Immer öfter versuchen Exponenten der ÖVP, ihre Partei aus der Erstarrung zu lösen. Begonnen hat damit Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, als er sich im STANDARD dafür aussprach, Homo-Partnerschaften die Adoption von Kindern zu ermöglichen. Die Parteispitze, allen voran Michael Spindelegger, war gleich dagegen. Nach und nach haben sich dann aber Justizminister Wolfgang Brandstetter und Familienministerin Sophie Karmasin dem Vorstoß des Neo-Politikers Rupprechter tendenziell angeschlossen.

Diese reformwilligen Minister kommen jedoch alle nicht aus dem Funktionärskern der Volkspartei. Deshalb ist der Vorstoß des Klubobmanns Reinhold Lopatka, eines ehemaligen Generalsekretärs der ÖVP, U-Ausschüsse als Minderheitenrecht nicht nur zuzulassen, sondern sie auch gleich im Fernsehen zu übertragen, ein politisches Wegzeichen.

Denn es ist nicht anzunehmen, dass Lopatka im ORF-Morgenjournal einen Vorschlag macht, den er mit Spindelegger nicht abgesprochen hat. Der Versuch der ÖVP-Spitze, quasi offiziell alte, politisch nicht mehr tragbare Positionen zu verlassen, bedeutet, dass ihr das Wasser bis zum Hals steht. Und dass der Parteichef offenbar zu begreifen beginnt: Ohne Selbstentfesselung kann es nicht mehr weitergehen.

Zu stark ist der Druck der Neos geworden, die der ÖVP immer mehr potentielle Wähler zumindest gedanklich abwerben. Zu massiv auch die Bewegungen am rechten Rand, mit der Mölzer-Ablöse Protestwählern (zum Beispiel im unteren Mittelstand) ideologische Bedenken zu nehmen.

Die plötzliche Aufgeschlossenheit in Sachen U-Ausschuss wird freilich nicht reichen. Denn die Einsparungen in den Schulen haben die Wut auf die Regierung massiv gesteigert. Sie richtet sich natürlich auch gegen die SPÖ. Die Volkspartei könnte punkten, wenn sie ihren Widerstand gegen Schulreformen und damit gegen die Reformer im Westen Österreichs aufgäbe.

Genau da aber hat sich Spindelegger am stärksten eingemauert. Und daran, ob die ÖVP auch hier Zeichen der Zeit erkennt, wird ihre tatsächliche Reformbereitschaft zu messen sein. (Gerfried Sperl, derStandard.at, 15.4.2014)