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Archivbild aus dem Jahr 1937: Japanische Rekruten üben in Nanking den Umgang mit dem Bajonett an chinesischen Gefangenen.

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Gedenkstätte in Nanking für die Opfer des Massakers im Jahr 1937.

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Der umstrittene Yasukuni-Schrein in Tokio.

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Produkte von Toyota, Honda oder Daihatsu stehen in China Kopf, und die japanische Botschaft in Peking kann nur mit Mühe vor wütenden Demonstranten gesichert werden. Das Land der aufgehenden Sonne ist Feindbild Nummer eins im Reich der Mitte. Und dafür ist es zu einem großen Teil selbst verantwortlich. 

Der aktuelle Streit zwischen China und Japan um eine Inselgruppe ist nur eine weitere, vergleichsweise kleine Episode einer gemeinsamen, konfliktreichen Geschichte. Kriege, Krisen und Proteste dominierten die Zeit zwischen 1894 und 1945, mehrere Millionen Menschen verloren ihr Leben. Mit der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen 1972 und einem Friedensvertrag 1978 begann eine Wiederannäherung der beiden Länder, die erfolgreich zu sein schien. Doch der äußerst fragwürdige Umgang Japans mit der eigenen Vergangenheit sorgt immer wieder dafür, dass schon vergleichsweise kleine Anlässe reichen, um chinesische Ressentiments gegenüber Japan offen zutage treten zu lassen.

Eine Vergangenheitsbewältigung der ansatzweise korrekten Art hat Japan bis heute nicht geschafft. Ein Beispiel: 1937 startete Japan eine Invasion im Osten Chinas, bei der Eroberung der damaligen chinesischen Hauptstadt Nanking wurde schließlich ein Massaker verübt, um den letzten Widerstand zu brechen. Chinesischen Schätzungen zufolge wurden dabei 300.000 Menschen umgebracht, westliche Historiker sprechen von 200.000 und japanische immerhin noch von 142.000 Todesopfern. Ein Drittel der Stadt brannte ab, chinesischen Angaben zufolge wurden in den Monaten danach mindestens 20.000 Mädchen und Frauen von japanischen Soldaten vergewaltigt und dann ermordet.

"Trostfrauen" für japanische Soldaten

Zudem hat die Armee in den eroberten Gebieten im südostasiatischen Raum - neben China in Korea, Taiwan, Indonesien und auf den Philippinen - bis zu 200.000 Frauen zur Prostitution gezwungen. Man nannte sie "Trostfrauen", die den Soldaten eine Ablenkung vom Kriegsdienst bieten sollten.

Für eine andere Art von Kriegsverbrechen sorgte die Einheit 731, eine geheime Einrichtung der japanischen Armee. Sie hat Versuche an Menschen durchgeführt und biologische und chemische Waffen erforscht und auch eingesetzt. Anfang der 1940er Jahre wurden beispielsweise Schwärme von Flöhen in China ausgesetzt, die Erreger für Cholera, Typhus oder die Beulenpest in sich trugen.

Von all dem ist nichts zu sehen und zu lesen, wenn man den Yasukuni-Schrein besucht. Dort, unweit des Kaiserpalastes in Tokio, ehrt Japan jene 2,5 Millionen Landsleute, die seit 1853 in Kriegen für ihr Land gefallen sind. Darunter befinden sich Generäle und Politiker, die von einem alliierten Tribunal nach dem Zweiten Weltkrieg zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden.

Japans Vorstellung von Frieden

Yasukuni bedeutet übersetzt "der Nation Frieden bringen". Allerdings befinden sich neben dem Schrein eine Haubitze, weitere Kriegsgeräte und ein Gedenkstein für die Kempetai, die von den Allierten als "japanische Gestapo" bezeichnet wurde. In einem Museum auf dem Schrein-Gelände wird der Opfermut der Kamikaze-Piloten gelobt, Erwähnungen von Nanking, Zwangsprostitution oder der Einheit 731 sucht man hingegen vergeblich. Dafür nehmen japanische Regierungsmitglieder regelmäßig an der jährlichen Wallfahrt zum Yasukuni-Schrein teil. Sie findet am 15. August statt, dem Jahrestag der Kapitulation im Zweiten Weltkrieg.

Im Jahr 2000 hat ein rechtlich nicht bindendes Kriegsverbrechertribunal den Staat Japan und Kaiser Hirohito für schuldig befunden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Japan und Hirohito, der von 1926 bis zu seinem Tod im Jahr 1989 Japan regierte, wurden für die Zwangsprostitution vor und während des Zweiten Weltkrieges verantwortlich gemacht. Das Tribunal forderte von Japan eine angemessene Entschädigung für und eine Entschuldigung bei den Opfern. Zudem sollte es eine umfassende Untersuchung der Verbrechen geben. Nachgekommen ist man diesen Forderungen kaum.

Seltene Fälle von Einsicht

Vereinzelt kam es zu Eingeständnissen von japanischer Seite. 1993 etwa gab die damalige Regierung die "Rekrutierung" von "Trostfrauen" zu und entschuldigte sich. 2007 allerdings meinte der amtierende Regierungschef Shinzo Abe, es würde keine Beweise für Zwangsprostitution geben.

Auch die Existenz der Einheit 731 wurde vor einigen Jahren von der Regierung eingeräumt, nachdem japanische Kriegsveteranen sich zum Einsatz mit Krankheitserregern bekannt hatten. Weitere Details wurden von offizieller Seite aber nicht genannt.

Der fehlende politische Wille

Es gibt also in Japan durchaus Ansätze, sich selbstkritisch mit der eigenen Geschichte zu beschäftigen. Es fehlt aber der politische Wille, so mit früheren Kriegsverbrechen umzugehen, dass die Nachbarländer das auch ernst nehmen. Vielmehr verweist man auf den Friedensvertrag aus dem Jahr 1952, mit dem eine mögliche Kriegsschuld als erledigt betrachtet wird. Die größten Opfer, nämlich China und Korea, waren allerdings nicht an den Verhandlungen beteiligt.

Eine breite, kritische Debatte über diese Art von Geschichtsaufarbeitung hat bisher nicht stattgefunden. Grund dafür ist unter anderem, dass viele Japaner sich aufgrund der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki als Kriegsopfer sehen.

Passend dazu werden in japanischen Schulbüchern Verbrechen wie das Massaker von Nanking oder Zwangsprostitution verharmlost und heruntergespielt. Die japanische Regierung begnügt sich mit dem Statement, dass diese Texte nicht die offizielle Sicht auf die Geschichte des Landes darstellen. (Kim Son Hoang, derStandard.at, 26.9.2012)