Im TV waren U-Ausschüsse bisher nicht zu sehen. Künftig könnte sich das ändern.

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Wien - Die ÖVP will ihre Zustimmung zum U-Ausschuss als Minderheitenrecht von anderen Einschränkungen abhängig machen: So soll die Redezeit der Opposition eingeschränkt werden, es sollen nie zwei U-Ausschüsse auf Minderheitenantrag gleichzeitig stattfinden, in den sechs Monaten vor einer Wahl soll es gar keinen Ausschuss geben dürfen. Das gab ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka am Dienstag vor Journalisten bekannt.

Weiter kein Hypo-U-Ausschuss

Einig ist sich die ÖVP mit der Kanzlerpartei SPÖ bereits in wichtigen Punkten: So müsse ein Thema bereits juristisch ausreichend "abgeschlossen" sein, um überhaupt für einen U-Ausschuss in Frage zu kommen, heißt es aus der Koalition. In der Hypo-Affäre sei das beispielsweise in der Frage der Kärntner Landeshaftungen und der Notverstaatlichung der Fall, die Bad-Bank-Lösung sei jedoch noch nicht reif für einen U-Ausschuss, sagt Lopatka. Trotz ausreichender "Abgeschlossenheit" bestimmter Hypo-Kapitel werde es auch zu diesen Themen vorerst keinen U-Ausschuss geben - zuerst müsse die politische Verantwortung in der Untersuchungskommission unter Ex-OGH-Präsidentin Irmgard Griss geklärt werden, so Lopatka. Sollte die Kommission zum Schluss kommen, dass ein U-Ausschuss vonnöten sei, werde man dem nichts entgegensetzen.

Wann ein Thema "abgeschlossen" und damit ausschussreif ist, müsse erst mit dem Justizministerium diskutiert werden. Dass ein anhängiges Ermittlungsverfahren zum betreffenden Gegenstand bereits abgeschlossen ist, sei jedenfalls nicht generell erforderlich, sagt Lopatka - man müsse das im Einzelfall diskutieren. Es gehe aber nicht an, "dass ein Ermitttlungsverfahren behindert wird, weil ein Beschuldigter heikle Informationen schon aus dem  U-Ausschuss weiß". 

Bannfrist vor Wahlen

Einigkeit in der Koalition besteht auch in Sachen Zeitbeschränkung: Laut ÖVP-Modell soll ein U-Ausschuss mit neun Monaten befristet sein, eine einmalige Verlängerung auf zwölf Monate soll auf Antrag möglich sein, auch die SPÖ hatte zuvor von einem Ausschuss-Ende nach einem Jahr gesprochen. Die Grünen sind dagegen - sie sehen im Zeitlimit eine "Aufforderung zur Zeugenflucht", wie Peter Pilz es im "Kurier" formulierte. Die Schwarzen fordern darüber hinaus eine Bannfrist von sechs Monaten vor jedem Nationalratswahltermin.

Weniger Redezeit für Opposition

Die ÖVP spricht sich auch für eine Anpassung des Redezeitmodells an das Nationalratsplenum aus: Künftig sollen somit nicht mehr alle Parteien gleich viel Zeit haben, die Redezeit soll sich nach der Fraktionsstärke bemessen. Was die SPÖ zu dieser Änderung sagt, ist nicht bekannt - man wolle "Verhandlungen nicht vorgreifen", hieß es dazu auf derStandard.at-Anfrage.

VfGH soll in Streitfällen entscheiden

Welche Zeugen geladen und welche Akten beigeschafft werden, soll laut ÖVP-Konzept - auch auf Oppositionsantrag - mehrheitlich beschlossen werden, im Streitfall solle der Fall zum Verfassungsgerichtshof wandern, der dann im Eilverfahren entscheide. Hier fehlt den Schwarzen noch die Zustimmung der Roten: Die SPÖ hat sich für einen Weisenrat ausgesprochen, der über Streitsachen richten soll, nur im Ausnahmefall solle der VfGH befasst werden.

Differenzen in der Koalition gibt es auch beim U-Ausschuss-Vorsitz: Die SPÖ will, dass weiterhin ein Parlamentarier den Ausschuss leitet, die ÖVP wünscht sich "eine rechtskundige Person" - also beispielsweise einen Richter oder eine Richterin. Laut ÖVP-Modell soll zu Beginn jeder Gesetzgebungsperiode eine Liste von Rechtskundigen festgelegt werden, im Einzelfall werde dann aus dieser Liste gewählt, wobei die Wahl auch mit Losentscheid erfolgen könne.

Live im TV, ...

Ein klares Ja kommt von Lopatka zur Frage, ob Sitzungen des U-Ausschusses im Fernsehen live übertragen werden sollen. Rund um den Korruptions-U-Ausschuss im Jahr 2012 wurde dieser Vorschlag bereits einmal diskutiert. Vor allem die Oppositionsparteien waren dafür, aber auch von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer kamen positive Signale.

