Helmut Schlader, Kaviarproduzent aus Oberösterreich.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Schladers Alpenkaviar vom Sterlet ist im Vergleich - noch - deutlich preiswerter zu haben als die Produkte der Konkurrenz, was aber nicht bedeutet, dass er günstig wäre: 30 Gramm sind ab 33 Euro zu haben - wer gleich die 250-Gramm-Dose nimmt, zahlt "nur" einen Euro pro Gramm.

Bezugsquellen für Alpenkaviar sind auf Schladers Website einsehbar: alpenkaviar.at

Foto: Gerhard Wasserbauer

Kurz vor Hinterstoder versinkt das Steyrtal im Schnee, an diesem Februartag ist es außerdem in strahlende Sonne getaucht. Das bleibt nicht ohne Folgen: Vom Dach des alten Bauernhofs der Familie Schlader geht mit Karacho eine Dachlawine ab, landet hoch aufspritzend im Hof. Helmut Schlader hat seine Wathosen und den Parka übergezogen, ist ziemlich wasserdicht eingepackt - aber dennoch heilfroh, dass ihn der Schwall um einen guten Meter verfehlt. "Mir wird jetzt eh gleich kalt genug", lacht er.

Schlader ist Bauernsohn und Kaviarproduzent. Gleich wird er in einen der Teiche steigen, die er auf der anderen Straßenseite, einen Steinwurf vom Lauf der Steyr und ihren berühmt smaragdgrünen Gewässern entfernt, vor zwei Jahren angelegt hat. Im eisigen Wasser tummeln sich ein paar Hundert Störe. Schlader produziert Kaviar in vergleichsweise kleinem Stil, als Ein-Mann-Unternehmen. "Wobei: Meine Mutter Hedwig hilft tatkräftig mit", sagt er. Rund 100 Kilo Kaviar pro Jahr muss er verkaufen, um über die Runden zu kommen - "das sollte sich im kommenden Jahr hoffentlich ausgehen". Störe werden je nach Unterart erst mit sieben bis zehn Jahren geschlechtsreif, es braucht also viel Geduld und auch finanziell langen Atem, bis sich die Investion in Kaviarherstellung auszahlen kann.

Durch und durch österreichisch

Die Becken liegen nah an der Steyr, sie werden aus wasserrechtlichen Gründen aber von der Hausquelle des Schlader'schen Hofes gespeist und nicht etwa, wie sonst oft, als Kreislaufanlage geführt, wo dasselbe Wasser wieder und wieder durch die Becken gepumpt wird. Schlader deutet auf den Gipfel hinterm Haus, der in der Sonne glitzert: "Die Quelle kommt vom Köferspitz herunter." In den Teichen wurlt es: einerseits Sibirische Störe, eineinhalb Meter lang, anderseits mit auffälliger Schwarz-Weiß-Zeichnung versehene Sterlete, die mit ihren 60 Zentimetern geradezu zierlich wirken.

Der Sterlet ist die einzige bis heute in Österreich heimische Störart.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Letztere sind, trotz ihrer vergleichsweise bescheidenen Größe, die eigentlichen Stars dieser Geschichte. Schließlich ist der Sterlet die einzige bis heute in Österreich heimische Störart: Bei Aschach, nahe der Grenze zu Bayern hält sich - wenn auch unter zusehends prekären Bedingungen - eine Population dieses einst überreich in der gesamten Donau vertretenen, vergleichsweise kleinwüchsigen Störs. Insofern ist Schladers Kaviar vom Sterlet, wissenschaftlich Acipenser ruthenus genannt, durch und durch österreichischer Kaviar - im Gegensatz etwa zu jenem vom Sibirischen Stör, den Schlader ebenso anbietet.

