In den sanft geschwungenen Hügeln rund um Stegersbach versteckt sich eine aus Holz gebaute Halle im Wald. Im ihrem Inneren stehen 24 Becken – das Herz eines ziemlich einzigartigen Projekts, das auf ersten Blick ein bissl spinnert anmutet. Gernot Heigl züchtet hier Flusskrebse, Bachsaiblinge und Forellen in einem geschlossenen System, mit einer überaus aufwändigen Anlage zur Wasserreinigung, mit ständig laufenden UV-Filtern, Endlos-Bandfiltern und einer biologischen Mini-Kläranlage sowie Sauerstoffpumpen. "Ich bin ein Mensch des Wassers, meine Mutter ist beim Fliegenfischen bis zum Bauch im Fluss gestanden, als sie mit mir schwanger war – da ist offenbar etwas hängengeblieben", sagt er.
Dabei gibt es die Krebse, die sich in Heigls Becken tummeln, in durchaus reichlichen Vorkommen auch in heimischen Flüssen und Bächen, wo man sogar verzweifelt versucht, ihrer Ausbreitung Herr zu werden. Der Signalkrebs verfügt nämlich über delikates Fleisch, er gilt aber als unerwünschter Neophyt, der einst aus Kanada importiert wurde und die heimische Population so gut wie flächendeckend hinweggerafft hat. Weil er zwar selbst immun gegen die gefürchtete Krebsenpest ist, sie aber, wo immer er auftritt, weiterverbreitet.
Frisch aus den Becken auf den Tisch
Während die wilden Krebse aber nur im Sommer befischt werden können, will Heigl ein System gefunden haben, mittels dessen er eine ganzjährige Versorgung garantieren kann – und das in wirklich guter Qualität. "Es gab von Anfang an eine Prämisse: Ich will sofort essen können, was ich aus meinen Becken fische."
Während Bachkrebse anderswo stets erst ausgeschwemmt und auf tagelange Fastenkur gesetzt werden müssen, um den schlammigen Geschmack des Fischfutters loszuwerden oder gegebenenfalls Antibiotika-Reste (wie sie in der intensiven Tierzucht fast überall eingesetzt werden) entsprechend abbauen zu können, ist Heigl stolz darauf, dass seine Tiere frisch aus der Zucht in den Kochtopf wandern können. "Ich habe die Anlage in allen Einzelheiten selbst entwickelt; wenn alles glattgeht, kann ich in Zukunft auf die dreifache Menge erweitern – dann würde sich das Projekt rechnen.
Irka & Csencsits
Einstweilen aber kann er seine Kunden an den Fingern einer Hand abzählen – dafür sind schon zwei der besten Restaurants der südlichen Landeshälfte darunter: einerseits das Csencsits im südburgenländischen Kohfidisch, wo der langjährige Taubenkobel- Küchenchef Jürgen Csencsits beständig auf Spitzenniveau kocht, und anderseits die südoststeirische Sazianistub'n in Straden, wo sich der blutjunge Harald Irka als wohl aufsehenerregendster Top-Koch des Landes etabliert hat.
"Irka war mein erster Kunde", schwärmt Heigl. "Für mich ist es eine Auszeichnung, dass meine Viecher vor seinem Gaumen bestehen." Neben den aufwändigen Filtern ist die Art der Fütterung für die außergewöhnliche Qualität der Heigl'schen Krebse entscheidend. Während nämlich Züchter, die in offenen, von Bächen oder Flüssen gespeisten Teichen züchten, laut Gesetz nur Trockenfutter aus der Industrie einsetzen dürfen, sind Kreislaufanlagen wie jene Heigls in der Lage, auch sogenanntes "Nassfutter" zu verabreichen.
Fischmehl kommt nicht in die Tüte!
"Das Trockenfutter aus Fischmehl verleiht den Krebsen einen richtig ekeligen Geschmack", meint Heigl, der anfangs auch damit experimentiert hat. "Der vergeht erst dann einigermaßen, wenn die Viecher tagelang auf Totaldiät gesetzt werden und in eigenen Klärbecken gehalten werden." Im Gegensatz dazu verfüttert Heigl frische Fischabfälle, die bei der parallel laufenden Fischzucht anfallen, außerdem Getreideprodukte wie Weizennachmehl, die bei den Mühlen der Umgebung als Abfall gelten, sowie Kürbispresskuchen aus der Kernölproduktion.
Ein ganz wichtiger Teil der Ernährung sind aber Blätter, die Heigl im Herbst unter den Bäumen der Umgebung einsammelt, einlagert und über das Jahr verteilt an seine Tiere verfüttert. "Die fahren total drauf ab", sagt er. "Blätter sind ja auch in freier Wildbahn in den Teichen ein wichtiger Teil der Ernährung von Süßwasserkrebsen. Aus Dingen, die sonst keine Verwendung mehr haben, wird so ein absolutes High-End-Produkt, das taugt mir schon sehr."
Für die Zukunft kann Gernot Heigl sich noch vieles vorstellen, darunter auch, die sogenannte Lachsforelle als kulinarische Augenauswischerei der Sonderklasse endlich einmal so richtig zu demaskieren. "Unter Fachleuten ist natürlich bekannt, dass die orangerote Farbe des Lachsforellenfleisches nur durch Karotin-Zugabe im Futter erreicht wird, genau wie bei den Zuchtlachsen auch."
Heigl träumt davon, eine Forelle auf den Markt zu bringen, die ebenso lachsrosa Fleisch hat, bei der die Färbung aber nicht durch künstliche Farbstoffzugabe erreicht wird, sondern wie bei Wildfischen durch das Futter: Flusskrebse. Das hätte natürlich auch massive Auswirkungen auf die Fleischqualität (und zwar nur positive), wirkt aber auf ersten Blick wie ein gar ambitioniertes Unterfangen. Viel will der Tüftler dazu einstweilen noch nicht sagen: "Ich bin am Experimentieren – aber es schaut gar nicht schlecht aus." (Severin Corti, DER STANDARD, Feinkost, 28.11.2013)