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Die neue steirische Landesregierung. Wie es dazu kam, sorgt nun für Spekulationen.

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Der Verzicht auf den Landeshauptmann erzürnt SPÖ-Politiker in der Steiermark.

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Der designierte Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer will die SPÖ nicht unter Druck gesetzt haben

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Graz/Wien – Der Verzicht der SPÖ auf den Landeshauptmannsessel in der Steiermark sorgt in der Partei weiterhin für massive Irritationen. “Ich mag dazu gar nichts mehr sagen. Nur so viel: Das war der schwärzeste Tag für die SPÖ, so etwas habe ich in meinem ganzen Leben in der Partei noch nicht erlebt. Ich bin noch immer fassungslos”, sagte Horst Schachner, steirischer ÖGB-Chef und eines von vier Vorstandsmitgliedern, die am Mittwoch gegen den von Franz Voves vorgegebenen Pakt mit der ÖVP gestimmt hatten.

Er habe davor gewarnt, was es bedeutet, wenn die SPÖ jetzt den Landeshauptmannsessel abgebe, in der offenen Abstimmung darüber hätten aber alle bis auf die vier Abweichler dafür gestimmt. "Ich muss das als demokratische Entscheidung zur Kenntnis nehmen", sagte Schachner dem STANDARD.

Verwirrung um Abstimmung

Der SPÖ-Landesparteivorstand hatte am Mittwoch mit großer Mehrheit beschlossen, die Koalition mit der ÖVP fortzusetzen und den Landeshauptmann-Posten der ÖVP zu überlassen. Vier Vorstandsmitgliedern waren dagegen, darunter ÖGB-Chef Schachner, AK-Präsident Josef Pesserl und der Landtagsabgeordnete Franz Schleich. Der Vierte soll Verteidigungsminister Gerald Klug gewesen sein – oder SJ-Mann David Rautner.

Im Landesparteivorstand waren laut Landesgeschäftsführung 50 von 70 stimmberechtigten Mitgliedern anwesend. In der Frage der Koalition mit der ÖVP soll es neben den Neinstimmen auch eine Enthaltung gegeben haben. APA-Recherchen haben ergeben, dass Schachner, Pesserl und Schleich auf jeden Fall mit Nein gestimmt haben. Das wird von allen Seiten übereinstimmend bestätigt. Wer die vierte Neinstimme war, ist dagegen nicht ganz klar. Sowohl Klug als auch Rautner behaupten auf APA-Nachfrage, ebenfalls dagegen gestimmt zu haben. Aus der SPÖ hieß es, dass man keine Auskunft über das Stimmverhalten einzelner Vorstandsmitglieder geben könne beziehungsweise dürfe.

Halbzeitlösung gewünscht

Wortkarg gab sich Arbeiterkammerchef Pesserl: "Ich habe meine Meinung im Vorstand nochmals offen kundgetan, dass wir mit allen hätten reden müssen. Ich verstehe nicht, warum wir nicht zumindest eine Halbzeitlösung ausgehandelt haben."

Genau das will Baugewerkschafter Josef Muchitsch jetzt endlich aufgeklärt wissen: "Es ist unerträglich, dass uns nicht erklärt wird, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist. Hat jetzt die ÖVP mit einer schwarz-blauen Koalition gedroht, oder hat Franz Voves alles freiwillig hergegeben, weil es angeblich in der SPÖ keinen Nachfolger für ihn gibt? Das soll uns die Parteiführung jetzt endlich erklären."

Noch immer sehr empört zeigte sich Schleich im Gespräch mit dem STANDARD: "Ich habe in der Sitzung Nachverhandlungen verlangt und gesagt, wenn es mit der ÖVP nicht möglich ist, dann machen wir es auch mit der FPÖ. Das, was die ÖVP, was Hermann Schützenhöfer mit uns gemacht hat, ist charakterlich einfach nicht in Ordnung. So kann man einen Partner nicht erpressen. Diese neue Regierung hat schon jetzt eine Schieflage."

Keiner rennt mehr

"Richtig angefressen" ist der steirische Nationalratsabgeordnete Erwin Spindelberger. "Aus einem einfachen Grund: Da rennen sich unzählige Funktionäre die Haxen aus, damit wir wieder Nummer eins werden, und dann kommt so ein Ergebnis heraus. Das kann ich nicht goutieren", sagte der rote Gesundheitssprecher im STANDARD-Gespräch.

Wie schon andere rote Vertreter vor ihm wirft er der ÖVP – namentlich Parlaments-Klubobmann Reinhold Lopatka – "Erpressungsversuche" vor. Auch wenn dieser zuvor in einer ORF-Diskussionsrunde alle Vorwürfe, er habe an Schwarz-Blau gebastelt, bestritt, sagt Spindelberger. "Klar bestreitet er alles. Aber diese taktischen Spielchen kennen wir von Lopatka. Er ist für sein Dirty Campaigning mehr als bekannt."

