Lizz Winstead, Miterfinderin der satirischen "Daily Show".

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STANDARD: Sie haben die "Daily Show" 1996 mitbegründet und zwei Jahre später verlassen. Hat Sie überrascht, wie sich die Show in 17 Jahren verändert hat?

Winstead: Als wir starteten, war es mehr pure Satire. Als Jon Stewart übernahm, wurde er zu der Person, die jene Fragen stellte, die wir als Zuschauer wissen wollten. Er umgab sich mit den Korrespondenten, die dumme Kabelnachrichtenmenschen spielten. Jon ist eine starke Stimme des Volkes. Ich denke, das ist brillant. Es erlaubt ihm, Empörung auf eine Art zu zeigen, die unterhaltsam ist, und gleichzeitig von satirischen Clowns umgeben zu sein.

STANDARD: Sie hatten die Idee für die "Daily Show", als Sie die Berichterstattung für den Zweiten Golfkrieg mitverfolgten. Diese habe sich angefühlt, als wolle man der Öffentlichkeit einen Krieg verkaufen. Sehen Sie Ähnliches auch heute?

Winstead: Es ist verrückt. Es gibt viele Kommentare in allen Netzwerken. Wenn ich Berichterstattung sehe, habe ich manchmal das Gefühl, es geht darum, der Erste zu sein, und nicht, recht zu haben. Die Medien sind immer überrascht. "Wer hätte gedacht, dass Polizisten so schießwütig sind?" Jeder. Und ihr seid die Medien, und warum habt ihr keine Recherche darüber gemacht? Ihr hättet jene sein sollen, die herumschnüffeln. Die Medien mögen die Ratings, wenn sie über Menschen wie Donald Trump oder Ted Cruz oder Rand Paul berichten, die verrückten Scheiß sagen. Sie geben ihnen eine Plattform, mit deren Hilfe sie dann gewählt werden. Wenn man die Leute, die verrückte Dinge sagen, nicht anprangert, werden diese Dinge zur Wahrheit. Und die Wahrheit wird Teil des Volkes, und dann haben wir ein dummes Volk.

STANDARD: Die Medien sind daran schuld?

Winstead: Die vielleicht furchteinflößendste Sache ist, dass die Medien der "Watchdog" der Politiker waren. Heute sind Leute wie Jon Stewart, Bill Maher und John Oliver und hoffentlich auch zu einem gewissen Ausmaß ich die "Watchdogs" der "Watchdogs". Als Jon Stewart ankündigte, dass er die Daily Show verlassen würde, war Amerika wutentbrannt. Ich habe nur gesagt, das sollte euch alles darüber sagen, wie schrecklich unsere Medien sind, wenn ein Humorist, der sehr intelligent ist, jene Quelle ist, der ihr am meisten vertraut.

STANDARD: Sie sind nicht nur als Medienkritikerin, sondern auch als Frauenrechtsaktivistin bekannt. Kürzlich sagten Sie in einer Rede: "Frauen entschuldigen sich bei leblosen Objekten." Was meinen Sie damit?

Winstead: Haben Sie sich je an einem Sessel gestoßen und sich dann bei ihm entschuldigt?

STANDARD: Gut möglich. Warum tun wir Frauen das?

Winstead: Die einfachste Antwort ist, dass uns die Gesellschaft lange gelehrt hat, dass wir keine Belastung sein sollen. Wir sollen uns nie als Erste reihen und nach dem fragen, was wir brauchen. Es ist so tief verwurzelt: "Oh, Entschuldigung, wäre es okay, wenn ich mir ein Glas Wasser nehme?" Was, wenn jemand sagen würde: "Nein, hol dir kein Wasser." Es ist seltsam. Eine Frau, die weiß, was sie will und mit Bestimmtheit danach fragt, ist oft verpönt.

STANDARD: Wann haben Sie das für sich selbst realisiert?

Winstead: Ich wurde katholisch erzogen. Als ich recht jung war, wollte ich Messdiener sein. Sie sagten Nein, weil ich ein Mädchen war; also meinte ich: "Dann nennt es doch einfach Messdienerin!" Als der Priester nervös wurde und antwortete, es hieße Messdiener, und das gehe nicht, fand ich das verdächtig. Wenn jemand gesagt hätte: "Du kannst das nicht tun, weil du den ganzen Tag lang 50 Pfund schwere Felsbrocken einen Berg hinauftragen musst." Okay, dann wäre ich halt nicht stark genug dafür gewesen. Aber es gab keinen physischen Grund, warum ich das nicht konnte. Von diesem Moment an begann ich, Macht zu hinterfragen.

STANDARD: Wie denken Sie darüber, dass Hillary Clinton nächste US-Präsidentin werden könnte?

Winstead: Das ist kompliziert. Ich war und bin immer ziemlich progressiv und radikal in meinen politischen Einstellungen, also finde ich es zwar aufregend, eine Frau als Präsidentin zu haben, hätte mir aber gewünscht, es wäre Elizabeth Warren. Es ist schwer für eine Progressive: Einerseits hat Hillary eine tolle Erfolgsgeschichte mit ihrem Kampf um reproduktive Rechte für Frauen und Zugang und Kinderbetreuung. Aber mit Außenpolitik sieht es nicht so toll aus. Ich finde, sie ist eine Hardlinerin. Es macht mir Angst, wie sie über TTIPP denkt. Und sie hat viele Freunde an der Wall Street. Ich bin das jüngste von fünf Kindern, und meine Schwestern sind deutlich älter als ich. Sie sagen: "Du verstehst das nicht, es ist eine Riesensache für unsere Generation." Ich sage dann: "Ich versteh das und finde es gut, dass ich nicht total für Hillary sein muss." Ich habe das Gefühl, dass wir genug Fortschritt gemacht haben, dass ich nach Hillary eine weitere Präsidentin sehen werde, die mit meiner Politik mehr übereinstimmt.

STANDARD: Ist Hillary Clinton also ein Art Wegbereiterin?

Winstead: Ich denke, ja. Ich frage mich aber schon, was Leute heute tun sollen, die einmal Präsident werden wollen. Gehen Sie online und halten Sie nach Leuten Ausschau, die öffentliche Positionen innehaben und das Internet überleben werden. Mit der absoluten Verfügbarkeit aller Informationen über uns alle glaube ich nicht, dass wir je wieder authentische Leute in der Politik haben werden. Jedes Mal, wenn du stolperst, wenn du ein falsches Wort sagst, jedes Detail über deine Vergangenheit, ist jetzt ein Video im Internet und macht es unmöglich zu kandidieren. Welche Leute werden unsere Führer werden? Werden sie wie wir aussehen, oder sind es unheimliche, roboterähnliche, professionelle Kontrollfreaks? (Anna J. Goldenberg, 8.8.2015)