Ich weiß nicht, ob esverr auch anderen wirtschaftsliberal denkenden Zusehern so ging. Aber bei dem recht schwachen Auftritt von Neos-Chef Matthias Strolz im ersten ORF-Sommergespräch habe ich mir ständig gewünscht, dem Interviewten bessere Antworten ins Ohr flüstern zu können.

So etwa auch bei der Frage von Peter Resetarits, ob das Neos-Parteiprogramm tatsächlich fordert, dass alle unbefristete Mietverträge kurzfristig gekündigt werden können.

Strolz wies darauf hin, dass dieser Programmpunkt von den Jung-Neos (Junos) stammt und er sich damit nicht identifiziert. Das war schon richtig, denn dieser Vorschlag ist übermütig, unvernünftig und unrealistisch.

Es herrscht Handlungsbedarf

Aber es ist schade, dass Strolz die Problematik von Altmietverträgen dann nicht angesprochen hat. Denn hier herrscht akuter Handlungsbedarf.

Auch wenn der historische Friedenszins immer seltener wird, leben hunderttausende Menschen in großen, manchmal sogar luxuriösen Wohnungen mit ganz geringen Mieten.

Wer für 80 Quadratmeter in guter Lage heute 200 Euro zahlt oder für 160 Quadratmeter in der Wiener Innenstadt 500 Euro, ist nicht nur ein Glückspilz, sondern die Quelle eines echten gesellschaftliches Problems. Solche unrealistische Mieten sind nicht nur ungerecht, sie verschärfen auch die Wohnungsnot.

Man bleibt in zu großen Wohnungen sitzen

Menschen mit solchen Altmieten - oft Witwen oder ältere Ehepaare - bleiben in viel zu großen Wohnungen sitzen und verringern damit das Wohnraumangebot für die, die es brauchen könnten - Familien mit mehreren Kindern etwa.

Altmieter zahlen oft so wenig, dass die Häuser oft gar nicht erhalten werden können - von einem Gewinn für die Hauseigentümer gar nicht zu sprechen. Daraus entstehen dann Fälle wie die Mühlfeldgasse 12, wo Altmieter mit illegitimen Mitteln vertrieben werden sollten.

Aus für Eintrittsrechte

Anstelle von Strolz würde ich zwei Vorschläge zur Linderung dieses Problems machen:

Erstens sollten alle Eintrittsrechte in Altmieten, abgesehen von Ehe- und Lebenspartnern, gestrichen werden, bzw. wie heute schon bei Geschäften sollen die Mieten in diesem Fall an das marktübliche Niveau angepasst werden.

Es gibt keinen Grund, dass Kinder, Enkel, Neffen oder Nichten solche Billigmieten übernehmen und sich ein ungerechtfertigtes Privileg um noch ein paar Jahrzehnte verlängert. Das wäre zwar ein Eingriff in gültige Verträge, aber ließe sich per Gesetz problemlos bewerkstelligen.

Prinzip des "Laesio enormis"

Weiters aber sollte man auch überlegen, ob nicht bestimmte Billigmieten direkt angehoben werden können. Es gibt in der Rechtsprechung das Prinzip des „Laesio enormis“ (Verkürzung über der Hälfte), das besagt, dass Verträge ungültig sind, wenn etwa ein Verkäufer nicht einmal die Hälfte des wahren Wertes seiner Ware erhält. Warum soll das nicht für Mieten gelten?

Wenn man die Richtwertmieten als Maßstab nimmt, könnte man per Gesetz bestimmen, dass nach einer Übergangsfrist von vielleicht fünf Jahren alle Mieten zumindest die Hälfte einer ordentlichen Richtwertmiete - bei Berücksichtigung von Eigeninvestitionen - betragen müssen. Damit könnten zumindest die eklatantesten Fälle von zu niedrigen Mieten korrigiert werden.

Ob das vor dem Verfassungsgerichtshof halten würde, kann ich nicht sagen. Aber es wäre gerechter als das jetzige System, das die Gesellschaft in jene unterteilt, die ganz wenig für das Wohnen zahlen müssen, und andere, die es sich kaum leisten können.

Die politische Diskussion darüber muss jemand anstoßen - wenn nicht die Neos, dann jemand anderer. (Eric Frey, derStandard.at, 14.8.2014)