Tokio – Shinzo Abe, im Dezember zum Premierminister Japans gewählt, gehört zur Liberaldemokratischen Partei (LDP), die das Land von 1955 bis 2009 nahezu ununterbrochen regiert hat. Unter der LDP wuchsen und gediehen die Atomkraftwerkbetreiber des Landes. Umgekehrt gehörten die Energieunternehmen zu den wichtigsten Geldgebern der konservativen Partei. Nun will Abe den größten Wunsch der Konzerne erfüllen: einen schnellen Wiedereinstieg in die Atomkraft.

Derzeit gibt es in Japan 50 funktionsfähige Atommeiler. Vor dem Nuklearunfall hatten diese 26 Prozent des Stromverbrauchs des rohstoffarmen Landes abgedeckt. Unter Abes Vorgängerregierungen der Demokratischen Partei Japans (DPJ) waren zunächst alle Meiler abgeschaltet worden. Nur zwei wurden zur Sicherung der Stromversorgung wieder in Betrieb genommen. Bis 2040 hatte die DPJ einen vollständigen Ausstieg aus der Atomenergie geplant – diese Entscheidung ist nun hinfällig.

Hatte Abe das Thema im Wahlkampf noch gemieden, will er nun eine " stabile Energieversorgung garantieren" und Energiekosten senken. Tatsächlich haben sich die Stromkosten seit dem Unglück um rund 15 Prozent verteuert. Um die Kernenergie zu substituieren, müssen die Versorger mehr Öl, Flüssiggas und Kohle importieren, was dem Land 2012 ein rekordhohes Handelsbilanzdefizit bescherte. Unternehmen und Bevölkerung wurden aus Furcht vor Engpässen zu freiwilligen Energieeinsparungen aufgerufen.

"Sichere" Meiler werden hochgefahren

Nun will Abe die Reaktoren wieder hochfahren lassen, die "als sicher eingeschätzt" werden. Einige Meiler werden diesen Tag wohl nicht erleben. So hat die Atomregulierungsbehörde unter mehreren Reaktoren Erdspalten entdeckt, die auf seismische Aktivitäten und damit immanente Erdbebengefahr hindeuten. Japans Energiekonzerne schätzen die Kosten für den Umbau ihrer Reaktoren auf rund acht Mrd. Euro.

Doch ohne Atomkraft würde die Rechnung für die Versorger deutlich höher ausfallen: Allein im laufenden Geschäftsjahr könnten die neun großen Energiekonzerne des Landes (außer Tepco) zusammen einen Verlust über ebenfalls acht Milliarden Euro ausweisen. Tepco selbst erwartet ein Minus von 6,3 Milliarden Euro. (tesk, DER STANDARD, 9./10.3.2013)