... aber Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall

Die ÖVP will im Gegenzug festlegen, dass die Öffentlichkeit vom U-Ausschuss ausgeschlossen wird, wenn "Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich der Auskunftsperson oder von Dritten erörtert werden". Was das bedeute? Lopatka nennt ein Beispiel: "Wenn ein geschiedener Partner über seinen Ex-Partner aussagen soll, kann man das überlegen." Politiker und Politikerinnen seien davon jedenfalls ausgenommen. Klar sei aber, dass Themenbereiche, die in nichtöffentlicher Sitzung besprochen wurden, auch nicht verwertet werden dürfen.

Auch die Grünen haben Anfang April ihr Modell für eine U-Auschuss-Reform vorgelegt. In der Frage des Ausschussvorsitzes sind sie sich einig mit der SPÖ, die ebenfalls den Vorsitz nicht an eine externe Person abgeben will.

Ganz unabhängig davon, ob die Reform zum U-Ausschuss wie von der Regierung angekündigt noch bis zum Sommer umgesetzt wird, glaubt der grüne Finanzsprecher Werner Kogler an eine Einsetzung des parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Causa Hypo Alpe Adria "bis zum Herbst, jedenfalls noch vor Weihnachten". Die Abgeordneten der Regierungsparteien würden den Druck aus den Wahlkreisen nicht länger aushalten, sagt Kogler.

Außerdem forderte er SPÖ und ÖVP auf, an der Gesetzesnovelle nicht "ewig herumzudoktern". Sollte es bei den entsprechenden Verhandlungen zu Verschleppungen kommen, will Kogler das "öffentlich machen und Druck aufbauen". Er sei jedoch "relativ optimistisch", dass die Reform zustande kommt.  

Kogler: "Es kann kein fixes Ende geben"

Lopatkas Vorstoß, künftig Bild- und Tonaufnahmen aus dem U-Ausschuss zu gestatten, bezeichnete Kogler als "außerordentlich vernünftig". Die Zuschauer könnten sich so selbst ein Bild des U-Ausschusses machen. Außerdem könnte die Veröffentlichung selbstregulierend wirken, etwa was die Ausartung eines U-Ausschusses zum vielzitierten Tribunal betrifft.

Die von der ÖVP geforderte Limitierung auf zwölf Monate lehnt Kogler ab. "Bei der Verfahrenslänge kann es nur einen offenen Ausgang geben, es kann kein fixes Ende geben." Wie bei Gericht müsse man auch beim U-Ausschuss auf den letzten Zeugen warten. Beim Ausschussvorsitz ist Kogler auf SPÖ-Linie: Ein Nationalratsabgeordneter müsse den Vorsitz innehaben. Als Kompromiss könne er sich vorstellen, dass der Abgeordnete die Leitung des U-Ausschusses mit einem Richter gemeinsam innehat. Auf Abgeordnetenseite könne man außerdem den Vorsitz rotieren lassen.

Kritik auch von FPÖ und Team Stronach

Den Freiheitlichen und dem Team Stronach missfallen die Vorschläge der ÖVP zur Ausschussreform. Sowohl diese als auch die SPÖ-Vorschläge würden offenbar dem Ziel dienen, das Minderheitenrecht "von Anfang an zu 'kastrieren'", meinte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl in einer Aussendung. Er plädierte dafür, die Vorsitzführung im Parlament zu belassen.

Konkret ist er dagegen, dass die Mehrheit Zeugenladungen verhindern kann. Damit wäre nur mehr die Einberufung ein Minderheitenrecht, aber nicht die Durchführung des U-Ausschusses "und damit im Wesentlichen gar nicht", so Kickl. Das Hauptproblem in der Vergangenheit sei aber gewesen, dass die rot-schwarze Mehrheit Ausschüsse "abgedreht" habe, wenn es für die Regierungsparteien "eng" wurde. "Indiskutabel" ist es für ihn auch, die Immunität der Abgeordneten im U-Ausschuss zu durchlöchern. Insgesamt sieht Kickl in der Reformdiskussion "ein groß angelegtes Ablenkungsmanöver, um Zeit in Sachen Hypo zu gewinnen".

Als "Augenauswischerei auf höchstem Niveau" kommentierte Team Stronach-Finanzsprecher Robert Lugar das von ÖVP-Klubchef Reinhard Lopatka vorgelegte 24-Punkte-Programm: "Die Bedingungen, die die Regierungsparteien zwischen den Zeilen eingebaut haben, machen eine objektive und transparente sowie zeitlich realistische Aufarbeitung nahezu unmöglich", meinte er in einer Aussendung - und stieß sich konkret daran, dass jeweils nur ein U-Ausschuss tagen, nur ein Thema untersucht werden und die Untersuchung zeitlich begrenzt werden sollte. (sterk, burg, derStandard.at, 15.4.2014)