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Wird am 11. Oktober auch eine Migranten-Liste auf dem Stimmzettel in den Wahlkabinen aufscheinen?Die Initiatoren sind vom frühen Bekanntwerden der geplanten Kandidatur überrollt worden.

Foto: Reuters/Bader

Wien – Ende vergangener Woche tauchte die Forderung der Wiener SPÖ auf, auch jenen 400.000 Bewohnern das Wahlrecht für die Gemeinderatswahl einzuräumen, die keinen österreichischen Pass besitzen. Anfang dieser Woche machte eine Foto-Lovestory die Runde, mit der die Sozialdemokraten offensichtlich die migrantische Zielgruppe ansprechen wollen: Das verliebte Paar Emir und Darmina wird auf einem Streifzug durch Wien begleitet.

Neue Konkurrenz

Beide Initiativen tauchen, just wenige Tage nachdem bekannt geworden war, dass eine migrantische Liste den Antritt bei der Wien-Wahl am 11. Oktober überlegt, auf. Die Ankündigung des Simmeringer Arztes Turgay Taskiran (geboren in Mödling, Wurzeln in der Türkei) setzt die SPÖ unter Druck, sagen auch Politologen, weil eine Migrantenliste die SPÖ Stimmen kosten könnte.

Über die Liste ("Gemeinsam für Wien") ist bis dato bis auf den Namen und den Spitzenkandidaten allerdings wenig bekannt. Nicht nur Kandidaten mit türkischen Wurzeln sollen sich engagieren. Wer genau, das will Cem Aslan, einer der Initiatoren, aber nicht sagen. "Anfang August werden wir eine Pressekonferenz machen, bis dahin werden keine weiteren Details bekanntgegeben", hält er sich bedeckt und scheint vom frühen Bekanntwerden der Kandidatur überrascht.

Auch das Programm ist noch nicht fertig. Laut Informationen des STANDARD war es schon schwierig, einen Spitzenkandidaten für die Liste zu finden. Taskrian, der die Liste nun anführen wird, soll kein besonderes rhetorisches Talent besitzen. Die Fäden zieht die UETD (Union of European Turkish Democrats), deren interimistischer Vorsitzender Aslan auch ist. Diese hat vergangenes Jahr den Besuch Recep Tayyip Erdogans in Österreich im Vorfeld der türkischen Präsidentschaftswahl organisiert. Sie gilt als AKP-nahe, dementiert allerdings, Gelder aus der Türkei zu erhalten.

Ursprünglich soll UETD-Vorsitzender Abdurrahman Karayazili als Spitzenkandidat der neuen Liste im Gespräch gewesen sein. Dieser trat allerdings vor einigen Monaten zurück. Ihm wurde angelastet, für die mit neun Prozent äußerst geringe Wahlbeteiligung der Türken in Österreich bei der Präsidentschaftswahl im August 2014 verantwortlich zu sein. Außerdem sorgte er für einen Eklat im ORF, als er nach kritischer Fragenstellung ein Interview abbrach und eine Kampagne gegen die Moderatorin initiierte.

Unterschriften sammeln

Potenzielle migrantische Wähler gäbe es in jedenfalls Wien genug. Von 1,1 Millionen Wahlberechtigten haben rund 240.000 einen Migrationshintergrund. 55.000 haben ihre Wurzeln in der Türkei. Bevor es zur Kandidatur kommt, gilt es, Unterstützungserklärungen zu sammeln. Bis 4. September ist dafür Zeit. Um auf den Stimmzettel zu kommen, braucht man auf Landesebene 100 Unterstützungserklärungen in jedem der 18 Wahlkreise. Für einen Antritt auf Bezirksebene müssen je 50 Unterschriften gesammelt werden. Für einen Einzug in den Gemeinderat sind 35.000 bis 40.000 Stimmen notwendig.

Wie schwierig es für Migranten ist, weiß auch die Unternehmerin und ehemalige Wiener ÖVP-Landtagsabgeordnete Sirvan Ekici. Sie hatte nach ihrem Ausscheiden aus dem Gemeinderat auch überlegt, bei der Wahl 2010 eine Migrantenliste anzuführen, sich letztlich aber dagegen entschieden. "Für Migranten ist es sinnvoller, sich in etablierten Parteien zu engagieren, dort gibt es Strukturen", sagt sie zum STANDARD. Auch seien Vorzugsstimmenwahlkämpfe von Migranten bis dato wenig erfolgreich gewesen. Zuletzt hatte in Vorarlberg eine Migrantenliste auf ihre Kandidatur verzichtet.

Wind aus den Segeln könnte der Debatte auch das Antreten von "Stulife" bei der ÖH-Wahl im Mai nehmen. Ebenfalls von der UETD finanziert, verpasste die Fraktion deutlich den Einzug in die Bundesvertretung der Hochschülerschaft und kam bundesweit auf nur 0,68 Prozent. (Rosa Winkler-Hermaden, 21.7.2015)