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Für 122 Polizeidienststellen werden Nachmieter gesucht.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien - Mindestens 122 der über 800 österreichischen Polizeidienststellen werden geschlossen beziehungsweise mit anderen Dienststellen zusammengelegt. Zudem steht einigen der 95 Wachstuben in Wien ebenfalls noch heuer die Auflösung bevor. Die Zahlen für die Bundeshauptstadt werden laut der Liste (PDF) mit zu schließenden Standorten erst im Februar bekanntgegeben.

Mit 23 von insgesamt 149 Standorten werden nach absoluten Zahlen die meisten Inspektorate in der Steiermark stillgelegt. Verhältnismäßig muss Kärnten die meisten Schließungen hinnehmen: Im südlichsten Bundesland werden 22 von 92 Dienststellen zugesperrt.

Im Burgenland sind elf von 63 Dienststellen betroffen, in Niederösterreich 21 von 202, in Oberösterreich 21 von 140, in Salzburg neun von 57, in Tirol zehn von 72, und in Vorarlberg werden fünf von 36 Dienststellen mit nahegelegenen Revieren fusioniert.

"Ein reines Sicherheitsprogramm"


Innenministerin Mikl-Leitner und der Polizei-Führungsstab bei der Pressekonferenz am Dienstag. (Foto: APA/Helmut Fohringer)

Die Schließungen erfolgen im Rahmen des Projekts "Moderne Polizei", das Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Dienstagvormittag bei einer Pressekonferenz präsentierte. Schon im Vorfeld gab es Spekulationen um die mögliche Stilllegung von Inspektoraten. Mikl-Leitner betonte stets, dass die örtlichen Schließungen keine Auswirkung auf die Anzahl von Exekutivbeamten je Bezirk haben sollen.

"Wir wissen, dass hier nicht alle jubeln, dass es Widerstand gibt", sagte die Innenministerin bei der Präsentation und fügte hinzu: "Das ist ein reines Sicherheitsprogramm. Wir sparen uns keinen einzigen Cent."

Mit dem mobilen Büro im Polizeistützpunkt auf dem Amt

Die ersten Zusammenführungen von Inspektoraten sollen "in den nächsten Monaten" erfolgen, so Mikl-Leitner. Es solle dann "keine Dienststellen mit vier Polizisten" mehr geben.

Laut dem Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, handelt es sich um "ungefähr 500 Bedienstete, die hier umziehen müssen". Die Einsatzzeit bleibe zumutbar, "innerhalb von 20 bis 30 Minuten erreichen wir jeden Punkt", so Kogler.

Zudem sollen sogenannte "Polizeistützpunkte" eingerichtet werden, Räume in öffentlichen Gebäuden wie Gemeindezentren, wo sich Polizisten, die mit "einem mobilen Büro" unterwegs sind, "stundenweise aufhalten können". Solche Stützpunkte können auch in Wachstuben untergebracht sein, die nun geschlossen werden. Die teure Infrastruktur, wie Sicherheitsschleusen und Waffenkammern, soll dafür entfernt werden.

Neben der Auflösung der Posten sieht die Strukturreform auch ein neues "Bewertungs- und Karrieresystem" für Polizeibeamte vor. Bis September 2014 soll das Konzept umgesetzt sein, sagte Kogler, dann werde besonderes Augenmerk auf Fach- und Führungskarrieren gelegt. Für Absolventen technischer oder wirtschaftlicher Schulen und Studien sollen entsprechende Karrieren in der EDV-Abteilung oder als Wirtschaftsermittler leichter gangbar sein.

Burgenländische Forderung nach Ausgleichslösung

Die Reformpläne wurden bereits vor der offiziellen Präsentation von mehreren Seiten kritisiert. Die SPÖ-Landeshauptleute etwa übten Kritik an den kolportierten Schließungen. Der Vorsitzende der Landeshauptleute-Konferenz, Burgenlands Landeschef Hans Niessl, kündigte schon im Vorfeld Widerstand an.

In einer Reaktion am Dienstag forderte Niessl dann als Ersatz für die elf Polizeidienststellen, die im Burgenland geschlossen werden sollen, eine dauerhafte Polizeipräsenz in zahlreichen Gemeinden: Er wolle "für jeden geschlossenen Posten in drei weiteren Gemeinden eine Ausgleichslösung haben", sagte Niessl zur APA. Schließungen allein seien "kein Sicherheitskonzept". Auch die Landesorganisationen von ÖVP und FPÖ kritisierten die Pläne - sie haben angekündigt, Initiativen im Landtag einzubringen.


