Fordert einen "New Deal" für Daten: Rudi Klausnitzer.

Foto: Ecowin

Sein neues Buch "Das Ende des Zufalls" ist im Ecowin Verlag erschienen.

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In der Einleitung bemüht Rudi Klausnitzer Gerd Bacher. Dem früheren ORF-General ist es also zu verdanken, dass der Radio-Veteran, Ex-Ö3-Chef und aktuell Inhaber einer Kommunikationsagentur das Buch "Das Ende des Zufalls – Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht" geschrieben hat. Zitat Bacher: "Wenn du wissen willst, ob du etwas wirklich verstanden hast, musst du es aufschreiben. Darüber zu reden ist zu wenig."

Also begibt sich Klausnitzer auf eine "Entdeckungsreise durch die schöne neue Datenwelt". Seine Quellen: 1400 Dokumente, "viele Bücher" und Gespräche mit Experten. Herausgekommen ist kein Buch für Nerds und die "Apostel der Datenrevolution" (Data-Scientists, Data-Designer und Data-Journalisten), sondern für ein Publikum, das erst an das Thema Big Data herangeführt werden muss.

Keine Erfindung des Internets

Man muss Klausnitzer zu Gute halten, dass er die Relevanz von Datenanalysen nicht als Neuerfindung des Internets darstellt. Am Beispiel von Dr. John Snow erklärt er, dass das Sammeln von großen Datenmengen, ihre Verknüpfung und Analyse auf Übereinstimmungen zu sinnvollen Ergebnissen führt. Anders als im Jahr 1854 stünden dem Londoner Arzt heute aber Google Maps, Suchanfragen, Google Trends oder Twitter zur Verfügung, um den Grund für den Cholera-Ausbruch im Stadtteil Soho ausfindig zu machen.

Algorithmen verlässlicher als Experten

Ohne Nate Silver kommt auch Klausnitzers Buch nicht aus. Der Blogger sagte 2008 das Ergebnis der US-Wahl aufgrund seiner statistisch-mathematischen Methode in 49 von 50 Staaten korrekt vorher. Er zeigte auf, dass die "vertrauenswürdigen, verlässlichen Quellen des Wissens um unsere Zukunft nicht mehr väterliche Figuren mit der Autorität eines reichen Erfahrungsschatzes sind, sondern anonyme Algorithmen, deren Mechanik wir weder verstehen noch nachvollziehen können", so Klausnitzer. Journalisten seien datengetriebenen Vorhersagemodellen anfangs skeptisch gegenüber gestanden. Klausnitzer: "Über Meinungen von Experten kann man diskutieren. Über Daten nicht, maximal über die Rechenmodelle, aber davon verstehen Journalisten meist nichts." Doch das ändert sich, weil sich immer mehr Journalisten auf Datenjournalismus spezialisieren. Silver selbst bloggt seit 2010 für die "New York Times".

Clooney, Parker und die "Obama-Crew"

Noch einmal erwähnt Klausnitzer den US-Wahlkampf. Die "Obama-Crew" habe statistisch-mathematische Talente für ihre Kampagne engagiert, um weniger "aus dem Bauch heraus", sondern aufgrund quantitativer Analysen Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel welcher Promi für welche Art von Fundraising Dinner am besten geeignet ist. George Clooney, um die Zielgruppe der Frauen in den frühen Vierzigern anzusprechen, Sarah Jessica Parker für "reiche, liberale Frauen von der Ostküste". Das hätte man vielleicht "aus dem Bauch heraus" auch entscheiden können, doch mit Daten lasse sich immer öfters der Zufall ausschalten, um unvorhersehbare Ereignisse vorhersehbar zu machen, schreibt Klausnitzer.

"New Deal" für Daten

Klausnitzer plädiert für einen "New Deal" weil Daten "wesentliche Teile unseres Lebens beeinflussen". In seinem Buch nennt er unter anderem Gesundheitsdaten oder Kriminalprognosen. "Ein neuer gesellschaftlicher Konsens zum Umgang mit Daten" sei unverzichtbar, sonst drohe "die größte Bürgerrechtsauseinandersetzung des nächsten Jahrzehnts."

Wenn "Datatainer" die Datenflut in verständliche Bilder übersetzen, bestehe auch die Gefahr von Manipulation, warnt Klausnitzer. Das mache Medien als "unabhängige Instanz" der Dateninterpretation "unverzichtbar".

Bei Big Data geht es nicht nur um die digitalen Spuren, die wir hinterlassen, sondern um "unser reales Leben und das reale Bild von uns", erklärt Klausnitzer. "Die neuen Technologien geben uns ein Vergrößerungsglas in die Hand, mit dem wir auf unsere Gesellschaft schauen können und die komplexen Systeme unserer Welt besser verstehen und beherrschen lernen." Der Autor hat seines auf das Thema Big Data gehalten. Möglichst viele mögen es wie er tun und sich dem Thema Big Data annähern. "Der Geist ist aus der Flasche", schließt Klausnitzer. (Sabine Bürger, derStandard.at, 4.3.2013)