Libération erlebt das "Ende eines einzigartigen Zeitungsabenteuers", wie sich ein Redakteur ausdrückt. Das Personal des 1973 von Jean-Paul Sartre mitbegründeten Linksblattes stimmte vor wenigen Tagen knapp dafür, 37 Prozent des Kapitals an den Pferderenn-Unternehmer Edouard de Rothschild zu übertragen. Die Gewerkschaften CGT und SUD waren gegen die Aufgabe der Eigenkontrolle, während der französische Journalistenverband SNJ ein "Ja der Vernunft" empfahl. Von den 252 Redakteuren stimmten 161 mit Ja.

Rothschild, ein Vertreter der bekannten Bankiersfamilie, schießt nun 20 Millionen Euro zu, um die Zeitung zu retten. "Libé" ist hoch verschuldet, die Auflage unter 150.000 gesunken. Rothschild war aber einverstanden, dass die Mitarbeiter die in den Statuten vorgesehene Sperrminorität von 33,4 Prozent der Stimmrechte behalten.

Nicht nur Libération verliert die Kontrolle über die eigene Zeitung. Le Monde sucht ebenfalls nach Kapitalgebern. Der Versuch von Herausgeber Jean-Marie Colombani, aus dem Renommierblatt einen eigentlichen Medienverlag zu machen und zahlreiche Titel wie Midi Libre, Télérama oder Vie Catholique zu kaufen, erwies sich als zu ehrgeizig. 2004 dürfte das schlimmste Verlustjahr der nach dem Krieg gegründeten Vordenkerzeitung geworden sein; Experten erwarten, dass die Schulden um 30 auf rund 120 Millionen Euro ansteigen.

Ende der redaktionellen Autonomie

Gern einkaufen würde sich bei Le Monde der Pariser Rüstungs-, Luftfahrt- und Medienkonzern Lagardère. Einzelne Redakteure sträuben sich zwar gegen den Einstieg des "Kanonenhändlers" Arnaud Lagardère. Doch ihr Wortführer, der angriffslustige ex-trotzkistische Chefredakteur Edwy Plenel, musste schon zu Jahresende den Hut nehmen. Unter seinem Nachfolger Gérard Courtois wurden bereits zwei Drittel der Ressortchefs ausgewechselt.

Die redaktionelle Autonomie, ein altes Markenzeichen Pariser Tageszeitungen, geht damit ihrem Ende entgegen. Ein Rüstungshersteller übernahm letztes Jahr schon Le Figaro, der wie Le Monde auf eine Auflage von knapp 340.000 kommt. Serge Dassault, mit 70 Zeitungstiteln der neue Medienzar Frankreichs, steckt Millionen in das konservative Traditionsblatt. Er wurde Ende 2004 als Kandidat der konservativen Regierungspartei UMP in den Senat gewählt. Das Verfassungsgericht erachtete dies als zulässig, obwohl Medienjuristen Parallelen zu der politisch-medialen Machtkonzentration in Italien unter Premier Silvio Berlusconi hergestellt hatten. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD; Printausgabe, 25.1.2005)