Madrid - Nur einen Monat vor den spanischen Regional- und Kommunalwahlen am 24. Mai werden Zensur- und Manipulationsvorwürfe gegen das Staatsfernsehen TVE laut. Erst Ende April brachten ausgerechnet Journalisten der öffentlichen Fernsehanstalt im EU-Parlament in Brüssel schwere Vorwürfe gegen ihren eigenen Sender vor und prangerten die Nachrichtensendungen als "Instrument im Dienst der Regierung" an.

In einem Schreiben an das EU-Parlament kritisierte die unabhängige Mitarbeitervertretung, dass in den Nachrichtensendungen bei TVE eine ideologische Kontrolle der Informationsangebote durch die Verantwortlichen stattfinde. Außerdem würden die in den Grundstatuen des Staatssenders festgelegten journalistischen Regeln wie Unparteilichkeit, Meinungsvielfalt, Wahrheitsgehalt oder Objektivität regelmäßig nicht erfüllt werden. "Im spanischen Staatsfernsehen TVE finden Zensur und Manipulation der Nachrichteninhalte statt", versichert auch Alejandro Caballero, Beirats-Vorsitzender der unabhängigen Mitarbeitervertretung, gegenüber der APA.

Beiträge manipuliert oder zensiert

Er gibt zahlreiche Beispiele, wie in konkreten Nachrichtensendungen Beiträge manipuliert oder zensiert wurden. Ein jüngstes Beispiel seien die Regionalwahlen in Andalusien gewesen, bei denen die in Spanien regierende konservative Volkspartei im März erhebliche Verluste hinnehmen musste. Eine Tatsache, die von allen spanischen Printmedien, Radiostationen und Fernsehsender außer von TVE in den Vordergrund der Berichterstattung gestellt wurde.

Gerade im Vorfeld der bevorstehenden Regional- und Kommunalwahlen sowie der Parlamentswahlen im Herbst würden kritische Berichte über die zahlreichen Korruptionsskandale in der konservativen Regierungspartei (PP) entweder systematisch unterdrückt oder die Affären heruntergespielt, so Caballero. Zudem werde den Oppositionsparteien und vor allem die neue Protestbewegung Podemos bewusst weniger Raum in den Nachrichtensendungen eingeräumt. In dem in Brüssel eingereichten siebenseitigen Dokument behauptet die Mitarbeitervertretung weiter, Befürworter der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung seien in den Nachrichtensendungen Telediarios bewusst schlecht dargestellt worden.

"Schatten"-Redaktion mit regierungstreuen Journalisten

Der Aufsichtsrat des öffentlich-rechtlichen Senders um TVE-Vorsitzenden Jose Antonio Sanchez wehrt sich gegen die Vorwürfe von Manipulation der Berichterstattung durch politische Einflussnahme. Das Argument: Die Nachrichten werden von unabhängigen Journalisten und Mitarbeitern verfasst. Die Mitarbeitervertretung hält dagegen und wirft dem Aufsichtsrat vor, eine regelrechte "Schatten"-Redaktion mit regierungstreuen Journalisten geschaffen haben.

Schon im vergangenen Jahr protestierte die gesamte TVE-Belegschaft gegen die Verpflichtung von sieben TV-Journalisten, die vom regierungstreuen Regionalsender TeleMadrid zum Staatsfernsehen wechselten, während Hunderte von Journalisten, die die staatliche Aufnahmeprüfung für TVE bestanden haben, auf ein Stellenangebot warten. Anfang des Jahres kamen elf weitere Journalisten hinzu, die nicht nur sofort leitende Funktionen zugesprochen bekamen, sondern auch in strategisch wichtige Redaktionen wie Wirtschaft, Innenpolitik sowie beispielsweise in die katalanische Regionalredaktion berufen wurden, ohne die Aufnahmetests von TVE bestanden zu haben.

Ex-Pressechef

Besonders auffällig sei laut der Mitarbeitervertretung die Verpflichtung von Eladio Jareno als Leiter der katalanischen TVE-Redaktion gewesen. Jareno war zuvor als Pressechef der katalanischen PP-Vorsitzenden Alicia Sanchez Camacho tätig, die als Bollwerk der Regierung gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung gilt.

Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass politische Manipulationsversuche beim spanischen Staatsfernsehen angeklagt werden. In sämtlichen Vorgängerregierungen unter sozialistischen wie konservativen Ministerpräsidenten kam es regelmäßig zu Manipulationsskandalen seitens der Regierung.

Unter dem aktuellen konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy (PP) wurde die Abhängigkeit des TVE-Aufsichtsratsvorsitzenden sowie leitender Redakteure jedoch per Gesetz nochmals verstärkt. Wurde der TVE-Chef bisher mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit vom Parlament und somit durch einen Konsens der großen Parteien gewählt, setzte Rajoy mit seiner absoluten Mehrheit eine Reform durch, wonach der Inhaber des Chefsessels im Staatsfernsehen direkt von der Regierung bestimmt wird. (APA, 4.5.2015)