Der Film, mit dem sich Gustav Ucicky am stärksten belastete: "Heimkehr" (1941) mit Paula Wessely als Vertreterin der deutschen Minderheit, die gegen den Hass der Polen auftritt.

Foto: Filmarchiv

Regisseur Gustav Ucicky: Die Foundation der Witwe finanziert die "kritische" Neulektüre.

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Wien - Ein Haus in Berlin und ein großer Vertrag mit der Ufa, das hielt den Erfolgsregisseur Gustav Ucicky 1933 davon ab, ein Angebot aus Hollywood anzunehmen. Er hätte sich dort vermutlich zurechtgefunden, ein zweiter Fritz Lang wäre nicht aus ihm geworden, doch er hätte sich die Schande ersparen können, zu einer Stütze der nationalsozialistischen Filmwirtschaft zu werden.

Geschichte im Konjunktiv geht immer von solchen Wegkreuzungen aus, und für Ucicky, der in den Zwanzigerjahren das eine oder andere Mal an der Moderne angestreift hatte (Café Elektric, 1927), war das Jahr 1933 die wichtigste. Er blieb in Berlin, so wie er auch später immer einfach blieb und weiter Filme machte. Nach 1933, nach 1945. So liegt nun ein Werk vor, das wenig Kontinuitäten im engeren Sinn kennt, außer der einen, dass da einer sich immer auf eine besonders bruchlose Weise am Mainstream seiner Zeit orientiert hat.

Wie geht man damit um? Das Filmarchiv Austria zeigt über die kommenden fast zwei Monate das Gesamtwerk von Ucicky, die dazu erschienene Publikation definiert den Bogen der Kontroverse: Professionalist und Propagandist. Den Professionalisten Ucicky erkennt man in einem U-Boot-Kriegsfilm wie Morgenrot (1933), der nationalistische Heldenideologie mit ein bisschen Opferwehmut kreuzte und der insgesamt hervorragend zum neuen Regime passte. Der Propagandist Ucicky exponierte sich vor allem an zwei Stellen. 1938 signierte er den kurzen, für den Wochenschaueinsatz gedachten Wort und Tat, mit dem Österreich auf eine positive Volksentscheidung für den Anschluss eingeschworen werden sollte. Eine Leistungsschau der ersten fünf NS-Jahre ist das, und Ucicky, der dafür letztlich nur seinen Namen hergab, spendete seine Einnahmen: an ein SS-Regiment. Nun ist die SS von 1938 nicht die von 1942, aber der Umstand, dass Ucicky von 1933 an symbolische Summen an die Kaderorganisation überwies, zeugt doch mindestens von kalkuliertem Pragmatismus im Umgang mit der Macht.

Der Film, durch den Ucicky sich am stärksten belastete, ist Heimkehr (1941), der wegen seiner effektbewussten, Hass erzeugenden Darstellung der Polen zu den Schulbeispielen ethnischer Diskreditierung zählen muss. In seiner Gesamtanlage handelt es sich dabei um ein höchst ambivalentes Produkt, das mit den großen Bildern des Rückzugs aus den Ostgebieten schon Motive der Niederlage nach 1943 zu ahnen scheint. Und Paula Wesselys berüchtigter Monolog hinter Gittern würde heute vermutlich vielfach Heiterkeit auslösen, war damals aber innigster Ausdruck des reaktionären Menschen- und Geschichtsbildes, zu dessen Vertreter sich Ucicky machte.

Alter Schematismus

Die Spannung zwischen Professionalität (eine Kategorie, die in der französischen Politik der Autoren mit Blick auf Hawks oder Ford ganz anders nobilitiert wurde) und Propaganda zählt zu den ältesten Schematismen, bei belasteten Filmemachern mit entlastenden Unterscheidungen zu arbeiten. Sie hat schon bei Leni Riefenstahl nicht funktioniert und müsste bei Ucicky, wenn sie denn Sinn macht, auch auf seine drögen Heimatfilme der Nachkriegsjahre Anwendung finden.

Die Liste der Teilnehmer an dem Symposion am kommenden Wochenende lässt hoffen, dass die Chance, die das Filmarchiv Austria mit der Publikation vertan hat, zumindest vereinzelt doch noch für eine vertiefte Auseinandersetzung genützt wird. Das Buch von Christoph Brecht, Armin Loacker und Ines Steiner ist wissenschaftlich in genau dem Sinn, in dem die Kategorie "Professionalität" immer wieder verwendet wird: ohne eigentlichen Sinn für Geschichtlichkeit und Verantwortung.

Problematische Förderung

Das muss aber vielleicht nicht verwundern bei einem Projekt, das insgesamt auf problematischen Bedingungen beruht: Denn es ist wesentlich die Klimt Foundation der Witwe von Ucicky, die die Ucicky-Arbeit des Filmarchivs Austria fördert. Es beruht also auf Drittmitteln aus einem Vermögen, dessen finanzielle Kontinuitäten zu den Erfolgen des Filmemachers stark aufklärungsbedürftig sind.

Ernst Kieninger, der Direktor des Filmarchivs Austria, betont, man habe kein "Weißbuch" gemacht. Das stimmt sicher, läuft allerdings angesichts seiner eigenen gewundenen Formulierungen, mit denen er Heimkehr (als "infames Machwerk") im Vorwort zu der Publikation eine "artistische Faktur" bescheinigt, auf ein Hin und Her hinaus, das zu vielen Interessen genügt. Ein kleineres, langfristigeres, intellektuell und geschichtspolitisch ambitionierteres, aus öffentlichen Mitteln dotiertes Ucicky-Projekt wäre dem Filmarchiv Austria zweifellos besser angestanden. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 20.11.2014)