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Flyer: Malmoe
Im Sommer 2000 hieß es erstmals: "Gute Seiten - Schlechte Zeiten". Erst vor kurzem wurde dieses 'Motto' der österreichischen Zeitschrift Malmoe, das von jeder Titelseite prangte, durch "Sensationsjournalismus für Fortgeschrittene" ersetzt. "Auch die kritischsten KritikerInnen brauchen mal ein bisschen Abwechslung", begründet die Redaktion. - Dieser Tage erscheint das 25. Heft der Zeitschrift, das in seiner Nullnummer postulierte, "neue Ausdrucksformen und Blickwinkel zu propagieren". Weiters erklärte Malmoe dort: "Politik bekommt Unterhaltungswert, Entertainment wird politisch". Und ergänzte in den Zeiten der noch sehr jungen schwarz-blauen 'Wende' passend: "Globale Umbrüche und schwarzblaue Zustände erfordern neue Orte der Öffentlichkeit."

Ihr Jubiläum begehen die Malmoes mit einer Art Frühlingsfest mitten im Winter. Aber bevor man bei "25 - das Fest" - vermutlich auf Schneeflocken - dem Frühling entgegentanzte, wurde am Podium die Frage diskutiert: "Wo sind heute Kritik und Protest noch möglich?". Das wollten auch wir wissen und baten die Redaktion [Anm.: noch vor dem Fest am 10.3.] für fünf Fragen zum E-Mail-Interview.


derStandard.at: "5-Jahresplan erfuellt - eine Viertelmillion Zeitungsexemplare, 5000 Druckfehler, 300 Redaktionssitzungen, 0 Honorare", schreibt ihr resümierend? Gibt es auch andere Erfolgserlebnisse, die es zu feiern gilt? Was habt ihr erreicht?

Redaktion Malmoe: Nun, fette Bilanzgewinne können wir keine vorweisen – glücklicherweise haben wir auch keine AktionärInnen, die danach fragen. Unser "Unternehmen" zielt eher auf eine Verschiebung der Diskursbilanz in den gesellschaftlichen Bereichen, in denen wir uns aufhalten. Als Erfolgsindikator ist mit einer solchen Strategie vermutlich weniger die Anzahl der Leute zu werten, die uns auf die Schulter klopft (so schön das auch ist), als die Negativreaktionen und Hate-Mails, die wir erhalten und sich als Indikator für gelungene Verstörung interpretieren lassen. Unser Publizieren gegen Ver-kreativwirtschaftlichung der Stadt, die Entpolitisierung von Subkultur und medialen Rassismus auch in so genannten Alternativmedien sind in dieser Hinsicht sicher als Highlights zu nennen.

derStandard.at: Malmoe entwickelte sich aus den allgemeinen Protestbewegungen zu Schwarz-Blau im Jahr 2000. Wenn Schwarz-Blau irgendwann "stirbt", ist das auch das Ende von Malmoe?

Malmoe: Das stimmt nicht ganz, die Planung von Malmoe hat bereits 1999 angefangen, und ist aus dem Wunsch entstanden, der "New Economy" etwas entgegenzusetzen. Damals wurden subkulturelle Bereiche mit vormals gesellschaftskritischen Bezügen einem "Umcodierungsversuch" unterzogen – Dissidenz und Individualität, Slacker und Riot Girl wurden plötzlich als Role Models für Start up-Jungunternehmertum umworben. Bei Malmoe haben sich Leute aus den unterschiedlichsten Bereichen – JournalistInnen, Popkultur-Menschen, Theoriefans und AktivistInnen – gefunden, um gegen diese Verspießerungs- und Funktionalisierungsoffensive eine emanzipatorische Codierung stark zu machen.

Dass dann 2000 Schwarz-Blau und die Bewegung dagegen gekommen ist, in der der oben angeführte Kampf mit dem Schüssel-Labeling der "Internetgeneration" (Anm.: ein Begriff unter dem Schüssel 2000 die gegen die Regierung demonstrierenden ÖsterreicherInnen zusammenfasste) nochmals akzentuiert wurde, hat uns dann einen unerwarteten Rückenwind gegeben. Durch die Bewegungs-Aktivitäten hat sich die Funktion von Malmoe als Diskursplattform für die diversen aktiven Kräfte ergeben, was der Zeitung und den AktivistInnen genützt hat. Um also auf die Frage zurückzukommen: Was uns in unserem Schreiben bewegt, verschwindet leider nicht mit Schwarz-Blau.

derStandard.at: "MALMOE ist ein Ort in Österreich, an dem die Kräfte für die Wende gesammelt werden.", heißt es in eurem Impressum. Wieviel Kräfte und Energie gibt es noch: Die Donnerstagsdemo ist tot, vielerorts scheint man sich mit der Regierung einer ÖVP-FPÖ-Koalition abgefunden oder arrangiert zu haben...?

Malmoe: Große Protestbewegungen sind in den Industriestaaten in den letzten Jahrzehnten erfahrungsgemäß fast immer etwas von relativ kurzer Dauer, die Mühlen des normalisierenden Alltags sind einfach zu stark. Insofern ist es nicht sehr überraschend oder Anlass zu großer Niedergeschlagenheit, dass nicht mehr dauernd Protest zu sehen ist. Und natürlich arbeitet diese Regierung wie jede Regierung daran, den Rückhalt für ihre Ideen zu verbreitern. Zum einen, indem sie Infrastrukturen ihrer GegnerInnen zerschlägt (das reicht von der Privatisierung staatlicher Betriebe bis zum Subventionsentzug für feministische Projekte), zum anderen indem sie an Diskurshoheit arbeitet. Vielfach ist zu beobachten, dass heute Sachen als salonfähig gelten, die vor Jahren noch undenkbar gewesen wären – die Jubelfeiern 2005 sind dafür ein gutes Beispiel. Den Masterplan dagegen haben wir auch nicht, aber nachdem Diskurse heute stark medienvermittelt sind, glauben wir, dass unsere Arbeit über ein Medium Sinn macht. Und dass viele Leute das lesen wollen, macht uns sicher, dass es mit der totalen rechten Diskurshoheit (noch) nicht so weit ist.

derStandard.at: "Wo sind Kritik und Protest heute noch moeglich?", fragt ihr verschiedene Podiumsteilnehmer auf eurem 5 Jahres-25 Ausgaben-Fest. Was sagt Ihr selbst dazu?

Malmoe: Anlass für die Frage sind zwei Dinge: Erstens dient die Diskussion einer Selbstvergewisserung und Standortbestimmung: Unter welchen Bedingungen macht es Sinn, zu versuchen, in Mainstream Medien reinzukommen, und unter welchen ist es vielversprechender, sich eigene, selbstverwaltete mediale und physische Räume zu erkämpfen, wie Malmoe einer ist. Der zweite Anlass ist, dass im Moment in Wien der Platz für Freiräume immer enger zu werden scheint – das Schicksal von EKH und Echo ist hier nur die Spitze des Eisberges. Das wollen wir thematisieren.

derStandard.at: Was für Ziele hat Malmoe für die nächsten 25 Ausgaben?

Malmoe: Unser Ding war immer: Uns gibt es, solange Leute, die mit dem Projekt zu tun haben wollen, glauben, dass sie etwas Relevantes zu sagen haben, und wir es schaffen, das Geld dafür aufzustellen, dass es auch gedruckt wird. Ein Selbstverwirklichungsprojekt für neurotische SelbstdarstellerInnen werden wir nicht werden. Ob das bis Nummer 50 reicht, werden wir sehen. (kafe)