Sanfte Explosionen

Die in dunklem Anthrazit schimmernden Körner sind kleiner als jene des Sibirischen Störs, im Geschmack werden sie oft höher eingeschätzt: Wunderbar sanft explodieren die Körner am Gaumen, die jodige Frische, der zart metallische Nachhall und die cremige Konsistenz vermitteln luxuriöse Sinnlichkeit. Preislich sind sie auch interessant - wobei Kaviar vom Stör nie als günstig gelten kann. Mit 33 Euro für die kleine 30-Gramm-Dose (reicht für zwei großzügig bestrichene Toasts oder bis zu vier Blinis) ist er um ein Viertel billiger als die gleiche Dose vom Sibirischen. Anders verhält es sich beim weißen Kaviar, der ausschließlich aus seltenen Albino-Sterlets gewonnen wird. Weil diese so selten sind, wird für ihn das Neunfache bezahlt. Geschmacklich ist nur in Nuancen ein Unterschied feststellbar.

Dass heute nur noch Sterlet - und auch der in gefährlich geringer Zahl - in Österreich vorkommt, ist nicht etwa eine Folge der Umweltverschmutzung vergangener Jahre und auch nur begrenzt auf exzessive Befischung zurückzuführen, sondern vielmehr ein Resultat der Wasserkraft, auf deren vorgebliche Umweltfreundlichkeit wir Österreicher doch so besonders stolz sind. Die Donaukraftwerke am Eisernen Tor, an der Grenze zwischen Rumänien und Serbien, sind nur die erste Hürde, die Störe auf ihrem Weg zum Ablaichen stromaufwärts überwinden müssen.

Illegale Schwarzfischerei

Die komplett durchregulierte österreichische Donau mit ihrer engen Kette an Wasserkraftwerken einerseits und die fehlenden Rückzugsräume andererseits machen es laut Jutta Jahrl vom WWF "so gut wie unmöglich", dass Störe vom Schwarzen Meer den Weg zu ihren angestammten Laichplätzen finden. "Früher waren sechs verschiedene Störarten in der Donau heimisch", sagt Jutta Jahrl, die für den WWF ein Störprojekt leitet und vergangenes Jahr 50.000 Sterlete in Bulgarien ausgesetzt hat, "außer dem Sterlet sind vier weitere Arten zum Ablaichen die Donau bis zu uns aus dem Schwarzen Meer hochgeschwommen".

Helmut Schlader präsentiert einen Sterlet.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Neben der Energiewirtschaft ist es beim Stör ganz wesentlich das Schwarzfischen wegen der Kaviargewinnung im rumänischen und bulgarischen Teil der Donau, dem der WWF Einhalt gebieten will. "Immer noch werden die großen Störe illegal aus der Donau gefischt, weil mit Kaviar so gute Geschäfte gemacht werden können", sagt Jahrl, "in Kombination mit der bitteren Armut der Bevölkerung in diesen Gebieten ergibt das eine enorme Bedrohung für die letzten Donaustöre."

Männer mit ausgebreiteten Armen

Das hat auch Helmut Schlader erlebt, der in seinem früheren Job für den Handelskonzern Rewe immer wieder in Rumänien war: "Dort bin ich zum ersten Mal überhaupt mit Stören konfrontiert worden und habe bemerkt, was das für außergewöhnliche Tiere sind", sagt er. Anfangs habe er bei Fahrten durchs Donaudelta gerätselt, was die Zeichensprache jener Männer zu bedeuten hätte, die häufig am Straßenrand gestikulierten. "Die standen da und breiteten ihre Arme aus, so weit sie konnten - und zwar jedes Mal, wenn ein größeres Auto vorbeifuhr". Ein Geschäftspartner sollte ihn aufklären: "Die zeigen an, dass sie einen großen Stör gefangen haben, und wollen den Kaviar verkaufen".

