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Ein symbolisches Chlorhuhn auf einem Spaziergang durch München. Protestaktionen gegen das Freihandelsabkommen TTIP gibt es vor allem in Deutschland und Österreich

Foto: reuters/MICHAELA REHLE

Wien - Wochenlang haben sie geschwiegen, doch nun gehen die Befürworter des Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA (TTIP) in die Offensive. In einem Brief an die designierte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, der dem STANDARD vorliegt, fordern die Vertreter von insgesamt 14 EU-Staaten die Kommissarin dazu auf, rasch und entschlossen ein ambitioniertes Freihandelsabkommen mit den USA zu vereinbaren.

Besonders heikel: Die 14 Ländervertreter verlangen, dass der umstrittene Investorenschutz Teil des Abkommens wird. Malmström solle nicht vergessen, dass die EU-Länder in dem Verhandlungsmandat, das sie der Kommission 2013 erteilt haben, unbedingt wollten, dass TTIP ein eigenes Investmentkapital enthält, heißt es in dem Schreiben.

Umstrittene Sonderklagerechte

Den Brief unterschrieben haben unter anderem Ian Livingston, britischer Handels- und Investmentminister aber auch Mikael Damberg, Schwedens Minister für Innovation. Auch Tschechien, Irland, Kroatien, Portugal und Finnland unterstützen die Initiative.

Das Investmentkapitel in TTIP ist umstritten, weil darin die Sonderklagerechte für Unternehmen normiert werden sollen. US-Konzerne, die sich in Europa diskriminiert fühlen, sollen künftig das Recht erhalten, Staaten vor einem internationalen Schiedsgericht zu verklagen. Europas Unternehmen würden in den USA das gleiche Privileg bekommen. Befürworter des Systems argumentieren, dass nur so ein wirkungsvoller Schutz für europäische Firmen in den USA gewährleistet werden kann. Kritiker sprechen hingegen von einer Paralleljustiz für Konzerne, die mit ihren Klagen unliebsame Entscheidungen bekämpfen können.

Tiefe Gräben

Das Schreiben der 14 verdeutlicht, wie tief die Gräben in der EU geworden sind. Während Großbritannien und Co sich für das Abkommen starkmachen, sind Österreich und Deutschland - beide haben den Brief nicht unterstützt - skeptisch bei den Sonderklagerechten. Insider berichten auch, dass Frankreich und Luxemburg kritisch sind.

Der Brief, der als Kopie auch an EU-Kommissionspräsident Jean Claude-Juncker geschickt wurde, ist auch deshalb ungewöhnlich, weil die Juncker-Kommission noch nicht einmal im Amt ist. Verständlich ist der Vorstoß allerdings: Juncker und Malmström hatten sich in den Anhörungen vor dem EU-Parlament kritischer zu TTIP geäußert, als ihre Vorgänger im Amt. Das Handelsblatt berichtete am Donnerstag sogar, dass in der Kommission ein Verzicht auf das Investorenschutz-Kapitel erwogen wird, um die öffentliche Unterstützung zu sichern. Die Befürworter der Vereinbarung wollen diesen Strömungen offener entgegentreten.

Die Gräben bei TTIP verlaufen allerdings nicht nur zwischen den Staaten. Auch innerhalb einzelner Länder gibt es Uneinigkeit über den Investorenschutz. In Österreich etwa sind ÖGB sowie Arbeiterkammer strikt gegen die Klagerechte und auch die SPÖ ist skeptisch. Das ÖVP-geführte Wirtschaftsministerium ist auf Expertenebene klar dafür und auch bei der Wirtschaftskammer WKO pocht man auf Schiedsgerichte.

"Nur Vorteile"

"Für unsere Unternehmen bieten die Klagerechte nur Vorteile, weil Firmen sich im Ernstfall effektiver schützen können", sagt die zuständige WKO-Expertin Bärbel Tasch. Für die USA käme ein Freihandelsabkommen ohne Investorenschutz schon grundsätzlich nicht in Frage, "da ist das Vertrauen in die europäische Gerichtsbarkeit nicht sehr groß".

Das Thema Investorenschutz betrifft übrigens nicht nur die USA. Die EU hat sich erst vergangene Woche auf ein Investitionsschutzabkommen mit Singapur geeinigt, das ebenfalls Sonderklagerechte enthält. Mit China und Japan laufen Gespräche, mit Kanada gibt es eine ausverhandelte, aber noch nicht ratifizierte Vereinbarung. (András Szigetvari, DER STANDARD, 24.10.2014)