Zur Person:
Shaun Leane (Jg. 1969) entwarf preisgekrönte Kollektionen und arbeitete unter anderem für Häuser wie Givenchy oder den britischen Juwelier Asprey.

Leane ist vor allem dafür bekannt, traditionelle Elemente mit zeitgenössischem Design zu verbinden. Einem breiteren Publikum wurde er durch seine Zusammenarbeit mit Alexander McQueen bekannt, für den er provokante Laufsteg-Juwelen entwarf, die zu Ikonen wurden.
shaunleane.com

Foto: Shaun Leane

STANDARD: Sie haben für viele Stars Schmuck entworfen, auch für Kate Moss. Wie ist sie so?

Leane: Toll, ich meine, sie ist eine der am meisten fotografierten Frauen der Welt und dabei total am Boden geblieben. Überhaupt keine Diva.

STANDARD: Haben Sie ihre Handynummer?

Leane: Ja, die hab ich tatsächlich.

STANDARD: Aber Sie rücken sie nicht raus?

Leane: Nein. (lacht)

STANDARD: Das goldene Armband, das Sie tragen, sieht ein wenig wie eine Wirbelsäule aus.

Leane: Viele Elemente, die ich für meine Arbeit verwende, sind von der Natur inspiriert. Sie liefert einfach unzählige Details, die sich in Schmuck umwandeln lassen. Was mich fasziniert, ist die Gewalt der Natur, ihre Stärke einerseits und ihre Verletzlichkeit andererseits.

STANDARD: Sie gehen also zum Beispiel in den Wald spazieren, sehen sich Bäume und Sträucher an und setzen sich dann an den Goldschmiedetisch? Wie kann man sich das vorstellen, zum Beispiel im Falle des Diamantenhandschuhs, den Sie für die Baroness und Brauerei-Erbin Daphne Guinness entworfen haben?

Leane: Die Idee dazu hatte ich in Indien. Ich beobachtete einen gigantischen Vogelschwarm, der immer wieder wie eine Sturmwolke seine Kreise zog und schließlich auf einem Hausdach landetet. Später erklärte mir jemand, dies geschieht zum Schutz der Jungen vor Raubvögeln. Diese Idee von Vögeln und Schutz setzte ich dann in einen Handschuh um. Der hat ja auch viel mit Behüten zu tun.

STANDARD: Ein Waldspaziergang reicht also nicht?

Leane: Oh doch, auch ein Busch kann mich inspirieren, seine Blätter, Dornen, Stacheln. Solche Dinge kann man immer wieder in unseren strengen und doch frei fließenden Linien finde. Der Flügel eines Vogels, die Kralle einer Katzenpfote, all das beeinflusst mich.

In der Mitte eine Perlenbrosche für Sarah Jessica Parker, links davon ein fangzahnförmiger Ohrring mit weißen Diamanten. Rechts oben Ohrringe aus Weißgold, Diamanten und sambischen Smaragden. Der Goldschmuck stellt eine Schlange dar, und rechts unten sind zwei säbelförmige Ringe mit Diamanten zu sehen.
Foto: Shaun Leane

STANDARD: Zurück zu Ihrem Armband, wie entwickelt sich der Bereich des Männerschmucks? Werden Männer mutiger?

Leane: Ich denke schon. Männerschmuck durchlief immer bestimmte Phasen. Es gab Jahrhunderte, in welchen Männer mehr Schmuck als Frauen trugen. Es war das Statussymbol schlechthin. Irgendwann hörten sie damit auf. Allmählich trauen sie sich wieder mehr. Das hat auch mit der Celebrity-Kultur zu tun. Sogar David Beckham trägt zwei Diamantohrringe.

STANDARD: Aber die Pracht einstiger Dekaden werden sich Männer wohl nicht mehr umhängen.

Leane: Sagen Sie das nicht, denken Sie an die Maharadschas. Ich wünschte, solche Zeiten kämen wieder, ich glaub es aber eher nicht. Man wird sich wohl eher auf einzelne Elemente beziehen, die wiederkehren werden.

STANDARD: Sotheby's bezeichnete Ihre Kreationen als "Antiquitäten der Zukunft". Hat Ihnen das geschmeichelt, oder klingt das etwas staubig?