Nachhaltiger Schaden

Spindelberger befürchtet, dass der Verzicht der SPÖ auf den Landeshauptmannsitz nachhaltigen Schaden angerichtet hat. "So realistisch bin ich, dass ich nicht glaube, wir könnten bei der nächsten Wahl wieder eine Chance auf den ersten Platz bekommen."

Aber was wäre die Alternative gewesen? Spindelberger hätte den Gang in die Opposition bevorzugt. "Da gehe ich lieber mit fliegenden Fahnen unter und mache dann eine kantige Oppositionspolitik." Der Deal mit der ÖVP nutze der SPÖ nicht. Denn: "Wir werden nicht mehr ernst genommen. Die Bevölkerung wirft uns vor: Es geht euch nur darum, in der Regierung zu bleiben. Alles andere ist euch egal."

Schmutziger Wahlkampf

Die rot-blaue Karte nicht zu zücken sei aber richtig gewesen, widerspricht Spindelberger anderen Parteikollegen. "Nach diesem schmutzigen Wahlkampf der FPÖ bin ich dafür nicht zu haben." Die SPÖ müsse aber die Themen Asyl und Migration "endlich offen ansprechen. Nicht mit populistischer Hetze, sondern auf sachliche Art."

Nicht ganz so dramatisch sieht die Nationalratsabgeordnete und frühere steirische Landesrätin Elisabeth Grossmann Schwarz-Rot. "Der Verlust des Landeshauptmanns ist natürlich schmerzlich. Noch schmerzlicher wäre Schwarz-Blau gewesen."

Regierungsmitglieder unbeeindruckt

Während an der SPÖ-Basis Ratlosigkeit und Irritation nach dem Verlust des Landeshauptmannes vorherrschen, zeigen sich die SPÖ-Regierungsmitglieder relativ unbeeindruckt und vermitteln eine völlig andere Sicht der Vorkommnisse. Der designierte SPÖ-Vorsitzende und Landeshauptmann-Vize, Michael Schickhofer, versichert, die Verhandlungen mit der ÖVP seien in bestem Einverständnis beider Partner über die Bühne gegangen. "Nein, wir sind nicht erpresst worden, wir sind in offenen Verhandlungen zu einem vernünftigen Kompromiss gekommen", sagte Schickhofer am Donnerstag nach der letzten Sitzung der alten Regierung.

ÖVP: Haben nicht gedroht

Und auch der von SP-Politikern jetzt scharf angegriffene neue Landeshauptmann Schützenhöfer weist alle Spekulationen, er und seine Partei hätten die SPÖ mit der blauen Option unter Druck gesetzt, zurück. "Wer mich kennt, weiß, der Hermann Schützenhöfer führt nie Parallelverhandlungen. Ich habe auch nie mit irgendwelchen Karten gedroht."

Das angebliche "Mastermind" hinter dem steirischen Landeshauptman-Coup, Klubchef Reinhold Lopatka, beharrt auf STANDARD-Nachfrage ebenfalls auf der Darstellung, keine Gespräche mit Freiheitlichen im Hintergrund geführt zu haben. "Das ist nicht mein Job." Er habe lediglich in Interviews gesagt, es solle niemand als Partner ausgeschlossen werden, der das Programm der ÖVP unterstütze. "Wenn das ausreicht, um Druck aufzubauen, dann ist das nicht mein Problem."

Was von beiden Seiten – zumindest inoffiziell – bestätigt wird: Die ÖVP hätte einer Halbzeitlösung zugestimmt, wenn sie die zweite Hälfte bekommen hätte. Voves hat dies abgelehnt. Am Ende hatte die ÖVP aber "den ganzen" Landeshauptmann.

Initiative gegen Rot-Blau

Gegen eine "Koalition mit dem Rassismus" haben laut einer Aussendung vom Donnerstag Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina (SPÖ), die Autoren Karl-Markus Gauß und Josef Haslinger, Schauspieler Karl Markovics und der ehemalige Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, unterzeichnet.

Initiator der Aktion ist der Republikanische Club, Unterstützung soll es von der Organisation SOS Mitmensch geben. Der burgenländische Pakt mit den Freiheitlichen mache "die Hetze salonfähig", hieß es in dessen Aussendung. "Wir fordern von den Parteien jenseits des rechtsextremen Populismus: Keine Koalition mit dieser FPÖ – nicht im Bund und nicht im Land. Weder im Burgenland noch sonst irgendwo in Österreich." (mue, go, 11.6.2015)