Sicherlich, man kann zu allen Zeiten über symbolische Handlungen der Politik diskutieren. Ganz besonders dann, wenn politische Handlungen die Betroffenheit im Angesicht unsäglicher menschlicher Katastrophen zum Ausdruck bringen sollen. All die abgebrühten und coolen Argumente, wonach menschliche Betroffenheit, Mitgefühl und Empathie entstandenes emotionales und materielles Leid nicht lindern helfen, sind nicht grundsätzlich falsch.

Weder hat der Kniefall Willy Brandts die deutsche Verantwortung für den Holocaust verwischt, noch hat der Handschlag von Fran¸cois Mitterand mit Helmut Kohl die Schrecken des Weltkrieges relativiert oder Franz Vranitzkys Besuch bei den Familien der Terror-Opfer in Oberwart das Verbrecherische dieses Anschlages aus der Welt schaffen können. Doch zeigen derartige Handlungen eine Haltung, die Respekt und angemessene Anteilnahme gegenüber dem Schicksal der Betroffenen anzeigt.

Hartleibig und abwegig

Es waren auch diese Überlegungen, die es der österreichischen Bundesregierung 1991, also angesichts des Golfkrieges, nicht ratsam erscheinen ließ, ungerührt und unbeeindruckt den traditionellen Opernball, den Staatsball der eines eigenen Ministerratsbeschlusses bedarf, durchzuführen. Wir wollten damals unter Führung Kanzler Vranitzkys ein Zeichen setzen, dass wir angesichts massiver Zerstörung und massenhaften Todes nicht einfach zur Tagesordnung übergehen wollen. Eine Entscheidung, die SPÖ und ÖVP damals ganz bewusst und, wie ich glaube, verantwortungsvoll getroffen haben (auch der seinerzeitige Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel hat diese Entscheidung mitgetragen).

Die Dimensionen menschlichen Leides nun in Wettbewerb gegeneinander treten zu lassen, ist zwar möglich, ethisch allerdings höchst anzweifelbar. Wer immer sich nun als Buchhalter menschlichen Leides profilieren will, die Dimensionen der jetzigen Flutkatastrophe übersteigen doch wohl alle Vorstellungskräfte. Jetzt so zu tun, als sei der Diskussionsvorschlag des SPÖ-Vorsitzenden, den Staatsball aufgrund dieses herausragend traurigen Ereignisses abzusagen und die lukrierten Eintrittsgelder für die Opfer der Flutkatastrophe zu spenden, geradezu abwegig, muss einigermaßen verstören. Noch dazu wenn sich gerade ein Theologe (Hermann Major) und ein Künstler (Miguel Herz-Kestranek) zu derartig hartleibigen Äußerungen hergeben. Was die beiden Herren zu solcher Unbarmherzigkeit motiviert hat, bleibt wohl für immer rätselhaft. Und wenn Letzterer dann gar "roten Rassismus" ortet, wird diese Doppelpackung der Standard- Kommentarabteilung vollends ungenießbar und inakzeptabel. Woher immer der betreffende Herr seine moralische Legitimation für derartige Hass-Attacken hernehmen mag, die österreichische Sozialdemokratie hat aufgrund ihrer Geschichte keine Belehrungen und Unterweisungen in Sachen humanitären und menschenrechtlichen Engagements notwendig.

Die Tsunami-Katastrophe macht die ganze Welt sprach- und hilflos. Man kann seriös darüber debattieren, wie man seitens der Politik mit dieser Explosion des Schmerzes angemessen umgeht. Kleinliche Agitation oder gar bösartige Unterstellungen sollten allerdings in einer derartigen Auseinandersetzung unterbleiben. Es geht wohl auch darum, Würde und Respekt in Ausnahmesituationen zu wahren. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2005)