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Durch die Pflege persönlicher Verbindungen soll Einfluss garantiert werden.

 

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Grafik: Maria von Usslar

"Wie viele Lobbyisten 'arbeiten' in Brüssel?", möchte User "Des is so - und net anders" wissen.

Über die Anzahl der in Brüssel tätigen Lobbyisten gibt es bisher nur Schätzungen. Der frühere EU-Kommissar Siim Kallas, der ein freiwilliges Lobby-Register ins Leben rief, schätzte sie auf 15.000. Die Initiative LobbyControl beziffert 20.000 Lobbyisten, die in Brüssel Einfluss auf die EU-Institutionen nehmen. Seit 2008 existiert das EU-Lobbyregister auf freiwilliger Basis, aber keine gesetzlich verbindliche Eintragung nach US-Vorbild. In diesem Register haben sich aktuell 6244 Organisationen registriert.

Seit mehreren Jahren wird lautstark nach einem verbindlichen Register gerufen, die vergangenen Monate arbeitet eine Arbeitsgruppe, bestehend aus zehn EU-Abgeordneten und dem EU-Kommissar Maros Sefcovic, an der Reform des bestehenden EU-Lobbyregisters. Die Ergebnisse liegen nun vor. Die deutsche Initiative LobbyControl und die "Europäische Allianz für Lobby-Transparenz und ethische Regeln" (ALTER-EU) kritisiert: "Nur in vier von zehn untersuchten Bereichen", so die Autoren, würden sich "leichte Verbesserungen abzeichnen". So wurde etwa die verbindliche Revision des Registers bis spätestens 2017 oder detaillierte Angaben der Unternehmen bezüglich ihrer Finanzmittel und Tätigkeiten beschlossen. Besonders der EU-Kommission wirft LobbyControl vor, als "Bremser der Transparenz" aufzutreten und die Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters zu blockieren, während den EU-Parlamentariern größeres Engagement bei der Forderung nach verbindlicher Transparenz attestiert wird.

Das österreichische Mitglied der Arbeitsgruppe, der EU-Parlamentarier Martin Ehrenhauser, bemängelte die Ergebnisse ebenfalls: "Die Einigung der Arbeitsgruppe besteht daraus, dass das EU-Parlament die Kommission auffordern wird, bis 2016 einen Vorschlag für ein verpflichtendes Register vorzulegen. Ob die Kommission dieser Aufforderung nachkommt, steht in den Sternen."

Lobbyismus und Macht

Um den Schumann-Platz in Brüssel, das "Europäische Epizentrum", scharen sich die Lobby-Büros aus Wirtschaft und Politik. Zahlreiche Konzerne, wie Philip Morris, British Petroleum (BP) oder Airbus haben hier Büros eröffnet mit der Absicht, Entscheidungen der EU vor Ort zu beeinflussen. Etwa 70 Prozent der Lobbyisten arbeiten für Unternehmen und Wirtschaftsverbände, die ungleich mehr Geld zur Verfügung haben, als die öffentlichen Interessensverbände. Der Lobbyismus wird in Anlehnung an die "Vierte Gewalt" der Medien auch als "Fünfte Gewalt“ bezeichnet, da die Interessenpolitik ebenso wie die Presse einen Einfluss auf die Staatsgewalt hat.

Legaler Lobbyismus funktioniert so, dass sich Entscheidungsträger unterschiedliche Positionen vortragen lassen, um dann auf Basis der gesammelten Informationen Entscheidungen zu treffen. Lobbyisten, die die EU-Gesetzgebung beeinflussen wollen, wenden sich als erstes an die Kommission. Nur die Kommission kann neue Rechtssetzung initiieren und spielt die Schlüsselrolle in der Implementierung des bereits existierenden EU-Rechts. Kommissionsbeamte sind außerdem auf den Rat externer Experten angewiesen, ist doch der interne "Expertenstock" der EU-Kommission nicht allzu groß. So bedient man sich hunderter Beratungsgremien, in denen zahlreiche Lobbyisten sitzen.

"My client is the chief"

Diese Art von Einflussnahme und Informationsaustausch wird erst dann zum Fall für die Gerichte, wenn Bestechung und Amtsmissbrauch dazukommen. Dass Macht korrumpieren kann, hat mancher EU-Parlamentarier am eigenen Leib erfahren können. Nicht nur aus österreichischer Sicht das spektakulärste Beispiel dafür war wohl die Lobbyisten-Affäre rund um Ernst Strasser, über die der damalige EU-Parlamentarier der ÖVP im Jahr 2011 stolperte. Der Begriff Lobbying ist nicht zuletzt durch solch große Skandale negativ konnotiert, so trägt kein Lobbying-Verband tatsächlich den Begriff "Lobby" im Namen. Vielmehr wird zu Begriffen wie "politische Kommunikation", "Politikberatung" oder "Reforminitiativen" gegriffen und nicht selten werden ehemalige Regierungsmitglieder nach ihrer aktiven politischen Karriere zu Beratern im Sinne des Lobbyismus. "Drehtüreffekt" wird das auch genannt.

Nachdem die Tatsache, dass von 13 ehemaligen Kommissaren 2010 sechs in den Lobbyismus wechselten (darunter Benita Ferrero-Waldner, die in den Aufsichtsrat der Rückversicherungsgesellschaft Munich Re ging), mediale Empörung auslöste, wurde ein Verhaltenskodex für Kommissare ausgearbeitet. Unter anderem ist es ehemaligen Kommissaren zum Beispiel untersagt, in ihren Themenbereichen zu lobbyieren. (Manuela Honsig-Erlenburg, derStandard.at, 11.2.2014)