Frage: Es herrscht helle Empörung darüber, dass die ermäßigte Mehrwertsteuer angehoben werden könnte. Kommt die Idee überraschend?

Antwort: Eigentlich nicht. Dass es im Zuge der Steuerreform zu Streichungen von Steuerausnahmen kommen soll, war von Anfang an klar. Das war explizite Vorgabe der Politik an die Experten.

Frage: Würde Österreich mit der Anhebung der Mehrwertsteuer einen Sonderweg gehen?

Antwort: Nein, in zahlreichen EU-Ländern wurden die Mehrwertsteuersätze nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise angehoben. In 18 EU-Staaten ist der Normalsatz bereits höher als in Österreich, wo 20 Prozent abzuführen sind.

Frage: Ist auch die Anhebung des 20-Prozent-Satzes Thema?

Antwort: Nein. Darin sind sich SPÖ und ÖVP einig. Beide betonen weiters, dass für Lebensmittel, Mieten und Medikamente auch künftig zehn Prozent anfallen sollen. Große Summen könnten freilich nur mit einer Anhebung des Normalsatzes bewegt werden. Darauf weist der bürgerliche Thinktank Weiße Wirtschaft hin, der am Donnerstag ein eigenes Steuerkonzept vorgelegt hat. Die von einigen bekannten Ökonomen – u. a. Bernhard Felderer – unterstützte Gruppe hat ausgerechnet, dass eine Anhebung auf 22 Prozent (wenn gleichzeitig der reduzierte Satz auf elf Prozent steigt) 5,39 Milliarden in die Staatskassen spülen würde. Greift man nur kleinere Ausnahmen an, wären wohl nur einige Hundert Millionen Euro zu holen.

Die Öffis dürfen nicht teurer werden, fordert Rot-Grün in Wien
Foto: wiener linien

Frage: Würde sich das Konsumverhalten dramatisch ändern, wenn der zehnprozentige Mehrwertsteuersatz bei Büchern, Zeitungen, Blumen, Kulturgütern, Hotelnächtigungen oder bei der Personenbeförderung steigen würde? Alle potenziell betroffenen Branchen schreien ja lautstark auf.

Antwort: Wifo-Ökonom Marcus Scheiblecker geht davon aus, dass es in den meisten Fällen keine großen Auswirkungen gäbe. Es handle sich entweder um Produkte, die vermehrt von Haushalten mit höherem Einkommen konsumiert werden (Kultur, Hotelnächtigungen) oder um Produkte, die wenig preissensible Kleinausgaben darstellen (Schnittblumen, Bücher, Zeitungen). Lediglich beim öffentlichen Personenverkehr sei ein deutlicher Rückgang denkbar. Hier gebe es eine höhere Preis elastizität, wie das in der Ökonomensprache heißt. Davor warnte auch die rot-grüne Stadtregierung in Wien.

Die Tourismuswirtschaft warnt bereits vor Umsatzeinbußen und Jobabbau. Der Ökonom relativiert aber: Da Hotels im Schnitt eher vom kaufkräftigen Publikum gebucht werden, dürfte die Nachfrage nicht stark zurückgehen
Foto: OÖ Tourismus

Frage: Was ist bereits fix bei der Steuerreform?

Antwort: Eigentlich noch nichts. Bis jetzt gibt es nur Expertenüberlegungen. Nächste Woche tagt die Gruppe das letzte Mal, dann wird ein Bericht an die Regierung übergeben. Allerdings: Wie es derzeit aussieht, wird dieser sehr viele Dissens- und wenige Konsenspunkte enthalten. Für die endgültige Klärung wird also die politische Gruppe zuständig sein.

Frage: Wurden nicht im Regierungsprogramm und bei der Regierungsklausur in Schladming schon die Eckpfeiler geklärt?

Antwort: Nur ansatzweise. In Schladming hat man sich lediglich darauf verständigt, dass die Steuerreform ein Volumen von zumindest fünf Milliarden haben soll. Ob mehr möglich ist (wie die SPÖ das will), soll die politische Gruppe klären. Nicht vereinbart ist auch, welche Bevölkerungsgruppen in welchem Ausmaß profitieren sollen. Die SPÖ würde am liebsten das ganze Volumen für die Senkung der Einkommensteuer tarife aufwenden. Die ÖVP will ei nen Teil für Wirtschaft und Familien abzwacken. Im Regierungsprogramm steht immerhin, dass "Familien besonders berücksichtigt werden". (Günther Oswald, DER STANDARD, 6.12.2014)