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Die OECD fordert, Besserverdiener und internationale Konzerne stärker zur Kasse zu bitten. In untere Einkommensschichten investiert, würde das Geld Vorteile für alle bringen, auch für jene ganz oben.

Foto: Reuters / Paul Hackett

Wien - Die Schere zwischen Arm und Reich geht in Industrieländern weiter auf. Der Abstand zwischen oben und unten war seit Beginn der Aufzeichnungen durch die OECD noch nie so hoch. Die Organisation warnt in einem aktuellen Bericht erneut davor, dass die hohe Ungleichheit nicht nur sozialen, sondern auch wirtschaftlichen Schaden anrichtet.

Während Besserverdiener vor dreißig Jahren im OECD-Schnitt noch siebenmal so viel verdient haben wie Niedrigverdiener, ist der Wert nun auf 9,6 gestiegen. Vor der Finanzkrise verdienten die obersten zehn Prozent nur 9,2-mal so viel wie die untersten zehn Prozent der Bevölkerung. Der Großteil des Anstiegs ist zwischen 2008 und 2011 passiert.

Vor allem in den Krisenländern Spanien, Italien und Griechenland ist die Kluft zuletzt gewachsen, aber auch in den USA hat die ohnehin hohe Ungleichheit weiter zugenommen. In Österreich geht die Schere zwischen armen und reichen Haushalten hingegen nicht auf, sagt Michael Förster, der Koordinator des OECD-Berichts, zum STANDARD. Einen kleinen Anstieg bei der Entlohnung von Vollzeitjobs zeigen hingegen Daten der Statistik Austria. Niedrige Einkommen sind hierzulande zwischen 2004 und 2012 nicht gestiegen, die von Besserverdienern aber um vier Prozent.

Geringe Ungleichheit in Österreich

In Österreich ist die Ungleichheit im internationalen Vergleich jedenfalls relativ niedrig, das Land kommt beim Gini-Index, einem typischen Indikator für Ungleichheit, auf Platz zehn von 30 OECD-Ländern, für die es Daten gibt. Anders sieht die Sache bei den Vermögen aus, sie sind in kaum einem Land so ungleich verteilt wie in Österreich. Vergleicht man das Vermögen der obersten fünf Prozent mit dem mittleren Vermögen, kommen nur die USA und die Niederlande auf eine noch höhere Konzentration. Der Anteil der obersten zehn Prozent ist gar der zweithöchste unter allen berücksichtigten Ländern. In Österreich besitzen sie mehr als 60 Prozent der gesamten Vermögen im Land.

Geht es nach der OECD, ist die Verteilung von Einkommen nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit: Zu hohe Ungleichheit schade den Ländern langfristig auch wirtschaftlich, argumentiert sie in dem Bericht. Zu einer ähnlichen Erkenntnis ist im Vorjahr auch schon der Internationale Währungsfonds gekommen. Die OECD hat den Schaden nun auch in Zahlen gegossen: Zwischen 1990 und 2010 habe die hohe Ungleichheit dem OECD-Raum kumuliert 4,7 Prozentpunkte an Wachstum gekostet. Zum Vergleich: Die EU-Kommission verhandelt seit knapp zwei Jahren das Handelsabkommen TTIP, das 0,5 Prozentpunkte an zusätzlichem Wachstum bringen soll.

Damit rüttelt die Organisation weiter am lange unter Ökonomen vorherrschenden Konsens, dass wirtschaftliche Ungleichheit als Anreiz für mehr Wachstum notwendig sei. Aber warum scheinen die Wirtschaftsforscher nun ihre Meinung zu ändern?

Unten spielt die Musik

Viel wichtiger als die Konzentration des Reichtums ganz oben scheint die Entwicklung am anderen Ende der Verteilung. Die untersten 40 Prozent fallen zurück, sagt die OECD. Weil sie weniger in ihre Ausbildung investieren können, würden die Länder hier viel Potenzial liegen lassen.

Länder können der Organisation zufolge an vielen Stellschrauben drehen. Mehr arbeitende Frauen würden tendenziell die Ungleichheit senken, bei Kindern müsse man schon vor dem Schulalter ansetzen, auch via Steuersystem könne man gegensteuern.

OECD-Ökonom Michael Förster sieht auch für Österreich Reformbedarf. "Dass die Ungleichheit in anderen Ländern steigt, in Österreich aber nicht, ist nicht unbedingt ein Erfolg", sagt er. Am wichtigsten sei es, Frauen in die Erwerbsarbeit zu bringen. In Österreich arbeiten 69 Prozent der Frauen, in Island sind es 83 Prozent. Auch Arbeit werde steuerlich zu stark belastet, sagt Förster, "Vermögen und Erbschaften höher zu besteuern ist jedenfalls eine Überlegung wert." (Andreas Sator, 21.5.2015)