(Foto: APA/Georg Hochmuth)

In Wien liegen deshalb noch keine abschließenden Zahlen vor, weil noch nachverhandelt wird. Man sei dabei "auf einem guten Weg", so Mikl-Leitner. Bürgermeister Michael Häupl hat mit einem Abkommen mit dem Innenministerium aus dem Jahr 2011, wonach bis 2015 tausend zusätzliche Polizisten in der Bundeshauptstadt Dienst tun sollen, ein Druckmittel in der Hand.

Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) knüpfte seine Zustimmung zur Zusammenlegung von Inspektionen an die Verbesserung der Sicherheitsversorgung im Land und die konsequente Bekämpfung der Kriminalität. "Erforderlich und entscheidend" sei mehr Polizeipräsenz auf der Straße. Landespolizeidirektor Franz Prucher zeigte Verständnis für d ie Schließung von "kleinen" Polizeiinspektionen. Das sei ein Aspekt des Projekts "moderne Polizei. Nicht eine Planstelle wird abgezogen."

Kritik und Verständnis in Kärnten

In Kärnten, wo die Landesregierung von der SPÖ geführt wird, regte sich indes Kritik. Landeshauptmann Peter Kaiser schloss Protestaktionen nicht aus. "Es ist heute noch nicht absehbar, welche Protestmaßnahmen in den Gemeinden passieren werden", sagte Kaiser. Er wurde vor dem Wochenende vor "quasi vollendete Tatsachen" gestellt und sei "keineswegs damit zufrieden", dass nun statt ursprünglich 30 nur 22 Dienststellen geschlossen werden.

Immerhin die Polizeispitze Kärntens zeigte Verständnis für die Postenstilllegung. "Wir haben die kleinsten Inspektionen und die größte Dichte", sagte der stellvertretende Landespolizeidirektor Wolfgang Rauchegger vor Journalisten, die Struktur sei veraltet und gehe noch auf das 19. Jahrhundert zurück. Laut Konrad Kogler seien sogar einige Mietverträge über hundert Jahre alt.

Nicht an das subjektive Sicherheitsempfinden gedacht

Auch in der Steiermark fielen die Reaktionen gemischt aus. Landespolizeidirektor Josef Klamminger hält die Sinnhaftigkeit der "Strukturanpassung" für unumstritten und auch sein Stellvertreter Manfred Komericky sah eine Logik in der Schließung unterbesetzter Inspektionen: "Die Steiermark war das Bundesland mit besonders vielen kleinen Dienststellen."

Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und sein Stellvertreter Hermann Schützenhofer (ÖVP) kritisierten allerdings, dass man bei den Stilllegungsplänen zu wenig an das "subjektive Sicherheitsempfinden in der Bevölkerung" gedacht habe. Immerhin habe man zwölf weitere vom Ministerium geplante Schließungen abwenden können.

In Oberösterreich reagierte Landespolizeidirektor Andreas Pilsl zufrieden: Die "Anpassung der Dienstellenstruktur" sei ein "erster Schritt hin zu einer modernen Polizei. Ich habe keinen einzigen Brief eines besorgten Bürgers erhalten."

Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) unterstützte die ministeriellen Pläne mit den Worten "Oberösterreich ist immer offen für vernünftige Reformen", sein SPÖ-Vize Reinhold Entholzer sprach von "sinnvollen Zusammenlegungen". Die Grünen bezeichneten die Maßnahmen als "schlüssig und umsetzbar", FPÖ-Landeschef Manfred Haimbuchner hingegen als "Kahlschlag", der "schlimmer als befürchtet" sei.

Der Westen stimmt mit Mikl-Leitner in den Kanon ein

Bei den zehn Schließungen in Tirol handle es sich um keine Einsparungen, wiederholte ÖVP-Landeshauptmann Platter die Worte Mikl-Leitners. Durch die Schließungen könne man die Verwaltung der Dienststellen zusammenlegen und mehr Polizisten auf die Straße bringen, erklärte Platter: "Eine moderne Polizei muss effizient arbeiten und dazu gehört auch eine effiziente Verwaltung", so der Landeshauptmann.

