Der griechische Premier Alexis Tsipras hat bei seinem Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel kaum Gelegenheit gehabt, das Thema Reparationen für NS-Verbrechen während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg anzusprechen. Merkel schmetterte das Thema ab.

Moralisch gäbe es dafür ja starke Argumente, wie sie zuletzt Hans Rauscher und Josef Haslinger ebenso wie einige deutsche Politiker dargelegt haben, aber rechtlich und politisch sieht die deutsche Regierung weder die Notwendigkeit noch eine Möglichkeit, diese Büchse der Pandora aufzumachen.

Denn völkerrechtlich sind alle Ansprüche abgegolten, und politisch fürchtet man in Berlin ähnliche Forderungen aus anderen einst von der Wehrmacht besetzten Staaten. Eine in Berlin angedachte Erhöhung des Zukunftsfonds für Griechenland wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein, würde aber das Thema nicht begraben.

Zwangskredit ist nicht getilgt

Die Einwände mögen für Reparationen für Zerstörungen und Verbrechen gelten. Aber in einer Causa haben die Griechen einen legitimen Anspruch: dem 1942 erpressten Kredit über 476 Millionen Reichsmark der griechischen Nationalbank an das Deutsche Reich, der heute elf Milliarden Euro wert wäre. Dieses Darlehen wurde nie zurückbezahlt und rechtlich nie geklärt. Deutschland schuldet Griechenland diese elf Milliarden Euro.

Und diese Schuld wäre eine große Chance, das verfahrene Verhältnis zwischen den beiden Staaten zu entspannen. Die deutsche Regierung wird sicher nicht elf Milliarden Euro an die Regierung Tsipras überweisen, damit diese nicht mehr an die Reformauflagen der Eurozone gebunden wäre. Das wäre in Deutschland nicht durchsetzbar und auch für Griechenland längerfristig nicht gut.

65 Milliarden Hilfskredite

Aber Deutschland könnte griechische Schulden in diesem Umfang streichen, sodass sich der Stand der griechischen Staatsschulden von derzeit 320 Milliarden Euro – oder 175 Prozent des BIP – etwas verringert. Der deutsche Staat hat davon den Griechen seit 2010 rund 65 Milliarden Euro geborgt – mehr als 15 Milliarden Euro direkt im ersten Hilfspaket, knapp 40 Milliarden Euro als nationaler Anteil am Rettungsschirm EFSF.

Ein Schuldenschnitt, etwa durch den Teilerlass der bilateralen deutschen Kredite, wäre nur auf dem Papier teuer, denn niemand rechnet wirklich damit, dass Griechenland diese Gelder je zurückzahlen wird. Griechenland würde sich auch kurzfristig kaum etwas ersparen, weil die Zinsen niedrig sind und die Tilgung erst 2020 beginnen soll.

Aber es wäre eine starke Geste und eine psychologische Hilfe, um Griechenland in der Eurozone zu behalten. Und vielleicht würde es Tsipras helfen, im eigenen Lager mehr wirtschaftspolitische Vernunft durchzusetzen. (Eric Frey, 23.3.2015)