• Bei dem Unglück in Südfrankreich starben 150 Personen, laut aktuellen Informationen sind darunter 72 Deutsche.
  • Nach dem Absturz am Dienstag beginnt langsam die Bergung.
  • Der Stimmenrekorder ist beschädigt, soll aber ausgewertet werden können.
  • Auch am Mittwoch bleiben einige Germanwings-Maschinen auf dem Boden.

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Flugzeugtrümmer an der Absturzstelle
Foto: REUTERS/Thomas Koehler/photothek.net/Pool

Paris/Düsseldorf/Barcelonnette - Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen hat die Staatsanwaltschaft von Marseille Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung aufgenommen. Die Flugüberwachung habe kurz vor dem Unglück vergeblich versucht, Kontakt zu dem Airbus herzustellen, sagte Staatsanwalt Brice Robin am Mittwoch. Was in der Zeit vor der Katastrophe geschah, ist weiter völlig rätselhaft.

Erste Informationen zum Ablauf des Unglücks erwarten die Ermittler von einem Stimmenrekorder, der bereits geborgen wurde. Das Gerät sei "beschädigt, aber verwertbar", sagte Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve dem Sender RTL. Bei dem Flugschreiber soll es sich um den Cockpit Voice Recorder (CVR) handeln, der Geräusche und Gespräche im Cockpit aufzeichnet. Er wurde am Mittwoch bereits nach Paris transportiert, wo Experten mit der Untersuchung des Datenträgers begonnen haben.

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Foto: EPA/BEA / HANDOUT

Gerüche im Cockpit sorgten für Schlagzeilen

Die Fluggesellschaft Germanwings gilt als eine sichere Airline. Seit Gründung der Gesellschaft im Jahr 2002 hat es bis zum Absturz des Airbus A320 in Frankreich am Dienstag keine größeren Unfälle gegeben. Allerdings sorgten in den vergangenen Jahren Zwischenfälle mit Gerüchen im Cockpit öfter für Schlagzeilen.

So gab es im Dezember 2010 beim Anflug einer aus Wien kommenden Germanwings-Maschine vom Typ A319 auf den Flughafen Köln/Bonn gravierende Probleme für die Piloten bei der Landung, weil sie durch Gerüche der Ohnmacht nahe waren. Beide griffen zu ihren Sauerstoffmasken. Der steuernde Kapitän sagte laut Bericht der Bundesstelle für die Untersuchung von Flugunfällen (BFU), dass er am Ende seiner Leistungsfähigkeit gewesen sei.

Die Ursache der schlechten Luft im Cockpit wurde nicht geklärt. Die BFU hakte viele Möglichkeiten als unwahrscheinlich ab, schloss aber "nicht völlig" aus, dass es "eine Geruchsentwicklung durch fehlerhafte elektrische oder elektronische Bordsysteme" gegeben habe.

Kein Start 2014 wegen schlechtem Geruchs

Zwei Jahre zuvor war der gleiche Airbus-Typ kurz nach dem Start in Dublin zum Flughafen zurückgekehrt, weil sich der Germanwings-Kapitän unwohl fühlte. Wegen eines ungewöhnlichen Geruchs ließ 2014 ein Pilot von Germanwings in Cagliari auf Sardinien seinen Airbus am Boden. Für den Flug nach Köln/Bonn wurde ein anderes Flugzeug geholt.

Ein weiterer Germanwings-Zwischenfall dieser Art ereignete sich im Dezember 2013, als die Piloten beim Landeanflug auf Köln/Bonn wegen seltsamer Gerüche zu ihren Sauerstoffmasken griffen. Es gelang ihnen, sicher zu landen.

Ungewöhnlich sind die Gerüche in Kabine und Cockpit allerdings keineswegs. Auch bei anderen Airlines und Maschinen traten sie auf und brachten Piloten hin und wieder zum Abbruch des Fluges. Die BFU hat Hunderte solcher Zwischenfälle analysiert und kam zu dem Ergebnis, dass sie "keine relevante Einschränkung der Flugsicherheit" bedeuteten - wohl aber seien "einzelne Piloten in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt" worden.

72 Deutsche und 35 Spanier unter den Opfern

An Bord waren nach neuen Erkenntnissen der Fluggesellschaft mehr deutsche Staatsbürger als bisher angenommen. In dem Airbus hätten sich 72 Deutsche befunden, sagte Germanwings-Chef Thomas Winkelmann am Mittwoch am Flughafen Köln/Bonn. Am Vortag war er noch von 67 deutschen Opfern unter den insgesamt 150 Menschen an Bord ausgegangen.

An Bord der Maschine hätten sich auch 35 Spanier befunden, sagte Winkelmann weiter, die spanische Regierung geht aber von 51 getöteten Landsleuten aus. Je ein Opfer stammte aus Großbritannien, den Niederlanden, Kolumbien, Mexiko, Japan, Dänemark und Israel. Je zwei Menschen an Bord kamen aus Australien, Argentinien, dem Iran, Venezuela und den USA.

