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Die Erdölreserven in Kolumbien locken viele internationale Investoren an.

Foto: REUTERS/Jose Miguel Gomez

Gilberto Torres, 52, wurde im Februar 2002 entführt, als er von einer Ölförderstation in Casanare im Osten Kolumbiens nach Hause fuhr. Er wurde nach 42 Tagen erst dann freigelassen, als die Arbeiter mit einem nationalen Öl-Streik drohten. Die Verhandlung, die kürzlich begann, wirft ein Schlaglicht auf eines der düstersten Kapitel in der jüngeren Geschichte Kolumbiens und die Rolle, die Großkonzerne dabei spielten.

Seinen Anwälten zufolge, ist erstmals einem Gewerkschaftsführer gelungen, eine Klage wegen Menschenrechtsverletzungen gegen eine multinationale Ölgesellschaft vor dem High Court einzureichen. Sie glauben, dass seine Klage den Weg für unzählige weitere, ähnlich gelagerte Fälle ebnen könnte.

BP bestreitet jegliche Beteiligung. Das Unternehmen sagt, es werde sich "energisch" gegen die Behauptungen verteidigen.

In einem Online-Dokumentarfilm des Guardian erzählt Torres erstmals seine Geschichte. Der Film enthält die außergewöhnlichen Aussagen, die seine Entführer machten, als sie schließlich vor Gericht gestellt wurden.

UNO geht von 3.000 getöteten Gewerkschaftern aus

Die UNO schätzt, dass in der Region Casanare in den vergangenen 30 Jahren 3.000 Gewerkschaftsaktivisten ermordet wurden und 6.000 weitere verschwunden sind. Dass sie zur Zielscheibe regierungsnaher Paramilitärs wurden, war außerhalb Kolumbiens kaum bekannt, weil in Kolumbien ein Bürgerkrieg zwischen der kolumbianischen Regierung und der linksgerichteten Guerillagruppe Farc tobte.

Torres wurde mit Waffengewalt entführt, kurz nachdem er einen Streik aus Protest gegen den Mord an einem anderen Gewerkschaftsführer organisiert hatte. In den Tagen vor seiner Entführung hatte er immer deutlichere Drohungen erhalten.

Er erzählt dem Guardian, wie er seine Entführer, die später behaupteten, sie seien zum Schutz der Pipeline angestellt worden, bei der Befragung eines mutmaßlichen Farc-Rebellen beobachtete. "Sie schlugen ihn. Sie beleidigten ihn. Sie bespuckten ihn. Sie schlugen ihn zusammen, bis er gestand, Mitglied der Farc zu sein. Mit diesem Geständnis hatte er sein Todesurteil unterzeichnet."

"Sie schossen ihm zweimal ins Genick. Sie schnitten seinen Kopf, seine Beine, seine Arme ab. Zum Schluss begann der Kommandant, seinen Körper mit einer Machete zu durchstechen. Da begriff ich, dass sie das auch mit mir tun würden."

Sechs Wochen Gefangenschaft überlebt

Nach sechs Wochen in Gefangenschaft, davon zehn Tage in einer überfluteten Grube voller roter Ameisen, und tagelangen Verhören, in denen er dazu gebracht werden sollte, seine Mitgliedschaft bei einer linksgerichteten Guerillaorganisation zu gestehen, wurde Torres überraschend dem Roten Kreuz übergeben. In der 40-jährigen Geschichte der Konflikte in Kolumbien ist er erst der zweite Gewerkschaftsführer, der eine Entführung überlebt hat.

Torres arbeitete für die Ölarbeitergewerkschaft USO und vertrat 400 Mitglieder, die an der 830 Kilometer langen Ocensa-Pipeline, in der Rohöl von Casanare zum Karibischen Meer transportiert wurde, arbeiteten.

Ocensa wurde von großen Ölunternehmen errichtet und betrieben, darunter BP, Kolumbiens staatliche Ölgesellschaft Ecopetrol und vier andere multinationale Konzerne.

In der Pipeline wurde täglich Rohöl im Wert von sieben Millionen US-Dollar (nach heutigem Wert rund 6,3 Mio. Euro) transportiert. BP war der größte Ölproduzent in der Region.

