Zweimal haben türkische Gerichte der Regierung von Premier Tayyip Erdogan schwarz auf weiß mitgeteilt, dass die Blockade sozialer Medien im Internet ein Verstoß ist gegen den Anspruch der türkischen Bürger auf Meinungsfreiheit: per einstweiliger Verfügung vor zehn Tagen, das Höchstgericht am Mittwoch. Es ist eine Ohrfeige für den autoritär regierenden Premier, der angeblich abgehörte, kompromittierende Telefongespräche im Internet unterbinden will, ebenso wie eine öffentliche Debatte über die Korruptionsvorwürfe gegen seine Regierung.

Doch Twitter war in der Türkei am Donnerstag zu Mittag immer noch blockiert, Youtube sowieso; die Videoplattform wurde kurz vor den Kommunalwahlen am vergangenen Sonntag verboten, ein Urteil steht noch aus.

Vizepremier Bülent Arinc hat schon nach dem ersten Gerichtsentscheid wissen lassen, dass die türkische Regierung das Urteil der Richter respektieren werde. In Ankara ist das inzwischen offensichtlich eine mitteilenswerte Nachricht: Regierung hält sich an gesprochenes Recht. Bravo. Sie nimmt sich nur eben auch die Zeit dafür - 30 Tage sind es, um der einstweiligen Verfügung zur Aufhebung der Twitter-Sperre zu folgen. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts wird es ein bisschen schneller gehen müssen.

Dabei hindert das Verbot von Twitter und Youtube niemanden in der Türkei, weiter die beiden sozialen Netzwerke zu nutzen, auch nicht die AKP-Politiker und erst recht nicht ihre Tausendschaft von Trollen und anderen Internetkriegern, die eifrig die Botschaften der konservativ-religiösen Regierung verbreiten helfen. Jeder nutzt Proxy-Server, um die Sperren zu umgehen. Das Twitter-Verbot erfüllt nur einen Zweck: den Wunsch der Mehrheit der türkischen Wähler nach einem starken Mann zu befriedigen. Erdogan zeigt's Twitter in San Francisco und dem Rest der Welt. Der Imageschaden für die Türkei ist ihm gleichgültig. (Markus Bernath, derStandard.at, 3.4.2014)