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Verzinkungsanlage der Voestalpine in Linz: Die Kosten sind hoch.

Foto: APA/Barabara Gindl

Wien - Österreich ohne Voest, das wäre wie Deutschland ohne Thyssen-Krupp oder Frankreich ohne Saint-Gobain: ein Land, dem die industrielle Basis und somit eine wichtige Quelle für breit angelegten Wohlstand fehlen würde.

Was sich derzeit noch niemand so recht ausmalen will, könnte relativ schnell Realität werden. Nämlich dann, wenn Europa nicht einen anderen, weniger ambitionierten Weg in der Energie- und Klimapolitik einschlägt. Darauf hat am Osterwochenende der Vorstandsvorsitzende des Stahlkonzerns Voestalpine, Wolfgang Eder, in pointierter Form hingewiesen.

In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstagsausgabe) wies Eder auf die viel besseren Rahmenbedingungen hin, die es in Nordamerika im Vergleich zu Österreich und Resteuropa gebe. Deshalb erwäge man auch, Kapazitäten abzuziehen. "Das ist keine Drohung, sondern einfach eine Anwendung der Grundrechnungsarten im globalen Wirtschaftsgeschehen", sagte Eder.

Der Voest-Chef macht dies an einem Beispiel deutlich. In etwa zehn Jahren würden eine Kokerei und zwei Hochöfen in Linz das Ende der Lebensdauer erreichen. In etwa fünf Jahren müsse eine Entscheidung bezüglich Ersatzanlagen fallen. Eder: "Wir müssen uns dann die grundsätzliche Frage stellen, was langfristig der richtige Standort ist."

Eder ist beileibe nicht der einzige, aber einer der prononciertesten Kritiker der Energie- und Klimapolitik, wie sie die EU betreibt. Als Präsident des europäischen Stahlverbandes Eurofer, dem Eder noch bis Juni als Präsident vorsteht, spricht der Voest-Chef auch, aber nicht nur in eigener Sache.

Es gibt derzeit so gut wie niemanden aus der energieintensiven Industrie Europas, der nicht in den Klagechor über hohe und weiter steigende Kosten einstimmt. Das zeitliche Zusammentreffen von tiefen Energiepreisen in Nordamerika und der Festschreibung der europäischen Energie- und Klimapolitik nach 2020 ist zwar ein Zufall, kommt aber gelegen.

Schlechtes Klima wegen Klima

Das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs aus den 28 EU-Ländern Ende März in Brüssel, bei dem ursprünglich Länge mal Breite über die künftige Energie- und Umweltpolitik in Europa gesprochen werden sollte, war durch die Ukraine-Krise überschattet. Die Entscheidung über die Höhe der Klima- und Energieziele für 2030 soll erst im Oktober fallen. Ein Weltklimaabkommen wird nächstes Jahr in Paris erhofft.

Die EU-Kommission hatte zuvor eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 40 Prozent bis zum Jahr 2030 (gemessen an 1990) als europaweit anzustrebendes Ziel vorgeschlagen. Der Anteil erneuerbarer Energie sollte von 20 (2020) auf 27 Prozent steigen, allerdings ohne verbindliche Verpflichtungen für die einzelnen Mitgliedsländer.

Während Umweltgruppen inklusive des Umweltministers Andrä Rupprechter (VP) den auf dem Tisch liegenden Kompromiss als enttäuschend bezeichneten, war es wieder Eder, der die Auswirkungen auf "sein" Unternehmen mit Zahlen zu untermauern suchte: Allein auf den Voest-Konzern kämen bei Festschreibung des 40-Prozent-Minderungsziels in der Periode 2021 bis 2030 jährliche Mehrkosten von rund 230 Millionen Euro zu. Die Rechnung gehe wie folgt: Voestalpine müsste für etwa die Hälfte ihrer Emissionen Zertifikate zukaufen - in Summe etwa 58 Millionen Stück. Bei einem prognostizierten Preis von 40 Euro je Tonne CO2 wären das 2,3 Milliarden Euro für die gesamte Periode oder eben 230 Millionen pro Jahr.

Laut Eder äugen viele Unternehmen nicht nur wegen der niedrigen Energiepreise, die wegen der umstrittenen Förderung von Öl und Gas aus Schiefergestein (Fracking) stark gefallen sind, über den Atlantik. In Europa seien auch die Personalkosten um 30 Prozent höher, Grundstücke seien sogar 20-mal so teuer, von steuerlichen Aspekten ganz zu schweigen. Voestalpine eröffnet heute, Dienstag, ein Werk für Auto-Chassis-Teile im US-Bundesstaat Georgia - und hofft auf Einsicht in Europa. (Günther Strobl, DER STANDARD, 22.4.2014)