So mancher hat um diese Zeit im Jahr das Bedürfnis nach Winterschlaf - und schafft es morgens nur schwer aus dem Bett.

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Wake up!

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Aufwachen! Für manchen verpeilten Teenager samt Eltern hat die Zeitumstellung am letzten Wochenende eine kurze Erleichterung gebracht. Eine Stunde mehr. Trotzdem werden zehntausende Schulkinder und ihre Familien in den kommenden Monaten in Österreich in völliger Dunkelheit aufstehen müssen.

Eulen und Lerchen

Nur wenigen von ihnen, den sogenannten "Lerchen", fällt das leicht. Die meisten sind, gerade als Jugendliche, "Eulen", sie sind spätabends fit und morgens halbtot. Denn ja, es gibt unterschiedliche Schlaftypen, und der Schlaf ändert sich mit dem Lebensalter.

Mit "Wake up! Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft" hat der Neurobiologe und Journalist Peter Spork soeben ein weiteres Buch zur Schlafforschung vorgelegt. Es gibt bereits einige lesenswerte Bücher zur Chronobiologie, darunter "Wie wir ticken" von Till Roenneberg. Neu ist, dass Spork in seinem Buch einen Acht-Punkte-Plan vorlegt, wie sich die gewonnenen Erkenntnisse auch umsetzen können.

"Chronobiologie" ist der Terminus technicus einer Fachrichtung, die sich mit der zeitlichen Organisation physiologischer Prozesse im Organismus befasst. "Alle Lebewesen haben eine innere Uhr, das ist sogar bei Pflanzen so", erklärt Robert Stepansky, Leiter des Schlaflabors am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien.

"Diese innere Uhr läuft unabhängig von äußeren Zeitgebern wie dem Sonnenstand zirkadian", ergänzt er. Zirkadian ist der Fachbegriff für den 24-Stunden-Rhythmus. Nach dieser inneren Uhr richte sich unser Schlaf-Wach-Rhythmus, bestimmte Hormone unterliegen Schwankungen, je nachdem, ob wir schlafen oder wach sind.

Raubbau beim Schlafen

In modernen Industriegesellschaften, so Sporks These, leben wir gegen unsere innere Uhr: "Wir erwarten Höchstleistungen, wenn unser Körper Ruhe verlangt, und fahren oft runter, wenn wir am leistungsfähigsten sind. Wir essen, wenn unsere Organe nicht darauf vorbereitet sind. Wir suchen das Licht, wenn wir es dunkel brauchen, und die Dunkelheit, wenn wir Helligkeit benötigen. Wir ignorieren unser Bedürfnis nach Pausen und Auszeiten. Kurz: Wir haben verlernt, in Einklang mit der biologischen Taktung zu leben", schreibt er mit viel Leidenschaft.

Seine Forderung: "Menschen sollten grundsätzlich dann arbeiten dürfen, wenn sie am leistungsfähigsten sind. Und über ihre Freizeitplanung sollten sie natürlich selbst entscheiden, inklusive dringend benötigter Pausen und ausreichenden Schlafs." Er stellt sich das in etwa so vor: Alle "Eulen" sollten morgen erst einmal ausschlafen dürfen, sich danach einen Spaziergang oder eine Runde Hausarbeit gönnen und dann ausgeruht und bestgelaunt irgendwann am Vormittag am Arbeitsplatz erscheinen - dort vielleicht eine Sitzung erledigen und die restliche Arbeit zum Beispiel in einem Café oder auf einer Wiese im Park abarbeiten. Eine Utopie? "Der richtige Weg", sagt Spork.

Besserer Schlaf beuge erwiesenermaßen Stoffwechselerkrankungen vor und sei eines der effektivsten Instrumente der Krankheitsprävention - was wiederum den Unternehmen, dem Einzelnen und der Gesellschaft insgesamt zugutekäme. Er will mit seinem Buch "mehr als Begeisterung für die moderne Wissenschaft wecken", und "zu einem Aufbruch in die ausgeschlafene Gesellschaft motivieren".

