen und nur 41,4 Prozent Männer ein Studium abgeschlossen – ein Gender-Gap von fast 18 Prozent! Das Statistische Zentralamt sagt bis 2030/31 eine weitere Steigerung der Frauenabschlüsse in fast allen Studienrichtungen voraus. Hallo – aufwachen!?

Nun ist ja – in unseriöser Weise – schon vor Jahren am Medizin-Aufnahmetest "herumgegendert" worden, zum Beispiel auch in Form einer "milderen" Bewertung von Frauen (eine Art Wohlwollensdiskriminierung!). Auch jetzt werden wieder Veränderungen des Tests gefordert. Das ist a) unnötig (siehe oben) und b) Genderpolitik vom falschen Ende aus: Wie es meiner langen Universitätserfahrung nach auch fragwürdig ist, Frauen vornehmlich auf den obersten Rängen, anstatt junge Kolleginnen von unten weg zu fördern ("befördern statt fördern"), so erscheint es mir hanebüchen, an einem Testverfahren zu drehen, anstatt an den Voraussetzungen, also den geschlechtsspezifischen Bildungs- und Sozialisationsverläufen, die Mädchen immer noch geschlechtsspezifisch prägen. Offenbar sind Burschen diesbezüglich geringfügig besser vorbereitet. Und genau daran sollte geschlechterpolitisch gearbeitet werden, übrigens anderweitig auch bei den Voraussetzungen von Burschen und ihren schlechteren Zugängen zu sozialen und erzieherischen Berufen. Anstatt so lange an Aufnahmeverfahren zu basteln, bis das gewünschte Gender-Ergebnis herauskommt, wäre dies gerechter, nachhaltiger und sinnvoller.

Dass so ein "Aufschrei" trotz eindeutigen zahlenmäßigen Vorteils von Frauen überhaupt zustande kommen kann, lässt interessante Schlüsse zu: Die absolute Mehrheit von Frauen beim Medizin-Aufnahmetest (51 Prozent) reicht nicht mehr, es muss auch die "relationale Mehrheit" (in Relation zur Zahl der Bewerberinnen) Berücksichtigung finden. Dies ist ein verhängnisvoller (nicht der einzige) Denkfehler im politischen Korrektheitsdschungel von Genderpolitik: Es wäre ja auch denkbar, dass sich mehr Männer bewerben; dürfen die dann auch zu 59 Prozent Zugang haben? Oder dass sich aufgrund der "Frauenförderung" oder der "milderen Bewertung" von Frauen eine Anzahl von tatsächlich weniger geeigneten Bewerberinnen ermuntert fühlt, zum Test anzutreten. Und diese von den Voraussetzungen her weniger geeignete höhere Anzahl von Frauen müsste sich dann gerechterweise auch in höheren Aufnahmezahlen widerspiegeln.

Was soll das?

Politik mit Schlagseite

Hier wird Geschlecht mehr oder weniger "naturalisiert", das heißt, von 59 Prozent Bewerberinnen sind auch 59 Prozent (und gerne mehr!) geeignet, weil sie Frauen sind. Zugang würde dann nicht mehr nach Fähigkeiten, sondern nach Geschlechtszugehörigkeit vergeben. Dann lieber gleich eine 50-Prozent-Genderquote!

Solange die Bildungspolitik Geschlechterfragen derart einseitig betrachtet, gleicht sie mehr einem genderideologischen Brainwashing als einer gerechten Problemlösung für alle. (Josef Christian Aigner, 11.8.2015)