Wer heute eine Apokalypse im Kino erleben will, der muss keinen Weltuntergangsfilm anschauen. Vor jeder Filmvorstellung werden Zuschauer in einem Clip mit der Warnung konfrontiert, dass die zumindest angedachte Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Kinokarten und andere Kulturveranstaltungen von zehn auf 20 Prozent zum Kinosterben, einer katastophalen Verödung der Kulturlandschaft und einem massiven Verlust an Kaufkraft führen wird.

Nun kann man es keiner Branche verübeln, dass sie sich gegen Steuererhöhungen wehrt, aber die Schreckensszenarien wirken doch etwas übertrieben. Gerade Filmkartenpreise sind seit Jahren schneller als die Inflation gestiegen, und dennoch strömen die Menschen immer noch in die Kinos.

Der Kartenpreis ist nicht entscheidend

Die Nachfrage nach Filmen ist relativ preisunelastisch: Ob die Karte jetzt 8,80 oder 9,60 Euro kostet, wird nicht darüber entscheiden, ob man ins Kino geht. Es hängt vielmehr von der Attraktivität der Filme ab.

Bei der überlegten Erhöhung dieser Mehrwertsteuer geht es nicht nur um Einnahmen als Gegenfinanzierung für die Steuerreform, sondern um etwas Grundsätzliches: Sind die vielen ermäßigten Steuersätze für bestimmte Produktgruppen gerechtfertigt? Die Film- und Theaterbranche sagt Ja, denn schließlich ist Kultur ein besonders hohes Gut.

Aber soll der Staat wirklich einen Besuch bei "50 Shades of Grey" (zehn Prozent MWSt) steuerlich besserstellen als den Kauf von Winterhandschuhen (20 Prozent MWSt)? Sind Schnittblumen sozial wertvoller als die Vase, in die sie gestellt werden?

Steuervorteil für Essen nützt auch Gourmets

Ich würde sämtliche ermäßigten Steuersätze infrage stellen, auch für Lebensmittel und Mieten. Es gibt keinen sachlichen Grund, Essen anders zu behandeln als Getränke oder andere Dinge des täglichen Lebens. Kaum jemand würde in diesem Land deshalb hungern – und den sozial Schwächsten kann anders geholfen werden als durch eine allgemeine Steuervergünstigung, von der auch wohlhabende Gourmets profitieren.

Und beim Wohnen muss man sich fragen, warum Mieten geringer besteuert werden sollen als der Kauf eines Bettes oder eines Schreibtisches für die Kinder, was ebenso lebensnotwendig ist. All diese Unterschiede sind historisch gewachsen, aber nicht sachlich begründet.

Österreich hat mit 20 Prozent heute einen der niedrigsten Mehrwertsteuersätze in Europa. Eine allgemeine Anhebung der ermäßigten Sätze wäre auch deshalb vertretbar.

Deloitte-Steuerexperte Bernhard Gröhs hat deshalb zu Recht im Ö1-"Morgenjournal" vorgeschlagen, nicht einzelne Sätze von zehn auf 20, sondern sämtliche ermäßigten Steuersätze von zehn auf elf Prozent anzuheben.

2026 nur noch einen Steuersatz

Man kann das weiterdenken: Österreich könnte jetzt beschließen, den ermäßigten Steuersatz alljährlich um einen Prozentpunkt zu erhöhen, bis es im Jahr 2026 nur noch einen einzigen Mehrwertsteuersatz gibt. Der Großteil der zusätzlichen Einnahmen müsste in eine Senkung der Einkommensteuer fließen, die vor allem den Niedrigverdienern zugutekommt. Dann würde keine soziale Schieflage durch höhere Preise entstehen.

Und wenn ein Teil der Mehreinnahmen durch die erhöhte Mehrwertsteuer auf Mieten für eine große Wohnbauoffensive genutzt wird, würden Neuvermietungen trotz höherer Steuern unterm Strich günstiger werden.

Das würde eine der größten Ungerechtigkeiten im Lande mildern: die wachsende Kluft zwischen meist günstigen Bestandsmieten, von denen eher die Älteren profitieren, und den steigenden Neumieten, die Jungfamilien treffen. (Eric Frey, derStandard.at, 25.2.2015)