Mehr Licht, mehr Dunkelheit

Die ihm am wichtigsten erscheinenden Bereiche gliedert er in acht Kapitel: "Mehr Licht: Nichts wie raus!" nennt er das erste. Er fordert mehr Aufenthalt im Tageslicht und empfiehlt, den Arbeitsweg nicht mit der U-Bahn, sondern besser zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen. "Das ist richtig", sagt Schlafforscher Stepansky: "Wir sind vom Tageslicht abhängig. Es hat Einfluss auf den Melatoninstoffwechsel. Wir arbeiten generell in zu dunklen Räumen. Die Naturverbundenheit ist uns verlorengegangen. Im Freien zu arbeiten wie zum Beispiel in der Landwirtschaft steckt genetisch in uns drin und entspricht uns viel mehr."

Umgekehrt brauchen wir aber auch mehr Dunkelheit. "Finsternis in der Nacht ist genauso wichtig wie Licht am Tag", sagt Stepansky. Spork schreibt ausführlich über die Auswirkungen von Kunstlicht vor allem am Abend und empfiehlt Rechner und Smartphone vor dem Zubettgehen zu dimmen und spätestens eine Stunde vor dem Einschlafen ganz darauf zu verzichten.

Von den in den USA in diesem Zusammenhang in Mode gekommenen Brillen, die das Blaulicht ausfiltern, hält Schlafforscher Stepansky allerdings nicht viel: "Es ist schon wichtig, dass der Schlafplatz finster ist, aber von speziellen Brillen halte ich nichts. Da werden Pseudostudien hervorgezaubert, um deren Wirkung zu bestätigen."

Kein Wecker

"Wecker weg!" ist die nächste Empfehlung von Spork. "Das wäre schon ideal, wenn wir alle nach unserer inneren Uhr leben könnten", sagt auch Stepansky, fügt aber hinzu: "Viele haben ohne Wecker aber Angst vorm Zuspätkommen, was dann erst recht zu Schlafproblemen führt." Gerade bei Jugendlichen könnten regelmäßige Zubettgehzeiten und Aufstehzeiten helfen, nachts leichter einzuschlafen, so der Experte.

Ein eigenes Kapitel widmet Spork dem Timing bei den Mahlzeiten. "Prinzipiell ist zu spätes Essen dem Schlaf nicht förderlich", sagt auch Stepansky. Auch Schichtarbeit, so führt Spork aus, ist natürlich problematisch für den Schlaf-Wach-Rhythmus und damit ungesund. Ein Problem, das Stepansky auch als Arzt bei Nachtdiensten kennt: "Ich versuche, ausreichend Schlaf nach solch einem Dienst zu finden, also früher schlafen zu gehen. Vorschlafen funktioniert ja nicht."

Für oder gegen die Sommerzeit

Zu den Schulzeiten, die ebenfalls in Sporks Acht-Punkte-Plan fallen - er kritisiert den für den Schlafrhythmus der Kinder zu frühen Schulanfang - sagt Stepansky lapidar: "Ein späterer Schulbeginn wird ja generell gefordert von allen, die etwas davon verstehen."

Fordert Spork die Abschaffung der Sommerzeit, sieht es Stepansky umgekehrt: "Ich bin dafür, dass immer Sommerzeit ist", erklärt er lachend: "Wenn jemand schon Schlafprobleme hat, kann die Zeitumstellung aber tatsächlich zusätzlich Probleme bereiten", ergänzt er.

Warum das Thema Schlaf zunehmend an Bedeutung gewinnt, erklärt er so: "Ich denke, das wird stärker beäugt in einer Bevölkerung, in der circa 20 Prozent über einen längeren Zeitraum von Schlafproblemen betroffen sind." Das wiederum habe sicher etwas mit unserer leistungsorientierten Gesellschaft zu tun.

"Menschen haben nun einmal unterschiedliche Schlafbedürfnisse: Manchen reichen drei Stunden, manche brauchen elf bis zwölf Stunden, um ausgeschlafen zu sein. Das ist so, wie es große und kleine Menschen gibt. Die sind deswegen nicht gut oder böse. Aber in unserer westlichen Industriegesellschaft wird jemand, der nur drei Stunden Schlaf braucht und die Nachstunden mit Arbeit verbringt, als besonders erfolgreich angesehen. Langer Schlaf wird hingegen abgelehnt." Die gute Nachricht für die Eulen: "Das Problembewusstsein ist zunehmend da." (Tanja Paar, DER STANDARD, 31.10.2014)