Auch in Vorarlberg zeigte sich Landespolizeidirektor Hans-Peter Ludescher überzeugt, dass die Polizei trotz Postenschließungen in Zukunft schlagkräftiger sein werde. Landesrat Erich Schwärzler stimmte in den ÖVP-Kanon ein und sagte, man habe das richtige Maß gefunden.

In Salzburg sagte Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP), dass man vonseiten des Landes "überhaupt keine Zusammenlegungen" gewünscht hätte. Zuletzt hätten sich Land und Gemeinden aber gut einbringen können, und so spreche auch vieles für die Reform: Es sei mehr Polizei auf der Straße, die Spezialisierung einzelner Beamte in größeren Dienststellen werde verbessert.

Rechnungshof sieht sich bestätigt

Wenig Freude mit den Plänen des Innenministeriums hat die Polizeigewerkschaft. Deren Vorsitzender Hermann Greylinger (FSG) sagte am Dienstag gegenüber der APA, er habe Zweifel, ob es sich nicht doch um ein Sparprogramm handle. "Die Innenministerin hat betont, dass sie großteils den Empfehlungen des Rechnungshofs gefolgt ist. Und der Rechnungshof zielt immer auf Sparmaßnahmen ab".

Tatsächlich kam aus dem Rechnungshof am Dienstag Zustimmung. Präsident Josef Moser begrüßte die angekündigten Schließungen: "Mit der Reform wird Geld frei für Verbesserungen." Derzeit gehe zu viel Geld in die Verwaltung und zu wenig in den Außendienst. Verglichen mit München, das der Rechnungshof für eine Prüfung als Vergleichsstadt herangezogen hat, sei Wien überstrukturiert.

"In Wien gab es 96 Dienststellen und in München, mit einem zwei Mal so großen Einzugsbereich waren es 25", so Moser zur APA. Dadurch seien in Wien viel weniger Beamte im Außendienst im Einsatz gewesen als in München. Moser: "Der Anteil der Führungskräfte betrug in München 16 Prozent und in Wien 23 Prozent, wir haben eine Struktur, die die Leute vom Außendienst abhält." Auch deshalb sei die Aufklärungsquote in Wien nur halb so hoch gewesen wie in der bayrischen Hauptstadt.

Spindelegger nennt Konzept "schlüssig"

Vizekanzler Michael Spindelegger nannte das Konzept seiner Parteikollegin Mikl-Leitner "schlüssig". Die Zahl der Polizisten werde "in keiner Weise verringert", sagte er nach dem EU-Finanzministerrat in Brüssel: "Ich glaube, das ist eine gute Möglichkeit, mehr Polizisten auf die Straße zu bringen", anstatt in den Wachstuben zu haben, so Spindelegger.

Mäßige bis harsche Kritik kam auf Bundesebene aus der Opposition. Der Vizechef der Grünen, Werner Kogler, reagierte am Rande der Klubklausur seiner Partei in Mauerbach zurückhaltend: "Ich würde mich auch nicht vor jedem Polizeiposten anketten, nur weil er geschlossen werden sollte." Von Mikl-Leitner verlangte er jedenfalls die Offenlegung ihrer Kriterien zu den Schließungsplänen.

Stronach argumentiert mit "Ostöffnung"

HC Strache nannte die Pläne einen "schweren Anschlag auf die Sicherheit" in Österreich. Die Schließung der Inspektionen sei "ein geradezu gemeingefährliches Vorgehen von Innenministerin Mikl-Leitner", so Strache. Diese Maßnahmen seien "in Zeiten steigender Kriminalität sowie stark zunehmender Belastungen der Sicherheitswachebeamten völlig unverantwortlich". Der FPÖ-Obmann forderte eine "Aufstockung der Zahl der Exekutivbeamten".

Frank Stronach vom Team Stronach argumentierte seine Kritik mit der "Ostöffnung": Er sei "in keiner Art und Weise diskriminierend", aber wenn "auf einmal so viele Leute reinkommen" und deshalb die Kriminalität steige, würde man mit der Schließung von Polizeidienststellen "am falschen Platz sparen". Er habe überhaupt das Gefühl, dass die Polizei öfter beschuldigt werde als die Täter und verwies auf die Krawalle im Zuge der Demonstrationen gegen den Akademikerball am Freitag in Wien. (mcmt/flog, derStandard.at, 28.1.2014)