Vertrag mit Verteidigungsministerium

Die von Torres sanktionierten Gewerkschaftsproteste störten die Produktion. Er wollte die Aufmerksamkeit auf das Verschwinden von Gewerkschaftskollegen lenken und hatte in der Woche zuvor lautstark angeprangert, dass Mitglieder einer Armeebrigade, die mit dem Schutz der Pipeline beauftragt waren, auf dem Firmengelände trainierten.

BP und andere Ölgesellschaften, die seinerzeit in Kolumbien tätig waren, zahlten eine Steuer von einem US-Dollar pro Barrel zur Finanzierung des Schutzes von Ölanlagen durch Armee und Polizei. Nach Aussagen von Journalisten, die BPs Sicherheitsmaßnahmen 1995 untersucht hatten, hatte das Unternehmen einen Drei-Jahres-Kooperationsvertrag mit dem kolumbianischen Verteidigungsministerium mit einem Vertragsvolumen von 11,6 Millionen US-Dollar unterzeichnet, von denen BP 2,2 Millionen US-Dollar übernehmen würde.

Ein Großteil dieses Geldes wurde für die 16. Brigade ausgegeben, eine Armeeeinheit, die speziell zum Schutz der Ölanlagen des Unternehmens abgestellt war. Der Armee wird vorgeworfen, diese Tätigkeit an regierungsnahe Paramilitärs vor Ort ausgelagert zu haben – mit oft tödlichem Ausgang.

Strategie zur Bekämpfung von Aufständen

Nach Beginn des Ölbooms führten die kolumbianische Armee und die Paramilitärs in Casanare eine in den USA entwickelte so genannte schmutzige Kriegsstrategie zur Bekämpfung von Aufständen ein, die vor Ort als "quitarle agua al pez" oder "dem Fisch das Wasser nehmen" bezeichnet wird. Statt die Guerillas zu bekämpfen, ging man gegen Menschen vor, die als Sympathisanten betrachtet wurden.

Sue Willman, Partner der Londoner Anwaltskanzlei Deighton Pierce Glynn, die Torres vertritt, sagte, BP würde keine direkte Beteiligung an seiner Entführung vorgeworfen. Das Unternehmen habe es jedoch versäumt, paramilitärische Aktivitäten zu stoppen.

"Amnesty International," sagte Sue Willman, "wandte sich mehrmals an BP und wies warnend auf die Morde und Verschleppungen hin. Aber BP versäumte es, effektiv auf die Warnungen zu reagieren." Regierungsnahe Paramilitärs, die in Bogota für die Entführung von Torres verurteilt wurden, gaben an, Ocensa habe für den Mord bezahlt. Neben den Verträgen über die Pipeline war BP mit 15,2 Prozent an Ocensa beteiligt. Im Dokumentarfilm des Guardian werden die Aussagen der Paramilitärs erstmals außerhalb Kolumbiens zu hören sein.

Ocensa gab an, man habe "die Entführung von Gilberto Torres nicht genehmigt, in Auftrag gegeben oder bezahlt." Das Unternehmen sagte, man habe in 20 Jahren Betrieb in der Region Casanare nie eine Verschleppung, eine Entführung oder einen Mord veranlasst.

BP, Ocensa und Ecopetrol bestreiten alle, Paramilitärs für den Schutz der Pipeline bezahlt zu haben.

Geldanlagen abstoßen

The Guardian hat im Rahmen seiner Kampagne "Keep it in the Ground" zwei der größten Gesundheits-Hilfsorganisationen – die Bill and Melinda Gates-Stiftung und den Wellcome Trust – dazu aufgefordert, ihre Geldanlagen in BP und andere Unternehmen für fossile Brennstoffe abzustoßen. Nach jüngsten Zahlen hält der Asset Trust der Gates Foundation 234 Millionen britische Pfund (rund 325 Millionen Euro) und der Wellcome Trust rund 118 Millionen britische Pfund (rund 164 Millionen Euro) an BP. (The Guardian, 2015)