Brüssel/Wien - Die EU-Rüge zum österreichischen Budgetplan verhallt nun doch nicht wirkungslos. Finanzminister Hans Jörg Schelling hat am Freitag Währungskommissar Jyrki Katainen zugesagt, weitere Maßnahmen für 2015 anzuvisieren. Dazu führe er derzeit "intensive Diskussionen" mit seinen Regierungskollegen.

Weiters betont Schelling, dass Österreich nach wie vor am geplanten Nulldefizit im Jahr 2016 festhalte. Katainen hatte kritisiert, dass die zuletzt gemeldeten Budgetdaten für 2015 nicht im Einklang mit der mittelfristigen Haushaltsplanung stünden. Österreich geht derzeit davon aus, dass das um Konjunktur- und Einmaleffekte bereinigte strukturelle Defizit heuer und 2015 bei einem Prozent der Wirtschaftsleistung liegen wird.

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Finanzminister Hans Jörg Schelling gibt im Streit mit der EU-Kommission nach.
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Defizit höher als geplant

Österreich hat die Verschlechterung beim öffentlichen Haushalt mit der schwachen Konjunktur begründet. Das wirkt sich vor allem beim Maastricht-Defizit aus, das heuer 2,8 Prozent ausmachen wird und im kommenden Jahr 1,9 statt der geplanten 1,5 Prozent des BIP. Das Finanzministerium hat insbesondere auf höhere Ausgaben im Bereich Arbeitsmarkt verwiesen. Allerdings entwickelt sich die Einnahmenseite besser als prognostiziert.

Neben Österreich hatten auch Frankreich, Italien, Slowenien und Malta einen blauen Brief aus Brüssel erhalten. DER STANDARD nutzt die Gelegenheit, um die Finanzdaten der vermeintlichen Budgetsünder näher unter die Lupe zu nehmen.

Neun Länder mit höherer Verschuldung

Zunächst einmal: Beim Schuldenstand ist Österreich mittlerweile tatsächlich im oberen Drittel der EU-Staaten angekommen. Nur neun von 28 Mitgliedern wiesen im Vorjahr eine höhere Schuldenlast auf. Bei fünf davon handelt es sich freilich um die einstigen Krisenländer, die auf Hilfe des EU-Rettungsschirms angewiesen waren oder sind (Griechenland, Spanien, Portugal, Zypern, Irland).

Von den restlichen EU-Staaten haben nur Belgien, Großbritannien sowie eben Frankreich und Italien einen höheren Schuldenberg als Österreich. Wegen der Kärntner Hypo dürfte die heimische Schuldenquote am Ende des Jahres sogar auf rund 87 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) klettern, womit man von den Franzosen nicht mehr weit entfernt wäre.

Wesentlich besser schneidet Österreich ab, wenn man nur das Budetdefizit des Vorjahrs hernimmt. Hier hatten gleich 20 von 28 EU-Staaten mit einem höheren Defizit zu kämpfen. Auch unter den nun ermahnten fünf Staaten wies Österreich das geringste Minus auf.

Dem Finanzminister hilft das allerdings nur bedingt. Die EU-Kommission arbeitet nämlich vor allem mit dem Begriff des "strukturellen Defizits".

Diese Kennziffer soll angeben, wie nachhaltig ein Haushalt ist. Einmal- und Konjunktureffekte (etwa wegen höherer Ausgaben für Arbeitslose) werden herausgerechnet. Und was Österreich vor allem auf den Kopf fällt: Brüssel sieht sich an, ob sich die Budgets verbessern. Deshalb steht beispielsweise Irland, das im Vorjahr noch ein Maastricht-Defizit von mehr als fünf Prozent aufwies, nicht mehr in der Kritik – weil es eben beim strukturellen Defizit Fortschritte macht. Ähnliches gilt für Spanien und Portugal (Griechenland und Zypern werden nicht berücksichtigt, weil sie noch immer auf Hilfe angewiesen sind).

Im Falle Österreichs gibt es hingegen keine Verbesserung. Die Regierung geht sowohl für dieses als auch für nächstes Jahr von einem strukturellen Defizit von einem Prozent aus - und liegt damit ziemlich gleich auf mit Italien, mit dem man eigentlich nicht in einen Topf geworfen werden will. Mit vergleichbaren Problemen hat Malta zu kämpfen, das grundsätzlich solide aufgestellt ist, das strukturelle Defizit im kommenden Jahr aber nur geringfügig (von 2,1 auf 1,9 Prozent) senken will.

Für den Vorsitzenden des Fiskalrats, Bernhard Felderer, ist es daher nicht verwunderlich, dass Österreich und die anderen vier Staaten den blauen Brief bekamen. "Ein so stark mangelnder Fortschritt ist fast provozierend für die EU-Kommission", sagt Felderer zum STANDARD. Die Kommission könne im Grunde gar nicht anders: "Alle Staaten haben sich dazu verpflichtet, das strukturelle Defizit von Jahr zu Jahr um 0,5 Prozentpunkte zu reduzieren. Im Falle Österreichs sieht es fast so aus, als wolle man das ignorieren."

Trotz der Kritik muss man die Kirche allerdings im Dorf lassen: An den Finanzmärkten wird Österreichs Bonität nach wie vor gut bewertet. Frankreich und Italien drohen hingegen weitere Downgrades. Beiden Ländern macht vor allem zu schaffen, dass es derzeit kaum Wachstum gibt und somit die Arbeitslosenzahlen auf hohem Niveau bleiben. Slowenien wiederum kämpft noch wesentlich stärker mit seiner Bankenkrise als Österreich.

Unmittelbare Folgen für Österreich erwartet Felderer daher nicht: "Der Finanzminister wird geschickt antworten. Dann wird er schon eine Atempause bekommen." Tatsächlich sehen die EU-Regeln Strafen erst nach einem mehrstufigen Verfahren vor. (Günther Oswald, Andreas Schnauder, derStandard.at, 24.10.2014)