Leane: Es schmeichelt mir sogar sehr. In meinen Anfangsjahren sammelte ich all die Kataloge von Sotheby's, Christie's und all den anderen Londoner Auktionshäusern. Ich studierte die vergangenen Perioden des Schmuckdesigns und träumte davon, eines Tages Schmuck für das 21. Jahrhundert zu gestalten. Ich dachte daran, wie toll es sein müsste, wenn jemand in 100 Jahren meinen Schmuck studiert. Außerdem bin ich sehr romantisch und liebe es, mit altem Schmuck zu arbeiten.

STANDARD: Wie wird Schmuck im 22. Jahrhundert aussehen?

Leane: Schwierige Frage. Ich wünschte, ich könnte diese Entwürfe noch erleben. Wahrscheinlich hat es sehr viel mit Materialien und neuen Ressourcen zu tun. Gold wird sicher noch von Bedeutung sein. Aber werden dann noch Diamanten abgebaut? Ich weiß es nicht. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Elektronik in Schmuck integriert wird. Schmuck wird weiterhin glitzern, denn es liegt im Instinkt des Menschen, auf etwas zu achten, das glitzert, und wenn es nur eine Glasscherbe im Sonnenlicht ist.

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Das Korsett für Alexander McQueen.
Foto: Coiled Corset by Shaun Leane for Alexander McQueen, photograph by Chris Moore

STANDARD: Wenn Sie ein Schmuckstück kaufen müssten, ab welchem Betrag würden Sie persönlich sagen, es ist teuer?

Leane: Nun, das kommt einerseits auf das Material, andererseits auf die Handwerksarbeit an, die darin steckt.

STANDARD: Nennen Sie einen Betrag ...

Leane: Nun, ich würde sagen, 10.000 Pfund aufwärts. Für andere sind es 100.000 Pfund und wieder für andere 500 Pfund. Das Schöne ist, dass es einfach für jeden Schmuck gibt.

STANDARD: Sie haben heuer mit Swarovski die Tiara für den Opernball entworfen, ein sehr traditionelles Schmuckstück. Kann man so ein Objekt auch zu anderen Anlässen tragen?

Leane: Absolut, bei Opernbesuchen, Hochzeiten, im Theater. Auch die Bandbreite der Gestaltung von Kopfschmuck wird immer größer.

STANDARD: Was würden Sie niemals designen?

Leane: Keine Ahnung. Das ist eine Frage. Da muss ich überlegen.

STANDARD: Eine Pistole?

Leane: Ja, eine Pistole vielleicht lieber nicht. Wobei es sehr schöne Schusswaffen aus vergangenen Jahrhunderten gibt. Allein die Gravuren. Also vielleicht eine Pistole, mit der man nicht schießen kann - ein Objekt also.

Diesen Diamanthandschuh namens "Contra Mundum" entwarf Shaun Leane für die Baroness und Brauerei-Erbin Daphne Guinness.
Foto: Shaun Leane

STANDARD: Gibt es ein Projekt, von dem Sie träumen, es eines Tages zu realisieren?

Leane: Ja, eine Skulptur für den öffentlichen Raum. Es sollte etwas sein, das zwei sehr unterschiedliche Elemente verbindet, zum Beispiel Beton und Kristall. Das wär was.

STANDARD: Sie waren ein enger Freund von Alexander McQueen und arbeiteten auch mit ihm zusammen. Wie würden Sie ihn in einem Satz beschreiben?

Leane: Da fallen mir unzählige Worte ein. Er war ein Künstler, ein Visionär, der keine Angst vor Grenzen hatte. Er berührte die Menschen durch seine Arbeit. Er war sehr großzügig und freundlich. Das waren jetzt allerdings drei Sätze.

STANDARD: Würden Sie uns eine Episode von Ihnen beiden erzählen?

Leane: Okay. Am Anfang unserer Zusammenarbeit machte ich große Schmuckstücke für ihn. Das war ich nicht gewöhnt. Wir realisierten zum Beispiel diesen großen Halsschmuck für ein Albumcover von Björk. Dann sagte er zu mir, "mach mir so ein Stück, aber für den ganzen Körper". Ich dachte, er sei verrückt.

Ich meine, ich bin Goldschmied, und das war nicht meine Liga. Wie auch immer, ich ging nach Hause und hab die ganze Nacht kein Auge zugetan. Am nächsten Morgen rief ich ihn an und sagte, "okay, ich mach es". Das Stück wurde zur Ikone. Seine Visionen übertrugen sich auf andere. So war er. Nichts schien für ihn unmöglich. Und er schaffte es, dass man das Beste aus sich selbst herausholte.

(Michael Hausenblas, RONDO-Exklusiv, 6.4.2015)