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Die Probleme der ÖH – und was man bis zur nächsten Wahl dagegen tun könnte.

FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER

Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) hat Probleme, ja sogar eine Vielzahl an Problemen. Die Wahlbeteiligung betrug im Mai weniger als 26 Prozent. Die mediale Aufmerksamkeit beschränkt sich in der Regel auf die Proteste gegen den Akademikerball. Die ÖH gilt als durchsetzungsschwach und wird als Spielwiese des österreichischen Politiknachwuchses geächtet. Das aktuelle Bild der ÖH, es lädt ein zur Polemik. Doch es überdeckt einige tieferliegende, strukturelle Probleme.

Auf den ersten Blick erscheint es logisch, die ÖH anhand des gleichen Maßstabes zu messen wie andere gesetzliche Interessenvertretungen, etwa Arbeiter- und Wirtschaftskammer. Das ist aber aufgrund zweier Charakteristika schlichtweg unfair: Mitgliedsdauer und finanzielle Ausstattung.

Konstanter Braindrain

Die studentische Vertretungsarbeit ist an ein aktives Studium gebunden und damit im Normalfall auf wenige Jahre beschränkt. Eine erfolgreiche und gute Vertretungsarbeit erfordert jedoch Einarbeitungszeit und praktische Erfahrung. Durch den Übergang ins Berufsleben oder den Wechsel des Studienorts scheiden erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vergleich zu anderen Interessenvertretungen sehr viel schneller aus. Dieser Braindrain führt zu stärkeren Qualitätsschwankungen als bei anderen Organisationen.

Gleichzeitig ist eine Professionalisierung der ÖH durch fixe Anstellungen mit den verfügbaren finanziellen Mitteln nicht zu stemmen. Die Universitätsvertretung der ÖH Salzburg wendete beispielsweise im Budgetjahr 2014/15 circa 50 Prozent ihrer Mittel für Gehälter (drei Festangestellte) und Aufwandsentschädigungen (mehr als 40 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) auf. Die Ausgaben für die Festangestellten sind dabei nur geringfügig kleiner als für die gesamte restliche Belegschaft. Eine Professionalisierung würde also bedeuten, den Personalstand um mehr als 85 Prozent kürzen zu müssen. Darunter würde das Leistungs-, Beratungs- und Veranstaltungsangebot gravierend leiden.

Aussitzen von Widerständen

Die Durchsetzungsschwäche wird vor allem durch einen Faktor begünstigt: das simple Aussitzen von Widerständen. Für Rektorate und Politik ist diese Methode ein äußerst galantes Mittel, politische Widerstände oder Protest zu neutralisieren, wie zum Beispiel während der "Unibrennt"-Proteste 2009. Die längeren Zeit- und Planungshorizonte von Rektoraten und Politik benachteiligen die Vertretungsarbeit der ÖH – etwa bei Rechtsstreitigkeiten, die sich über Jahre hinweg ziehen können.

Darüber hinaus hat die ÖH einen weiteren strukturellen Nachteil: Die direkten Einflussmöglichkeiten in zentralen Entscheidungsgremien wie Landtagen und dem Nationalrat sind deutlich geringer. Institutionen wie Arbeiter- oder Wirtschaftskammer sind hier personell deutlich besser aufgestellt, Doppelfunktionen stellen eher den Normalzustand als eine Ausnahme dar.

Homogene Unis, heterogene Hochschullandschaft

Das Studienangebot an den einzelnen Hochschulen in Österreich bestimmt zu einem gewissen Grad die politischen Machtverhältnisse an den lokalen ÖHs. Sozialwissenschaftliche Fakultäten sind im politischen Spektrum typischerweise eher links, juridische Fakultäten eher rechts angesiedelt. An Unis, an denen sich das Studienangebot auf bestimmte Fächergruppen beschränkt, kann dies zu einzementierten politischen Machtverhältnissen führen. Dies ist zwar per se nicht unbedingt problematisch, führt aber dazu, dass ein wichtiger Teil demokratischer Kontrolle kaum genutzt wird: die Kontrolle durch die politische Opposition.