Bei den anderen Personen waren die Nationalitäten noch nicht eindeutig geklärt. Das Außenministerium in Wien hatte jedenfalls am Mittwochnachmittag weiterhin keine Hinweise auf Österreicher unter den insgesamt 144 Passagieren und sechs Besatzungsmitgliedern an Bord.

Bergung im schwer zugänglichen Gebiet geht weiter

Nach einer Zwangspause in der Nacht nahmen die Bergungsmannschaften am Mittwoch ihre Arbeit wieder auf. Am frühen Morgen starteten mehrere Hubschrauber zu der schwer zugänglichen Unglücksstelle. Zugleich setzten rund 50 Spezialkräfte, die die Nacht in Biwaks in dem Bergmassiv verbracht hatten, ihren Aufstieg zum Absturzort fort. Die Bergung der Opfer in der Hochgebirgsregion wird nach Einschätzung der Polizei extrem schwierig werden. Am Mittwoch sollten noch keine Opfer geborgen werden.

Der Airbus A320 war am Dienstag auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf abgestürzt. Es handelt sich um eine der schwersten Katastrophen in der deutschen Luftfahrtgeschichte. US-Präsident Barack Obama und Papst Franziskus sprachen den Angehörigen ihr Beileid aus.

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Die vielen Trümmerteile sprechen dafür, dass das Flugzeug mit hoher Geschwindigkeit aufgeschlagen ist.
Foto: AP/ TF1, Pool

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel wurde am Mittwochnachmittag am Unglücksort erwartet. Dort wollte sie auch Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy und Frankreichs Präsidenten Francois Hollande treffen. "Wir werden ihnen Karten zeigen und erklären, was geschehen ist und was wir tun", sagte Polizeigeneral David Galtier. Zugleich wurden die ersten Angehörigen der Opfer in Seyne-les-Alpes erwartet. Für sie wurde ein Ort der Stille eingerichtet, Dolmetscher waren an Ort und Stelle.

Die Germanwings-Muttergesellschaft Lufthansa will Hinterbliebene mit Sonderflügen nach Südfrankreich bringen. Geplant seien Verbindungen von Düsseldorf nach Marseille sowie von Barcelona nach Marseille, sagte Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr am Mittwoch.

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Das westfälische Haltern steht unter Schock: 16 Jugendliche und zwei Lehrerinnen befanden sich in der Maschine.
Foto: REUTERS/Ina Fassbender

Germanwings strich am Dienstagabend zahlreiche Flüge, etliche Besatzungen waren nicht zum Dienst angetreten. Auch am Mittwoch erklärten sich mehrere Crews für nicht einsatzbereit. Grund sei "der Schockzustand sowohl beim Kabinen- wie beim Cockpitpersonal", sagte ein Sprecher der Fluggesellschaft. Am Mittwoch strich Germanwings gleichwohl nur einen Flug, ihren Flugbetrieb stemmte sie mithilfe der Konkurrenz. Neben der Lufthansa stellten auch Air Berlin, Tuifly und andere Fluglinien Maschinen bereit.

Schon am Dienstagabend hatte Lufthansa-Vorstand Spohr versichert, der verunglückte Airbus sei "in hervorragendem technischem Zustand" gewesen. Einen Zusammenhang zwischen dem Absturz und einer Reparatur der Maschine am Tag zuvor schloss er aus. Einer Lufthansa-Sprecherin zufolge war dabei ein Problem mit der Bugradklappe des Jets routinemäßig beseitigt worden.

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Mithilfe von Hubschraubern wird das unzugängliche Gelände in den Alpen durchsucht.
Foto: REUTERS/Robert Pratta

Ältere Flugzeuge nicht unsicherer

Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Flugzeugunfällen und dem Alter der betreffenden Maschinen. Das hat eine 2014 veröffentlichte Studie des Internationalen Zentrums für Lufttransport (ICAT) beim Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (USA) ergeben. Nach einer weltweiten Auswertung aller Unglücke stellten die Wissenschafter fest, dass es bis zu einem Alter der Flugzeuge von 18 Jahren keinerlei Zusammenhang mit der Unfallrate gab.

Nur bei Maschinen ab 20 Jahren wurde statistisch eine "leichte Tendenz" zu mehr Unfällen registriert - allerdings nur bei Fluggesellschaften, die in Afrika operierten. Doch in anderen Teilen der Welt wie etwa Europa oder Nord-Amerika ist laut Studie auch bei Maschinen von 20 Jahren Lebensdauer und mehr kein Zusammenhang zwischen dem Alter und der Unfallhäufigkeit feststellbar. Die jetzt abgestürzte Airbus-Maschine war mehr als 24 Jahre alt.

Bereits 1953 Flugzeug in der Region abgestürzt

In der Region hat sich schon einmal ein schweres Flugzeugunglück ereignet. Im September 1953 stürzte eine Lockheed L-749A Constellation der Air France am Mont Le Cimet bei Barcelonnette ab. Die Unfallstelle liegt etwa 15 Kilometer nordöstlich der Absturzregion des Airbus. Nach Informationen von Aviation Safety Network wurden 1953 alle 33 Passagiere sowie neun Besatzungsmitglieder getötet. (APA, 25.3.2015)