Christoph Samwer: "Das Risiko ist aber natürlich da. Deswegen empfehlen wir allen unseren Anlegern, in möglichst kleinen Stücken zu investieren und ihre Anlagen auf verschiedene Projekte zu verteilen."

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Finanzierung durch den Schwarm: Crowd-lending, also Kredite von vielen Anleger an einen privaten Kreditnehmer sind im Trend. Nach Krise und Vertrauensverlust, suchen immer mehr Privatanleger nach der Alternative im Netz.

Foto: AP Photo/Ahn Young-joon

Der eine will ein Auto kaufen, der andere Geld anlegen. Bei Peer-to-peer-Krediten kommen die beiden zusammen, meist durch einen Vermittler im Internet. Die deutsche Kreditplattform Lendico ist seit Anfang des Jahres (derStandard.at hat berichtet) auch in Österreich aktiv. Im Juni gab auch die heimische Finanzmarktaufsicht (FMA) grünes Licht.

Anleger können ab 25 Euro investieren, Kreditnehmer von 1.000 bis maximal 25.000 Euro schwere Projekte finanzieren lassen. Vorausgesetzt, sie erfüllen die Kriterien, die Lendico aufgestellt hat. Von einem gesamten Volumen von 450 Millionen Euro an Kreditanfragen, wurden auf der Plattform nur zehn Prozent zu tatsächlichen Kreditangeboten. Lendico ist Teil des Internet-Imperiums von Rocket Internet, zu dem auch Zalando gehört. derStandard.at traf Christoph Samwer, einen der vier Gründer und Cousin der gleichnamigen Rocket-Internet-Gründer, zu einem Gespräch in Wien.

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derStandard.at: Seit März 2014 sind Sie in Österreich tätig, im Juni hat Lendico grünes Licht von der FMA bekommen. Haben Sie damit gerechnet?

Christoph Samwer: Wir wären nicht in den österreichischen Markt eingetreten, wenn wir uns nicht sicher gewesen wären, dass wir grünes Licht von der FMA erhalten. Wir hatten ja schon das Prüfsiegel der Bafin (deutsche Finanzaufsicht, Anm.). Wir möchten da kein Risiko eingehen, dass uns ein Regulator irgendwo sagt, so geht das nicht. Wir prüfen das sehr genau. Wenn ein schwarzes Schaf in diesem Sektor auftaucht, dann ist das ein Riesenproblem. In Österreich gab es ja so einen Fall 2009. Wir merken immer noch, wie unglaublich hemmend das ist. Sowohl auf der Anlegerseite, als auch bei den Institutionen, die anfangs nicht sehr kooperationsbereit waren.

derStandard.at: Wie groß schätzen Sie das Wachstumspotenzial in dem Markt ein?

Samwer: Wir sehen es bei unseren Vorbildern in den USA, die Wachstumsrate ist gewaltig. Da ging das Wachstum langsam los, und mittlerweile ist es riesig.

derStandard.at: Das Potenzial gibt es auch in Deutschland oder Österreich?

Samwer: Ja, in ganz Europa. Die Banken sind viel rigoroser in der Kreditvergabe und dabei ist so viel Geld auf dem Markt. Wenn Sie Ihr Girokonto überziehen, zahlen Sie zehn Prozent oder mehr an Zinsen. Auf dem Sparbuch kriegen Sie quasi nichts. Dazwischen ist viel Platz.

derStandard.at: Wir sind hier auf der Gewinnmesse. Wie reagieren eigentlich die Besucher und Privatanleger hier auf Lendico?

Samwer: Sie sind interessiert. Wir erklären, wie man anlegen kann, was man sieht. Die meisten fangen mit kleinen Beträgen an. Die Rückzahlung erfolgt jedes Monat, man sieht, wie hoch die Rendite ist. Man sieht immer mehr Projekte, die man spannend findet. Eigentlich ist es die traditionellste Anlageform, die es gibt, nämlich ein kreditgenossenschaftliches Modell auf digitaler Ebene. Bisher war das Banken vorenthalten.

derStandard.at: Wie viele Anleger haben Sie derzeit in Österreich?