Besteht durch das Aufdecken von unzureichender Vertretungsarbeit, Geldverschwendung und anderen "Skandalen" keine reelle Chance, die gegenwärtige ÖH-Exekutive bei den nächsten Wahlen zu schlagen, sind die Anreize für eine aktive Oppositionsarbeit gering.

Mediales (Des-)Interesse und unzureichende Kommunikation

Ein weiteres Problem teilt sich die ÖH mit den Medien. Einerseits fällt es der ÖH seit jeher schwer, ihre Arbeit in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Wenn geplante oder umgesetzte Projekte nur unzureichend kundgetan werden, erschwert dies die Kontrolle durch die Studierenden. Andererseits besteht auch vonseiten der Medien wenig Interesse. Vor allem gesellschaftlich polarisierende Thematiken – wie die Rolle der ÖH bei den Protesten gegen den Akademikerball – haben noch die größte Chance, medial unterzukommen. Das wiederum bestärkt die ÖH darin, in ihrer Kommunikation den Fokus auf gesellschaftspolitische Belange zu legen. Dies schafft ein öffentliches Bild der ÖH, welches die reale Lage der Interessenvertretung nur unzulänglich oder verzerrt darstellt.

Was bleibt also zu tun?

Als erster Schritt ist es nötig, die ÖH nach dem Umfang ihrer Möglichkeiten zu bewerten und nicht mit anderen gesetzlichen Interessenvertretungen über einen Kamm zu scheren. In vielen Bereichen ist die ÖH von anderen und durchwegs stärkeren Institutionen abhängig. Die "Erfolglosigkeit" der ÖH ist zu einem großen Teil ihrer vergleichsweise geringen Verhandlungsmacht geschuldet. Dementsprechend muss eine Kritik der ÖH-Arbeit vor allem auf diejenigen Projekte abzielen, die die ÖH allein umsetzen kann.

Mehr Kontrolle

Ein realistischerer Blick auf die ÖH wird dabei helfen, die viel dringlicheren Schwachstellen, nämlich die selbst auferlegten, zu identifizieren und zu lösen. Vordringlich gehört dazu die Forcierung von demokratischer Kontrolle zur Überprüfung der ÖH-Arbeit. Im besten Fall sollte dies durch die studentische politische Opposition erfolgen.

Erstsemestrige anwerben

Eine Professionalisierung der ÖH-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter ist bei gleichbleibendem Angebot und Budget nicht finanzierbar. Was man jedoch umsetzen könnte, ist die gezielte Anwerbung von Erstsemestrigen für ÖH-Arbeit. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um die Kontinuität zu erhöhen und langfristig auf individuelle Expertise zurückgreifen zu können.

Ziele kommunizieren

Zu guter Letzt braucht die ÖH einen neuen Zugang zur Öffentlichkeitsarbeit. Mit dem Ende der ÖH-Wahlen ist das mediale Interesse wieder stark verebbt. Gleichzeitig haben in den vergangenen Wochen die Koalitionsverhandlungen an den einzelnen Standorten und der Bundesvertretung stattgefunden. Diese schreiben den politischen Kurs und die Projekte der nächsten zwei Jahre fest. Die vereinbarten Ziele müssen vorab besser öffentlich kommuniziert werden, als dies bisher der Fall war. Dadurch könnte die über den Verlauf der nächsten zwei Jahre hinweg erledigte Arbeit der ÖH-Exekutiven durch die Studierenden besser kontrolliert und evaluiert werden.

Eines ist klar: Alle strukturellen Probleme kann die ÖH nicht allein beseitigen. Mit dem Beginn der neuen Exekutivperiode kann sie aber trotzdem zahlreiche Schritte setzen, um die nötige Legitimität zurückzugewinnen, die ein neuerliches Wahldebakel in zwei Jahren verhindern kann. (Andreas Eisl, 6.7.2015)