"Wenn der Koalitionspartner kompromissbereit ist, warum soll ich es nicht auch sein?" Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle zeigt sich im Interview mit derStandard.at zufrieden mit der neuen Studiengebühren-Regelung, obwohl er sie in der Vergangenheit immer als "Flickwerk" kritisiert hat. Er gibt zu, einen Schritt auf die SPÖ zugegangen zu sein: "Ich habe mich mit meinem Vorschlag offensichtlich nicht durchsetzen können. Deswegen musste ich einem Kompromiss zustimmen, wie es in einer Koalition sehr oft ist."

Töchterle bezeichnet die Regelung als ausreichend, um auch in einer neuen Regierung Wissenschaftsminister zu bleiben. In der "ZiB 2" hatte er kürzlich angekündigt, das nur dann zu tun, wenn sich die Regierung auf eine neue Studiengebühren-Regelung einigt.

Die Zugangsbeschränkungen in fünf Fächern begrüßt Töchterle: "Wir wollen ja die Studierendenströme besser steuern." Finanzielle Mittel für die 95 zusätzlichen Professorenstellen kommen aus der Hochschulmilliarde.

derStandard.at: Die Reparatur der Studiengebührenregelung bedeutet fünf Millionen Euro pro Jahr zusätzlich. Bringt das die Unis weiter?

Töchterle: Das Entscheidende sind nicht die fünf zusätzlichen Millionen Euro, obwohl sie auch wichtig sind. Die Studienbeiträge, wie sie derzeit fließen, sind nur ein Bruchteil dessen, was die Universitäten vor 2008 eingenommen haben. Sie bekommen etwa 34 Millionen im Jahr, dazu kommen jetzt fünf Millionen, weil wir die Beiträge für Studierende aus Drittstaaten verdoppeln. Das alles ist im Gesamtbudget gesehen nicht sehr viel, für viele einzelne Universitäten aber doch sehr wichtig.

Das Entscheidende ist in dem Fall nicht in erster Linie der finanzielle Zugewinn, sondern die Rechtssicherheit, die die Unis ja dringend gewünscht haben und die durch die Neuregelung nun hergestellt wird.

derStandard.at: Die Regierung hat die vom Verfassungsgerichtshof im Juli 2011 aufgehobene Studiengebühren-Regelung repariert. Eigentlich hätte das bis 29. Februar passieren sollen. Jetzt, im November, hat man sich dazu durchgerungen - warum nicht gleich?

Töchterle: Weil ich eine andere und bessere Regelung wollte. Ich wollte die Frage in die Autonomie der Universitäten geben. Die Fachhochschulen haben es in ihrer Autonomie zu entscheiden, ob sie Studienbeiträge einnehmen oder nicht. Ich sehe nicht ein, warum das die Universitäten nicht tun können. Den entsprechenden Gesetzesvorschlag habe ich der SPÖ vorgelegt. Es war nicht möglich, darüber zu diskutieren oder eine Einigung zu finden, deshalb haben wir uns jetzt auf eine andere Einigung verständigen müssen.

derStandard.at: Sie haben sich immer dagegen ausgesprochen, dieses "Flickwerk" zu reparieren. Haben Sie sich nicht durchsetzen können?

Töchterle: Ich habe mich mit meinem Vorschlag, den ich voriges Jahr vorgelegt habe, offensichtlich nicht durchsetzen können, das ist so. Deswegen musste ich einem Kompromiss zustimmen, wie es in einer Koalition sehr oft ist. Aber: Ich sehe diese Regelung als Übergangsregelung und bleibe bei meinem Ziel einer Neuregelung. Es gibt ja heute eine größere Gesprächsbereitschaft der SPÖ zum Thema Studienbeiträge, als noch vor einem Jahr.

derStandard.at: Wie wird zukünftig der Langzeitstudent definiert? Der Verfassungsgerichtshof hat kritisiert, dass man das nach Studienabschnitten gemacht hat. Wie wird das in Zukunft geregelt sein?

Töchterle: Die Studienabschnitte gibt es ja nicht mehr, aber nach wie vor gibt es eine Mindestanzahl an Semestern. Die werden wiederum über ECTS-Punkte definiert. Ein Semester sind 30 Punkte. Wir werden das anhand dieser neuen Definitionsmöglichkeiten festmachen.

derStandard.at: Sie haben in der "ZiB 2" kürzlich gesagt, Studiengebühren seien eine Bedingung, dass Sie wieder Wissenschaftsminister in einer neuen Regierung werden. Gilt die jetzige "Flickwerk"-Regelung für Sie als Studiengebühren-Regelung oder muss da etwas Neues in das Koalitionsabkommen?

Töchterle: Ich bin damals gefragt worden, ob ich einer Regelung zustimme ohne Studiengebühren oder ob ich in eine Regierung ohne Studiengebühren ginge. Ich habe beide Male Nein gesagt. Dabei bleibe ich. Wir haben Studiengebühren, wir haben sie flächendeckend an allen Universitäten. Wir haben sie nicht in der Form, in der ich mir sie gewünscht hätte, aber wir haben sie. Insofern ist das, was ich dort gesagt habe, in keiner Weise im Widerspruch zu dem, was ich jetzt tue.

derStandard.at: Das heißt, wenn es eine neue Koalition gibt, reicht Ihnen diese Regelung?

Töchterle: Das reicht mir nicht, sonst hätte ich voriges Jahr nicht etwas anderes vorgeschlagen. Aber es ist eben ein Kompromiss. Dieser Kompromiss ist mir auch leichter gefallen, weil mir die SPÖ in der Studienplatzfinanzierung entgegengekommen ist. Sie ist dort von dem Dogma des völlig ungeregelten Studienzugangs abgegangen, das rechne ich ihr hoch an. Wenn der Koalitionspartner kompromissbereit ist, warum soll ich es nicht auch sein?

derStandard.at: Es gibt fünf Studienrichtungen, in denen es jetzt Zugangsbeschränkungen geben soll, und in diesen Fächern auch 95 zusätzliche Professorenstellen. Woher kommt das Geld dafür und wie haben Sie sich für genau diese fünf Studienrichtungen entschieden?

Töchterle: Das sind Studienrichtungen, wo die Nachfrage die Kapazitäten der Unis übersteigt. Dadurch entstehen schlechte Betreuungsrelationen. Wir wollen die Betreuungsrelationen verbessern, das können beziehungsweise müssen wir auf zwei Arten tun.

Wir müssen einerseits mehr Professorenstellen ermöglichen und andererseits eine Obergrenze einziehen, sonst wäre der Effekt von mehr Professorenstellen wieder verpufft. Beides tun wir, dadurch erzielen wir eine bessere Studienqualität. Das ist unser Ziel.

derStandard.at: Woher kommt das Geld?

Töchterle: Das kommt aus den Offensivmitteln, die ja Teil der Hochschulmilliarde sind.

derStandard.at: Die Rektoren befürchten, wenn man einzelne Studien beschränkt, dann verlagert sich das Problem auf andere Studienrichtungen. Sehen Sie dieses Problem?

Töchterle: Wir wollen ja die Studierendenströme besser steuern. Das tun wir einerseits durch Beratung, und manchmal muss man es auch durch Zugangsregeln tun. Es gibt viele Studien, wo noch Platz ist, und deshalb ist es gut, wenn sich Studierende gute Studien suchen, wo es auch eine gute Studienqualität gibt. Das ist keine Verdrängung oder eine Befürchtung, sondern eine Hoffnung. (Rosa Winkler-Hermaden, Maria von Usslar, derStandard.at, 9.11.2012)