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Markus Meister: Die globale Nutzung von Biokraftstoffen hat zu enormen Verwerfungen auf den Agrarmärken geführt.

Foto: AP/Joerg Sarbach

Dass der Zucker- und Biospritkonzern Agrana gerne eine neue Diskussion um E10, also Benzin mit zehnprozentiger Beimischung von Ethanol (STANDARD, 4. Jänner), starten möchte, ist klar. Schließlich geht es um das Geschäft der Raiffeisen-Tochter.

Österreichs Klimabilanz könne durch höhere Beimengung von Ethanol oder Biodiesel mit einem Schlag relativ einfach verbessert werden. Die Betonung liegt dabei auf "relativ einfach". Damit wird "Klimapolitik" gemacht, ohne dass sich im Verkehrs- und Mobilitätsverhalten etwas ändern muss. Man kann wie bisher Autofahren, vermeintlich grünes Mäntelchen inklusive. Tempolimits auf Autobahnen oder der Ausbau von öffentlichem Verkehr müssen dadurch nicht angedacht werden.

Unvollständige Klimabilanzen

Hinsichtlich der Klimabilanz wird verschwiegen, dass momentan indirekte Auswirkungen – etwa die Rodung des Regenwalds aufgrund der Verdrängung des Getreide- und Ölsaatenanbaus – nicht berücksichtigt werden. Werden diese Effekte nämlich berücksichtigt, schaut die Klimabilanz von Ethanol wesentlich schlechter aus. Bei sogenanntem Biodiesel kann diese überhaupt negativ und dieser damit klimaschädlich sein.

Verwerfungen auf den Agrarmärken

Auch wenn das Argument, dass Getreide auf den Teller und nicht in den Tank gehört, vereinfachend ist, so kann nicht darüber hinweg gesehen werden, dass die globale Nutzung von Biokraftstoffen zu enormen Verwerfungen auf den Agrarmärken geführt hat. Es ist richtig, dass Hunger vor allem auf das Verteilungsproblem von Nahrung zurückzuführen ist. Die Produktion von Biokraftstoffen hat dieses Problem aber zusätzlich verschärft.

Die "Tortillakrise" in Mexiko ist eindeutig auf die Ethanolerzeugung in den USA zurückzuführen. Die Nutzung von Biokraftstoffen in Nordamerika und Europa hat zu den Lebensmittelpreissteigerungen 2007/2008 beigetragen. Während sich die Preise seither gemäßigt haben, haben unzählige Kleinbauern und Indigene weltweit den Zugang zu Land verloren. Konzerne bauen dort nun im großen Stil für den Weltmarkt Getreide, Soja, Zucker oder Palmöl an. Damit wird auch die globale Nachfrage nach Biokraftstoffen befriedigt. Für die regionale Versorgung in Entwicklungsländern bleibt vielfach zu wenig.

Biokraftstoffe, eine Sackgasse

Es ist also Zeit, dass wir uns von dieser fehlgeleiteten Biokraftstoffpolitik verabschieden. Beigemengte Agrotreibstoffe sind nur Scheinlösungen, die den Umstieg auf ökologischere Mobilitätssysteme eher verhindern als fördern. Sie sind eine sozial und ökologisch bedenkliche Politik. (Markus Meister, derStandard.at, 9.1.2015)