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IS-Kämpfer auf einer Archivaufnahme von Anfang Juli in der Provinz Raqqa

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Kämpfer der kurdischen Peschmerga-Milizen bei Kämpfen gegen Extremisten der IS

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Fabius berät in Bagdad über Kampf gegen IS-Jihadisten.

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Bagdad - Die irakische Regierung hat der Islamisten-Gruppe Islamischer Staat (IS) Massenmord an den Jesiden im Norden des Landes vorgeworfen. Der Minister für Menschenrechte, Mohammed Schia Al-Sudani, erklärte am Sonntag, die Extremisten hätten Angehörige der religiösen Minderheit lebendig in Massengräbern begraben, darunter auch Kinder.

Mindestens 500 Jesiden seien zudem getötet sowie etwa 300 Frauen versklavt worden, sagte Sudani der Nachrichtenagentur Reuters. Angesichts der militärischen Erfolge der radikalen Sunniten bat die autonome kurdische Regierung die Staatengemeinschaft um Waffen. Auch in Deutschland entbrannte eine Diskussion über militärische Hilfe für die Kurden.

Zehntausende auf der Flucht

Im Norden des Irak sind Zehntausende Jesiden auf der Flucht vor den radikalislamischen IS-Kämpfern und haben im Sindschar-Gebirge Zuflucht gesucht. Die Islamisten bezeichnen die Jesiden als Teufelsanbeter. Sie hatten nach der Eroberung der Stadt Sindschar 300 Familien aufgefordert, bis Sonntag zum Islam zu konvertieren. Andernfalls würden sie sterben. Es war zunächst unklar, ob sich Sudanis Angaben auf diese Jesiden bezogen.

Der Minister berief sich auf Dutzende Berichte von Flüchtlingen über die Gräueltaten sowie auf Fotos. "Einige der Opfer, darunter Frauen und Kinder, wurden in verstreuten Massengräbern in und um Sindschar lebendig begraben", sagte er per Telefon.

Appelle an internationale Staatengemeinschaft

Der Islamische Staat habe auch mindestens 300 jesidische Frauen als Sklavinnen entführt. Einige würden in einer Polizeiwache der Stadt gefangengehalten, andere seien nach Tal Afar verschleppt worden. "Wir haben Angst, dass man sie außerhalb des Landes bringen wird." Sudani rief die Welt auf, dem Islamischen Staat den Krieg zu erklären "um den Völkermord und die Gräueltaten gegen Zivilisten zu beenden".

Die Jesiden waren von kurdischen Kämpfern beschützt worden, die sich allerdings vor den anrückenden IS-Einheiten zurückzogen. Der Präsident der autonomen Kurdenregion, Massud Barsani, forderte am Sonntag nach einem Treffen mit dem französischen Außenminister Laurent Fabius die Staatengemeinschaft auf, seine kurdische Peschmerga-Miliz mit Waffen zu versorgen. "Wir kämpfen hier nicht gegen eine Terror-Organisation", erklärte er. "Wir kämpfen gegen einen Terror-Staat."

Peschmerga wird mit Munition versorgt

Die irakische Regierung hat nach US-Angaben damit begonnen, die Peschmerga mit Munition zu versorgen. Die US-Regierung sei mit der irakischen Regierung bemüht, weitere Anfragen der Kurden-Regierung etwa nach Sturmgewehren und Mörsern so schnell wie möglich zu erfüllen, hieß es in US-Regierungskreisen.

Auch in Deutschland wurde der Ruf nach Waffenlieferungen an die Kurden laut, um diese im Kampf gegen die vorrückenden Islamisten zu unterstützen. "Die Islamisten verfügen über moderne Waffen aus den eroberten irakischen Militärlagern, die Kurden sind dagegen hoffnungslos unterlegen", sagte der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), August Hanning, der "Bild am Sonntag". Die Bundesregierung sollte den Kurden daher sofort moderne Waffen zur Selbstverteidigung zur Verfügung stellen.

USA fliegen weitere Luftangriffe

Die USA fliegen seit Freitag unter dem Hinweis auf einen drohenden Völkermord vereinzelnde Luftangriffe auf Ziele der IS. Unter der Deckung von US-Luftangriffen haben die Kurden nach eigenen Angaben zwei Orte von den Kämpfern der IS zurückerobert. Die IS sei aus Guwair und Machmur vertrieben worden, sagte ein kurdischer Regierungsvertreter. Allerdings werde es noch dauern, bis die Wende in dem Konflikt erreicht sei.

Präsident Barack Obama hat den Einsatz von Bodentruppen allerdings ausgeschlossen und die Bildung einer Regierung in Bagdad gefordert, die alle Bevölkerungsgruppen einschließt. Vor seinem Abflug in den Urlaub stimmte er am Samstag die amerikanische Bevölkerung auf einen längeren Militäreinsatz im Irak ein. Das Problem könne nicht in wenigen Wochen gelöst werden.

Wie Obama rief auch Fabius die irakische Führung auf, eine Regierung unter Einbeziehung aller Volksgruppen zu bilden. "Alle Iraker müssen spüren, dass sie von der Regierung vertreten werden, um den Kampf gegen den Terrorismus aufzunehmen." Im Irak herrscht seit der Wahl im April ein politisches Patt. Kritiker werfen dem schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki vor, die Sunniten zu benachteiligen und damit dem Aufstand der IS den Boden zu bereiten.

Der Irak-Konflikt strahlt indes auch nach Österreich aus. In sozialen Netzwerken riefen Extremisten zuletzt mehrfach zur "Jagd auf Jesiden" in Wien auf. Vergangene Woche hatte es bei Zusammenstößen im deutschen Herford mehrere Verletzte gegeben.

In Rom zeigte sich Papst Franziskus erschüttert über die Vorgänge im Irak. "All das beleidigt Gott und die Menschheit schwer", erklärte er nach dem traditionellen Angelusgebet auf dem Petersplatz in Rom. "Man macht nicht Krieg im Namen Gottes", rief er den Gläubigen zu. Der Papst kündigte an, am Montag einen Gesandten in den Irak zu schicken. (APA/Reuters, 10.8.2014)