Fehler machen ist menschlich und verzeihlich. Aus seinen oder den Fehlern anderer zu lernen ist klug. Fehler zu kopieren ist dagegen nicht einmal mehr verständlich. Die österreichische Regierung schien das nicht zu stören. Sie war gerade im Begriff, einen der größten netzpolitischen Fehlgriffe der letzten fünfzehn Jahre unreflektiert zu kopieren: das Leistungsschutzrecht für Presseverleger (LSR). Dieses Paradebeispiel rückwärtsgewandter Klientelpolitik hat seit seiner Einführung in Deutschland 2013 sowie in Spanien 2014 ausschließlich Schaden angerichtet.

Offenbar wollte das Bundesministerium für Justiz noch nicht einmal ernsthaft darüber diskutieren, ob ein LSR eingeführt werden soll. Gerade einmal zehn Tage wurden eingeräumt, um zu dem am 2. Juni vorlegten Begutachtungsentwurf, mit dem eine großangelegte Urheberrechtsreform beschlossen werden soll, Stellung zu nehmen. Zum Vergleich: Allein die Debatte um das LSR hat in Deutschland fast vier Jahre gedauert. Die großen deutschen Reformvorhaben zum Urheberrecht in der digitalen Welt haben sich über knapp zehn Jahre hingezogen.

In Deutschland und in Spanien hat das LSR bisher keinem Verlag und keinem Journalisten auch nur einen Euro eingebracht. Verdient haben lediglich Anwälte, die die diversen Rechtsstreitigkeiten um das Gesetz führen.

Viele Verlage wollen das LSR gar nicht, weil sie wissen, dass es mehr schadet als nützt. In Deutschland wird das LSR von einer Reihe renommierter Verlage nicht in Anspruch genommen, der FAZ, Süddeutschen Zeitung und dem Spiegel-Verlag. Warum? Weil es ihnen wichtiger ist, in Suchdiensten gefunden zu werden und hierdurch Reichweite und Werbeeinnahmen zu generieren, als diese Symbiose mit dem LSR aufs Spiel zu setzen. Alle anderen Verlage, darunter selbst die Protagonisten der beispiellosen Lobbyaktion, die zum LSR geführt hat (Springer und Burda), haben Google eine unbefristete Gratislizenz erteilt.

Klar dürfte mittlerweile sein: Das LSR wird auch in der Zukunft keinem Verlag Einnahmen von Google bescheren. Denn der Such-Gigant, einzig interessanter Adressat des "Leistungsschutzgeldes", hat und wird sich stets weigern, dafür zu zahlen, dass es den Verlagen eine kostenlose Dienstleistung erbringt, die ihnen Abermillionen Euro Werbeeinnahmen einbringt.

In Spanien war der Verlauf der Ereignisse sogar noch drastischer. Dort wurde Google News kurzerhand geschlossen. Der spanische Gesetzgeber hatte übrigens auf das gleiche Prinzip gesetzt, das auch Österreich vorschwebt. Die in Deutschland noch bestehenden Ausweichmöglichkeiten sollten durch eine unabdingbare "Snippet Tax" vermieden werden. Google News hätte also zahlen müssen. Als Google in Reaktion den nunmehr unwirtschaftlich gewordenen Dienst abschaltete, war das Geschrei der Verleger groß. Ihr Verband forderte spanische und europäische Politiker auf, Google zu verpflichten, diese Entscheidung rückgängig zu machen.

Liebe Verleger in Österreich: Wenn der Entwurf Realität wird, wird das Ergebnis dasselbe sein. Sie werden sich in einer Einbahnstraßensackgasse wiederfinden, aus der es keinen Ausweg gibt. Als Danaergeschenk wird sich das LSR vor allem für kleinere Regionalverlage erweisen, die ganz besonders auf Nutzer von Suchmaschinen angewiesen sind. Verlieren werden auch die kleinen Innovatoren im Onlinemarkt. Welches Start-up kann es sich leisten, neue Such- oder Aggregationsdienste an den Markt zu bringen, ohne die Risiken aus dem LSR einschätzen zu können? Welcher Investor wird solchen Start-ups angesichts dessen unkalkulierbarer Folgen Geld geben? Am Ende profitiert v. a. Google, dessen Marktmacht zusätzlich gestärkt wird, wenn Konkurrenten auf diesem Weg ausgeschaltet werden.

Und sollten Sie, liebe Verleger, meinen, dass man Google mit kartellrechtlichen Mitteln dazu zwingen kann, Ihnen eine kostenlose Dienstleistung anzubieten und dafür auch noch zu zahlen, bedenken Sie: Auch das wurde in Deutschland schon versucht, und die Verleger sind nicht nur kläglich gescheitert, sondern das Ganze ist nach hinten losgegangen

Wozu braucht man ein LSR? Die Antwort ist einfach: gar nicht! Verlage brauchen keinen Schutz vor Suchmaschinen oder Aggregatoren. Sie helfen ihnen, Reichweite und Werbeeinnahmen zu generieren und sind damit unerlässlich, um mit journalistischen Angeboten im Netz bestehen zu können. Jeder Versuch, in diese symbiotische Wirtschaftsbeziehung gesetzlich einzugreifen, wird das gleiche Resultat haben: Am Ende bleiben nur Verlierer. (Till Kreutzer, 16.6.2015)