Eines der Richtig-Falsch-Plakate.

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Frederik Konini ist Platzwart und schaut auf seine Gesundheit und die seiner Kollegen.

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Bullige LKWs, gstandene Männer - wenn die Fahrer der Firma Saubermacher am Nachmittag in die Wienzentrale von ihren Auftragsfahrten zurückkommen, rennt der Schmäh. Keine Berufsgruppe, in der man besonders hohes Gesundheitsbewusstsein vermutet.

"Die Mitarbeiter für das Thema zu mobilisieren ist keine einfache Aufgabe", sagt Gerlinde Petz, die im Unternehmen für Qualität, Sicherheit und Umweltfragen zuständig ist. Das Unternehmen, in dem viel körperlich und maschinell gearbeitet wird, will damit erreichen, dass ältere Mitarbeiter länger im Unternehmen bleiben, das gehört zur Firmenphilosophie.

Erhalten der Arbeitsfähigkeit

2005 wurden per Pilotprojekt Gesundheitskreise installiert, bei dem auch die Mitarbeiter aktiv miteinbezogen wurden. Gerlinde Petz, deren Metier die Managementkoordination Gesundheit ist, hat aber erkannt, dass die Mitarbeiter das Thema Gesundheit besser annehmen, wenn ein direkter Bezug zum Arbeitsplatz hergestellt wird. Seit drei Jahren läuft das Projekt nun unter dem Titel "Fit für die Zukunft - Arbeitsfähigkeit erhalten" - im Rahmen des gleichnamigen Programms von AUVA und PVA. Einfach nur einen Obstkorb und eine Fitnessgruppe zu installieren wäre zu wenig gewesen und hätte auch die Mitarbeiter nicht erreicht. 

Schulung durch Kollegen

Unter den LKW-Fahrern gilt es als cool beim Aussteigen lässig auf den Asphalt zu springen. Da macht es Sinn, wenn ältere Kollegen die Gefahren aufzeigen - wenn es sein muss auch per elektronischem Demopodest, das die Wucht des Aufpralls für die Gelenke in Zahlen belegt. "Verletzungen durch das Ein- und Aussteigen waren lange der häufigste Arbeitsunfall bei uns", so Gerlinde Petz. Auch die Schultern und der Rücken sind belastete Körperpartien, daher gibt es einen eigenen Ergonomen, der Schulungen für körpergerechtes Arbeiten mit den Mitarbeitern macht.

"Wir bemühen uns immer, etwas zum Anfassen zu haben", sagt die Gesundheitsbeauftragte. Etwa ein eigenes Saubermacher-Easy-Fitness Kartenset wurde kreiert, für das einer der Kollegen Modell stand und Übungen vorführt. "Richtig-falsch"-Plakate dienen dazu gängige Fehler sichtbar zu machen.

Der Ergonom Paul Scheibenpflug bringt den Mitarbeitern bei Saubermacher die Materie näher. Dass der Sportwissenschafter auch Kommunikation studiert hat, komme ihm sehr entgegen, wie er sagt. Denn Männern Vorträge über "richtig" und "falsch" zu halten, bewähre sich in der Branche nicht. "Die Verpackung ist wichtiger als der Inhalt", so Scheibenpflug, "ich überlege mir welche Aussagen ich rüberbringen will und stelle dann die richtigen Fragen, die Antworten wissen die Männer insgeheim sowieso." Einem Arbeiter nur zu sagen "du stehst bucklert da", schaffe eine unangenehme Konkurrenzsituation und sei nicht Sinn der Sache. Auch die Führungskräfte müssen den passenden Ton treffen, auch sie werden von Scheibenpflug geschult.

Brücke zwischen Jünger und Älter

Dass ältere jüngere Kollegen über mögliche Gefahren und Risiken während der Arbeit aufklären, schafft nebenbei auch eine Brücke zwischen den Generationen. Frederik Konini ist seit 18 Jahren bei der Firma. Der Platzmeister schaut am Firmengelände in Liesing nach dem Rechten, sorgt für Sauberkeit, Ordnung und kontrolliert die Container. Er will noch bis zur Pension in der Firma arbeiten, rund zwei Jahre hat er noch. "Wir arbeiten viel händisch, da sind ergonomische Übungen und Maßnahmen sehr wichtig", sagt der Sechzigjährige, der für die Maßnahmen sehr offen ist. "Man kann zwar keinen zwingen einen Apfel zu essen, aber Verhaltenstipps von Kollegen werden schon gerne angenommen". 

Vorsicht statt Nachsicht

Bei Saubermacher setze man mehr auf Prävention als auf gezielte Maßnahmen für ältere Mitarbeiter, so Petz, denn in der Abfallwirtschaft sei die Qualifikation der Mitarbeiter in manchen Bereichen nicht so hoch, dass es einfach wäre Ersatzarbeitsplätze - etwa im Büro - für sie zu finden. "Wir setzen die Maßnahmen so, dass es möglich ist, bis zur Pension bei uns zu arbeiten", so die Projektleiterin. Ältere Mitarbeiter ließen zwar körperlich naturgemäß etwas nach, dafür "erkennen sie Zusammenhänge gut und arbeiten mit mehr Sorgfalt". Ältere zu halten bedeute die Fluktuation gering zu halten.

"Wir orientieren uns am Haus der Arbeitsfähigkeit", sagt Petz. Das Modell zeigt etwa die Bedeutung des Zusammenspiels von körperlicher und psychischer Gesundheit, Qualifikation, Kompetenzen, Werten, Motivation Führung und Arbeitsumgebung auf. Die Mitarbeiter sollen sich an der Entwicklung von Ideen beteiligen: An allen Firmenstandorten in Österreich gibt es eigene Koordinatoren für Arbeitszufriedenheit: sie forcieren die regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen, ein externes Institut wertet die Antworten aus. In Arbeitsgruppen werden dann mit den Mitarbeitern Verbesserungsvorschläge erarbeitet.

Gesteigerte Arbeitszufriedenheit

"In Wien hat sich der Arbeitsbewältigungsindex im Arbeiterbereich in den vergangenen zwei Jahren verbessert, wir haben auch wirklich viel umgesetzt", so Petz. Neben der Ergonomie sind auch Staub und Lärm große Themen. So habe man in der Müllsplittinganlage Lärmreduktion erreichen können. Für staubintensive Arbeiten gibt es eine Befeuchtungsanlage, die die Belastung erträglicher macht und bei der Auswahl der Atemschutzmasken haben die Mitarbeiter mitentschieden.

Verantwortung der Vorgesetzten

Als wichtige Faktoren in der Prävention sieht Petz die Arbeitsumgebung und andererseits den Führungsfaktor. Studien haben ergeben, dass durch optimale Führung die Arbeitsbewältigung wesentlich verbessert werden kann. Daher hat man bei Saubermacher das Thema gesundheitsförderliches Führen in das Führungskräftetraining integriert. (Marietta Türk, derStandard.at, 13.9.2012)