Daniel Schubert verließ Wien nach dem Studium, um seinen Turnus in Schweden zu machen. Ausschlaggebend war, dass er dort auf der Stelle gleich mehrere Turnusplätze angeboten bekam, in Österreich aber lange hätte warten müssen.

Foto: Daniel Schubert

Österreich gab den Mediziner gerne frei, Schweden empfing ihn mit offenen Armen. Da war die Rückkehr nach Österreich komplizierter, obwohl hierzulande ein Ärztemangel droht.

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"In sechs Wochen kann ich Sie zwischenschieben", sagt die Assistentin eines Kardiologen in Wien-Simmering, "aber nur, wenn es dringend ist. Sonst muss ich Ihnen einen regulären Termin geben." Die Rückfrage bei anderen Kardiologen zeigt ein ähnliches Bild: Vier bis acht Wochen muss man warten - wenn es dringend ist.

Diese Situation wird sich in den kommenden Jahren verschlimmern, zeigt eine Ärztebedarfsstudie, die Gesundheitsministerium, Wissenschaftsministerium und Ärztekammer erstellen ließen (derStandard.at berichtete). Demnach werden im Jahr 2030 bis zu 2.800 Ärzte in Österreich fehlen - davon rund 1.200 Fachärzte.

Pensionierungen, Quotenregelung und Ausland

Die Gründe für den kommenden Ärztemangel sind heute schon klar: Viele praktizierende Ärzte stehen kurz vor der Pensionierung, während der Bedarf an ärztlicher Versorgung durch die Überalterung der Gesellschaft ständig steigt. Und der Nachwuchs macht ebenfalls Sorgen. Fällt die Quotenregelung für heimische Studierende, hat Österreich weniger Absolventinnen und Absolventen, als es braucht. Zudem wandern einige jener, die ihr Studium abschließen, ins Ausland ab. Vor allem Skandinavien, Großbritannien und Deutschland sind beliebte Ziele für Mediziner.

Auch Daniel Schubert verließ Österreich nach seinem Medizinstudium im Juli 2009, um in Schweden zu arbeiten, "weil ich hierzulande noch eineinhalb Jahre auf einen Turnusplatz hätte warten müssen", während man ihn in Skandinavien mit offenen Armen empfing. "Ich habe mich in Schweden beworben und hätte sofort an drei oder vier verschiedenen Stellen anfangen können", erinnert sich Schubert. Seine Frau ging mit ihm, auch wenn sie als Physiotherapeutin in Schweden nicht so leicht Arbeit fand.

Ein Wisch und Tschüss

Das Abwandern machte man dem fertigen Mediziner denkbar leicht. "Es war ein Wisch von der Ärztekammer, und Tschüss", sagt Daniel Schubert lapidar. Auf der anderen Seite haben die Schweden alles darangesetzt, ihm den Standortwechsel möglichst angenehm zu machen. Das Krankenhaus hat von den Kosten für die Bewerbungsreise über die Anreise, den Umzug und die Organisation der Unterkunft bis hin zum Sprachkurs alles übernommen. Er hatte sogar "kaum bürokratischen Aufwand".

Daniel Schubert hat seinen Turnus kurzerhand in Schweden, auf Höhe des Polarkreises in Kalix und Övertorneå, gemacht. "Die Ausbildungszeiten werden in Österreich zwar für den Turnus angerechnet", sagt er, "aber nicht der österreichische Turnus als Ganzes." In Schweden hat Schubert in 21 Monaten seinen Turnus abgeschlossen, in Österreich bräuchte er dafür aber 36 Monate - somit ist er nach seiner Rückreise approbierter Arzt, aber ohne Ius practicandi - er ist folglich in Österreich kein ausgebildeter Allgemeinmediziner.