Samwer: Insgesamt sind es rund 10.000, in Österreich müssten es ungefähr 15 Prozent davon sein.

derStandard.at: In Deutschland haben Sie ja mittlerweile durchaus mehr Anleger als Kreditnehmer. Sie betonen immer, dass ihre Kriterien sehr hart sind, und deswegen nur ein Bruchteil der Kreditanfragen in Projekten mündet. Wie bewerten Sie Kreditnehmer?

Samwer: Es gibt ein paar Vorfilter: Sind sie alt genug , also mindestens 18 Jahre, haben sie ein Einkommen. Danach fragen wir in Deutschland eine Schufa, in Österreich eine CRIF oder einen KSV an, so wie jede Bank auch und vergeben eine Bonität. Dazu sehen wir uns noch demografische Variablen an. Und wir sehen uns eine Haushaltsrechnung an. Wir wollen niemanden in Schulden treiben, deswegen sehen wir uns an, kann die Person es sich überhaupt leisten, einen Kredit zurückzuzahlen. Im Anschluss gibt es noch einen letzten Schritt, in dem wir uns noch am Kontoauszug oder am Gehaltsnachweis ansehen, ob irgendetwas nicht stimmt, ob falsche Angaben gemacht wurden.

derStandard.at: Wie lange dauert so eine Bewertung?

Samwer: Das Scoring geht sehr schnell. Für die Prüfung brauchen wir, wenn alle Unterlagen da sind, einen Tag.

derStandard.at: Wie viele Projekte wurden in Österreich oder Deutschland nicht finanziert?

Samwer: Es sind insbesonders die größeren Anfragen, ungefähr zehn Prozent der 25.000-Euro-Anfragen werden nicht finanziert. Das liegt vor allem daran, dass die Anforderungen von Anlegern und Kreditnehmern unterschiedlich sind. Der Anleger will kleine Tickets und kurze Laufzeiten, der Kreditnehmer will große Tickets und lange Laufzeiten. Da spießt es sich.

derStandard.at: Wäre es eine Variante, für größere Kredite auch institutionelle Anleger oder Banken zu holen, um es auszufinanzieren?

Samwer: Das ist sicher eine Variante. Wir haben aber auch Großanleger, die bis 500.000 Euro investiert haben. Die kann man dann fragen, ob sie in so ein Geschäft auch einsteigen wollen.

derStandard.at: Gehen Sie auf diese Investoren aktiv zu?

Samwer: Ja, zu denen haben wir eine sehr enge Beziehung.

derStandard.at: Wie hoch ist die Ausfallsrate bei Lendico? Wie viele Kredite werden nicht bedient?

Samwer: In Österreich hatten wir bisher keine Ausfälle. Wir wissen aber, dass Ausfälle kommen werden und sind deswegen sehr vorsichtig.

derStandard.at: Für mich als Anleger: Wenn ein Kredit ausfällt, ist das Geld weg, oder?

Samwer: Ein Teil des Geldes ist weg. Typischerweise fallen Kredite frühestens nach neun bis zwölf Monaten aus. Das heißt, für den Anleger wurde immer ein Teil des Kredits schon getilgt. Plus wir versuchen mit unserem Forderungsmanagement, weiteres Geld einzuholen. Wenn das nicht gelingt, verkaufen wir die Forderung an ein Inkassobüro und kriegen auch dort noch etwas zugunsten der Anleger. Das heißt, es ist nie ein Totalverlust. Das Risiko ist aber natürlich da. Deswegen empfehlen wir allen unseren Anlegern, in möglichst kleinen Stücken zu investieren und ihre Anlagen auf verschiedene Projekte zu verteilen. Man kann ab 25 Euro investieren. Wenn man 1.000 Euro anlegen will, könnte man das in 40 Projekte teilen. Wenn da eines ausfällt, merkt man das fast gar nicht, weil die Zinsen der anderen Kredite das kompensieren.

derStandard.at: Gibt es noch weitere Expansionspläne?

Samwer: Vor kurzem sind wir in den Niederlanden gestartet. Wir schauen uns gerade auch Südafrika an, genauso Länder in Asien und Lateinamerika. (Daniela Rom, derStandard.at, 21.10.2014)