Für Schlader war das der Anlass, sich genauer mit diesen "wundersamen Tieren" zu beschäftigen, die aus einer anderen Epoche der Erdgeschichte in unsere Zeit herübergeschwommen scheinen. "Mich hat das Thema Kaviar fasziniert, mindestens ebenso aber, dass es diese Tiere vor gar nicht so langer Zeit alle noch bei uns gab. Von dieser Überlegung ausgehend, ist der Entschluss gereift, es hier mit einer Anlage zu versuchen". Der Fokus auf Kaviar vom Sterlet war dann ein logischer Schritt.

Wild - und minderwertig

Jutta Jahrl sieht in Initiativen wie diesen eine Möglichkeit, der Schwarzfischerei um des Kaviars willen beizukommen: "Mit gezüchteten Stören lässt sich ein nachhaltiges Geschäftsmodell entwickeln und der Druck auf die noch bestehende, wilde Störpopulation entscheidend senken." Wilder Kaviar mag bei manchen Gourmets immer noch einen mythischen Ruf haben - mit der Realität hat der aber längst nichts mehr zu tun: Was tatsächlich aus dem Donaudelta komme, sei aufgrund wenig professioneller Handhabung "so gut wie immer" von extrem minderwertiger Qualität. Die Nähe zu Osteuropa bewirkt dennoch, dass etwa auf dem Schwarzmarkt "regelmäßig" Kaviar auftauche, der sich nach Gentests als solcher von wilden Donaustören entpuppt, so er nicht "schon beim Öffnen so verdorben ist, dass sich ein Test gar nicht mehr ausgeht", so Jahrl.

Abgesehen davon, dass Kaviar dieser Art oft unsachgemäß verarbeitet ist, wird er fast immer pasteurisiert oder chemisch konserviert, wodurch er trotz der wilden Herkunft geschmacklich massiv gegen Zuchtware abfällt. Schlader schlachtet seine Tiere erst, wenn er mittels Ultraschall festgestellt hat, dass die Eier im Idealzustand (nicht zu reif, weil sie dann breiig werden) sind und salzt sie nur ganz zart. Sein Kaviar ist frisch - die maximale Haltbarkeit beträgt gerade einmal zwei Monate.

Der Kaviar des Sterlets schimmert in dunklem Anthrazit, bei Albino-Sterlets in cremigem Weiß. Er kostet dafür das Neunfache des herkömmlichen.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Für den Konsumenten gibt es einen ganz einfachen Weg, zu eruieren, ob Kaviar aus legaler Zucht oder illegaler Schwarzfischerei stammt: "Jede Dose, jedes Glas Störkaviar muss per Gesetz einen Aufkleber haben, der einen CITES-Code führt, aus dem sich die Herkunft rekonstruieren lässt", so Jahrl. Das Zertifikat des Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES steht für Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora, Anm.) wird nur an Produzenten vergeben, die sich an die Auflagen halten.

Wenn Schlader, mit einem riesenhaften Kescher bewehrt, in den Teich einsteigt, passiert erst einmal gar nichts: Während etwa Forellen oder Karpfen auch unter Zuchtbedingungen sofort das Weite suchen, sobald ein Eindringling bemerkt wird, scheint das beim Stör ganz anders zu sein: Viele kuscheln sich sogar regelrecht an Schlader heran, schlängeln ihre massiven Körper spielerisch an und zwischen seinen Beinen durch. "Störe haben außer dem Menschen keine natürlichen Feinde", sagt Schlader, "ihre Körper sind mit jeweils 54 Knochenplatten gepanzert - an denen beißt sich auch ein massiver Hecht die Zähne aus.

Daraus haben Fischer von jeher ihren Vorteil zu ziehen gewusst. Aus kontrollierter Zucht, noch dazu in eisigem Quellwasser, sind die Eier dieser urtümlichen Fische ein seltener, selten kostspieliger, aber ethisch vertretbarer Genuss. Wer aus ungeklärter Quelle kauft, darf hingegen sicher sein, dass er ohne Not mithilft, eine Art weiter zu dezimieren, die es schon wesentlich länger gibt als den Menschen. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 27.2.2015)

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