Bessere Arbeitsbedingungen in Schweden

Doch die offenen Arme der Schweden sind nur ein Grund für Mediziner, nach Skandinavien zu gehen. Ein weiterer ist, wie Daniel Schubert sagt, dass die "Arbeitsbedingungen in Schweden deutlich lukrativer, besser und personalorientierter sind. Die Ärzte werden freigespielt, so dass sie sich auf ihre Hauptkompetenz konzentrieren können." Hauptgrund für ihn, nach Schweden zu gehen, war aber, dass er dort sofort einen Ausbildungsplatz bekam. "Es hat mich schon immer gereizt, ins Ausland zu gehen. Während des Studiums habe ich das nie geschafft." Aber jetzt, im Nachhinein, kann er nur jeder Medizinerin und jedem Mediziner empfehlen, den gleichen Schritt zu machen, weil "in Schweden die Ausbildung noch großgeschrieben wird".

Im Norden von Schweden gibt es jetzt schon einen Ärztemangel. Den bekämpft man unter anderem damit, dass man Fachkräfte ins Land holt und auch lokal ansässigen Arbeitskräften mehr bezahlt als in Südschweden. Für die entsprechende Fortbildung sorgt man dann vor Ort - von Fachausbildungen bis hin zum Sprachkurs.

Sprachbarrieren gab es nicht

Die fremde Sprache war für Daniel Schubert keine Hürde. "Gerade Schwedisch ist nicht so schwer zu lernen, wenn man Deutsch spricht." Er hatte schon in Österreich mit einem Sprachkurs begonnen und diesen dann intensiv in Schweden fortgesetzt. "Der Rest war dann learning by doing."

Ressentiments erfuhr er in Schweden keine. "Es gab in dem Krankenhaus schon österreichische Ärzte, mit denen man im Krankenhaus gute Erfahrungen machte. Die Patienten sind den Umgang mit ausländischen Ärzten gewohnt, sie sind sehr geduldig und du kannst jeden bitten, dass er etwas dreimal wiederholt, bis du es verstanden hast." Nur mit Englisch sollte man sich nicht drüberretten, meint er, denn es sei mehr akzeptiert, schlecht Schwedisch zu reden als perfekt Englisch.

Zurück in Österreich

Seit März ist Daniel Schubert nach zweieinhalb Jahren in Schweden wieder in Österreich und arbeitet jetzt im Krankenhaus Horn als Assistenzarzt. Obwohl er in Schweden weniger arbeiten musste, mehr verdiente und ihm bei seiner Abreise eine ganze Reihe von Stellen offen stand. Zurückgekommen ist er, weil er im Mai 2011 Vater geworden ist und das Heimweh deshalb immer größer wurde. "Wir wollten die Familie und die Freunde wieder in der Nähe haben. Familie geht vor - da muss die Arbeit zurückstehen", erklärt er.

Schuberts Stelle im Krankenhaus Horn ist bis Ende Jänner befristet, da er sich dort wohlfühlt, hofft er auf Verlängerung. Außerdem hat er seinen Turnus in Österreich noch nicht abgeschlossen, obwohl er in Schweden ein vollwertiges Ius practicandi erworben hat. Seine Rückkehr war ein Hürdenlauf durch die heimische Bürokratie. Während er, um wegzugehen, nur ein Formular der Ärztekammer brauchte, war es sehr mühsam, die Arbeit in Schweden anrechnen zu lassen - was daran liegt, dass die Ausbildungssysteme in beiden Ländern unterschiedlich sind. Der Anrechnungsprozess ist noch immer im Laufen.

Verschärfte Arbeitsbedingungen, weniger Geld, eine erschwerte Rückkehr nach Österreich - und ein aufkeimender Ärztemangel in Österreich. Das ist das Bild, das Daniel Schubert zeichnet. "Ich glaube, dass der Ärztemangel vor allem an der Peripherie ein Problem wird. In Horn, wo ich derzeit arbeite, spüren wir in einigen Abteilungen jetzt schon, dass es schwer ist, Mediziner hierherzubekommen. Ich kann jedoch eine Empfehlung für den Standort abgeben." (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 2.9.2012)