Bild nicht mehr verfügbar.

Nicht alle Menschen sehnen die warme Jahreszeit herbei. Wenn die Pollen fliegen, beginnen die Allergiesaison und das Niesen wieder.

Foto: EPA

Stockholm - Die Augen jucken, tränen, sind rot und geschwollen. Die Nase ist verstopft, das Atmen fällt schwer, und immer wieder werden Leidgeplagte von Niesattacken geschüttelt. "Ist es nicht paradox, dass 80 Jahre nach Entdeckung von Antihistaminika-Tabletten und 50 Jahre nach Einführung von Kortisonnasenspray mehr Leute als zuvor unter Heuschnupfen leiden?", sagt Ralph Mösges, Allergologe am Uniklinikum in Köln.

"Obwohl wir eigentlich gute Medikamente haben, klagen 60 Prozent der Betroffenen, sie würden nicht helfen." Es gibt zwar noch Kortisontabletten für schwerere Fälle, die dürfen wegen der Nebenwirkungen aber nicht dauerhaft eingenommen werden. Der neue Antikörper Omalizumab wirkt gut, ist aber so kostspielig, dass er dem Gesundheitssystem teuer käme, wenn ihn sämtliche Patienten mit Heuschnupfen bekommen würden. "Viele Patienten fühlen sich von ihrem Allergologen im Stich gelassen, weil er ihnen nicht helfen kann", sagt Mösges aus Erfahrung.

Das könnte sich demnächst ändern. Denn seit kurzem gibt es einen Spray, der ein Antihistaminikum (Azelastine) und Kortison (Fluticason) kombiniert. Gerade wurden bei einem Kongress der Europäischen Akademie für Klinische Allergologie und Immunologie (EAACI) in Stockholm die neuesten Studien vorgestellt.

Ein Spray statt zwei

In einer Metaanalyse von vier Einzelstudien aus verschiedenen Jahreszeiten sprühten sich die insgesamt 4.022 Probanden mit mittelschwerem Heuschnupfen jeweils einen von vier Sprays in die Nase: Entweder nur Azelastine oder nur Fluticason, den neuen Kombi-Spray oder einen Placebo-Spray. Der Kombispray linderte die Beschwerden - also verstopfte Nase, Niesattacken, Jucken oder rote Augen - besser als die Einzelsubstanzen allein oder als Placebo, und zwar unabhängig von der Jahreszeit und von der Stärke der Symptome. "Allergiker können aufatmen", sagte Peter Hellings beim Kongress, Heuschnupfenforscher an der Universität Leuven. "Jetzt können wir die Patienten endlich besser therapieren."

Das Spray wirke rasch innerhalb von Stunden, "das finden die Patienten gut", erzählt Peter Schmid-Grendelmeier, leitender Allergologe am Unispital in Zürich. "Außerdem lindert es gleichzeitig die Augenbeschwerden, vermutlich durch einen Reflex zwischen Nase und Augen." Er verschreibt es vor allem denjenigen Patienten mit heftigerem oder dauerhaftem Heuschnupfen, insbesondere wenn auch die Augen betroffen sind. "Dass wir jetzt diese neue Therapieoption haben, ist eine große Verbesserung", bestätigt Nikos Papadopoulos, Präsident der EAACI. "Es ist praktischer, einen Spray statt zwei zu verwenden."

Wirkung und Nebenwirkung

Außerdem scheinen die Medikamente in der Kombination besser zu wirken, als wenn man sie einzeln sprüht. Die Substanzen beeinflussen sich offenbar so, dass nach dem Kombispray mehr Fluticason im Blut auftaucht. Zwischen zwei und sechs Prozent der Patienten klagten in den Studien über einen unangenehmen Geschmack nach dem Sprühen. "Nur wenige wollten den Spray aber deshalb nicht mehr", sagt Schmid-Grendelmeier. "Die meisten sagen sich: Lieber ein schlechter Geschmack im Mund als quälende Beschwerden." Außerdem verschwände der schlechte Geschmack, wenn die Patienten etwas trinken, sagt Hellings.

Zulassungsbehörden fordern immer häufiger, dass die Wirksamkeit neuer Präparate nicht nur in Studien bei ausgewählten Patienten belegt wird, sondern auch in der "realen Welt" .

Ralph Mösges und Forscherkollegen aus Deutschland und Belgien präsentierten beim Kongress eine Studie, nach der der Spray tatsächlich auch außerhalb der Studie gut zu wirken scheint: Jeder zweite Proband gab nach drei Tagen an, kaum noch Beschwerden zu haben. Allerdings fehlt hier zum einen der Vergleich mit den Vergleichssprays, zum anderen wurde auch diese Studie wie die anderen vom Hersteller unterstützt. Das muss die Ergebnisse natürlich nicht ändern. Glaubhafter wäre aber, wenn eine unabhängige Studie Patienten im Alltag untersuchen würde. Dafür fehlt jedoch oft das Geld. (Felicitas Witte, DER STANDARD, 5.4.2015)